Niedersachsen überarbeitet sein Schulgesetz hinsichtlich den Erfordernissen der DSGVO

Yeah. Wer es ganz genau nach­le­sen möch­te, fin­det den heu­te ver­ab­schie­de­ten Gesetz­ent­wurf in vol­ler Län­ge hier: http://www.stk.niedersachsen.de/portal/live.php?article_id=180273&_psmand=6.

Da das Lesen echt kei­nen Spaß macht, das aus mei­ner Sicht Wich­tigs­te kurz zusammengefasst:

Lernplattformen und Schulclouds

Kurz­fas­sung: Man wird in Nie­der­sach­sen nach mei­ner Ein­schät­zung jetzt Lern­platt­for­men und Schul­clouds noch abge­si­cher­ter als vor­her ohne Ein­wil­li­gung der Betrof­fe­nen ein­set­zen kön­nen. Die ent­spre­chen­de Rechts­norm lau­tet im geän­der­ten Schul­ge­setz folgendermaßen:

§31, Absatz 5, Satz 1–2: (1) Inter­net­ba­sier­te Lern- und Unter­richts­platt­for­men dür­fen nur ein­ge­setzt wer­den, soweit die­se den Anfor­de­run­gen der Daten­schutz-Grund­ver­ord­nung ent­spre­chen und die Schul­lei­tung dem Ein­satz zuge­stimmt hat. (2) Die Schu­le darf für den Ein­satz digi­ta­ler Lehr- und Lern­mit­tel per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten der Schü­le­rin­nen und Schü­ler, der Lehr­kräf­te und der Erzie­hungs­be­rech­tig­ten ver­ar­bei­ten, soweit dies für die Auf­ga­ben der Schu­le erfor­der­lich ist.

Es gab dazu bis­her in Nie­der­sach­sen bereits eine geleb­te Rechts­pra­xis, du nun aus mei­ner Sicht noch­mal kon­kre­ti­siert und an die DS-GVO ange­passt wur­de. Im Wesent­li­chen hat man sich vor­her allein auf das Erfor­der­lich­keits­kri­te­ri­um gestützt.  Nicht freu­en wird kri­ti­sche Men­schen, dass die Schul­lei­tung hier als qua­si „geneh­mi­gen­de Instanz“ auf­ge­führt ist (über Aus­wahl digi­ta­ler Lehr- und Lern­mit­tel befin­det trotz­dem noch die Fach­kon­fe­renz, in der Eltern sowie SuS unter­re­prä­sen­tiert sind) und – soll­te z.B. Office365 die DS-GVO-Kon­for­mi­tät beschei­nigt wer­den – natür­lich auch kom­mer­zi­el­le Anbie­ter zur Wahl ste­hen (poli­tisch wird es m.E. eher dar­um gehen, die Nie­der­sach­sen­cloud recht­lich zu legitimieren).

Da Unter­richts­ent­wick­lung jedoch stets eng mit mög­lichst vie­len Betei­lig­ten an einer Schu­le ver­bun­den ist, wird man an Schu­len schon sehr dar­auf ach­ten, das The­ma mög­lichst breit zu diskutieren.

Span­nend ist die wie­der­um die doch recht wei­te Rechts­aus­le­gung des neu­en Absatz 5 auf S.23 der Ent­wurfs­fas­sung in „Beson­de­ren Teil“:

Satz 2 sichert die Zuläs­sig­keit des Ein­sat­zes digi­ta­ler End­ge­rä­te und stellt klar, dass die­se im Unter­richt und ins­be­son­de­re in schrift­li­chen Arbei­ten und Prü­fun­gen ver­wen­det wer­den dür­fen, auch wenn dabei per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten ver­ar­bei­tet werden.

Über­haupt gebe ich dem „beson­de­ren Teil“ eine Lese­emp­feh­lung. Für jeman­den, der wie ich schon lan­ge mit den Dis­kus­sio­nen auf Lan­des­ebe­ne ver­traut ist, liest sich das stel­len­wei­se wie ein Kri­mi­nal­ro­man, weil man eben die Hand­schrift ein­zel­ner Play­er wie­der­zu­er­ken­nen glaubt – für Unein­ge­weih­te dann doch eher tro­cken. In der Grund­ten­denz sind aus mei­ner Sicht aber Eltern­rech­te beschnit­ten worden.

Mit Sicher­heit wer­den wir dem­nächst ergän­zen­de Erlas­se sehen. Es bleibt spannend.

 

 

Für den Philologenverband – Fremdschämen ist angesagt

Ich bin schon vor Jah­ren aus dem Phi­lo­lo­gen­ver­band aus­ge­tre­ten. Das hat­te im Wesent­li­chen mit den Inhal­ten der Ver­bands­mit­tei­lun­gen zu tun. Inno­va­tio­nen und ande­re Per­spek­ti­ven konn­te man mei­ner Mei­nung nach stets mit der Lupe suchen.

In letz­ter Zeit gab es wie­der einen abso­lu­ten Klop­fer: Ein Mit­glied äußer­te sich in der Ver­bands­zeit­schrift kri­tisch gegen­über der Fri­days4­Fu­ture-Bewe­gung. Das gehört zu einem gesun­den demo­kra­ti­schen Pro­zess und zur frei­en Mei­nungs­äu­ße­rung. Aber ein Name stand da nicht. Über die Grün­de lässt sich spekulieren.

Heu­te:

https://www.news4teachers.de/2019/08/a13-fuer-alle-lehrer-philologen-kuendigen-widerstand-an-sie-beharren-auf-mehr-geld-fuer-gymnasiallehrer/amp/?__twitter_impression=true

Grund­schul­lehr­kräf­te sol­len nicht höher besol­det wer­den – sagt der hes­si­sche Bil­dungs­mi­nis­ter. Und der deut­sche Dach­ver­band der Phi­lo­lo­gen steigt dar­auf ein:

https://www.dphv.de/aktuell/nachrichten/details/article/zur-eingruppierung-von-grund-und-gymnasiallehrkraeften-wertschaetzung-aller-lehrkraefte-ja-untersc.html

Ich bin Gym­na­si­al­leh­rer – zumin­dest noch der Aus­bil­dung nach. Ich bil­de mir ein, Men­schen zu soli­da­ri­schem Han­deln und demo­kra­ti­schen Den­ken befä­hi­gen zu sol­len. Das ich für mich der Kern des Gym­na­si­ums. Den sehe ich in die­sem Stan­des­den­ken nicht. Es zeugt von abso­lu­ter Ahnungs­lo­sig­keit bezüg­lich des ste­tig wach­sen­den Anspruchs an den Grund­schu­len. Ich habe nicht einen Cent weni­ger in der Tasche, nur weil Grund­schul­leh­rer mehr bekom­men – mei­net­we­gen zahlt die all­ge­mei­ne Stel­len­zu­la­ge dann nur den Gymnasiallehrkräften.

Nicht mei­ne Inter­es­sen­ver­tre­tung. Gute Ent­schei­dung damals.

Medienentwicklungsplanung & Medienbildungskonzepte – Basics

Dies ist ein Aus­zug aus mei­nem gera­de ent­ste­hen­den Buch („Schu­le im Zeit­al­ter der Digitalisierung“).

Was ist überhaupt ein Medienentwicklungsplan?

Medi­en­ent­wick­lungs­pla­nung ist ein Pro­zess, des­sen Kom­ple­xi­tät immer wie­der unter­schätzt wird – vor allem im Bereich der Mode­ra­ti­on. Er ist eng ver­knüpft mit einem wei­te­ren Pro­zess: Dem der Medi­en­bil­dungs­kon­zept­ent­wick­lung an den Schu­len. Sie wer­den in die­sem Kapi­tel mei­nen mühe­vol­len Ver­such sehen, bei­de Pro­zes­se ein­zeln abzu­han­deln, obwohl sie eigent­lich sehr eng mit­ein­an­der ver­knüpft sind.

Zen­tra­le Begrif­fe wie Medi­en­kon­zept, Medi­en­ent­wick­lungs­plan und Medi­en­bil­dungs­kon­zept wer­den zur­zeit in ver­schie­de­nen Bun­des­län­dern noch unter­schied­lich mit Bedeu­tung gefüllt. Durch­zu­set­zen schei­nen sich mitt­ler­wei­le fol­gen­de Definitionen:

Ein Medi­en­kon­zept umfasst einen meist regio­na­len Medi­en­ent­wick­lungs­plan und die dazu­ge­hö­ri­gen Medi­en­bil­dungs­kon­zep­te der Schu­len. Es ist qua­si der Oberbegriff.

Ein Medi­en­ent­wick­lungs­plan ist ein Kon­zept zur Aus­stat­tung von Schu­len in gemein­sa­mer Trä­ger­schaft oder in einer Region.

Medienentwicklungsplanung

Wenn der Trä­ger aktiv in den Pro­zess der Medi­en­ent­wick­lungs­pla­nung ein­steigt, dann müs­sen die Schu­len sich nicht mehr dar­um küm­mern, Haus­halts­mit­tel für die Aus­stat­tung mit digi­ta­len Gerä­ten ein­zu­wer­ben. Die­se Haus­halts­mit­tel ste­hen bereits über einen gewis­sen Zeit­raum hin­weg fest zur Verfügung.

Die Schu­len müs­sen nicht mehr Ange­bo­te für das ein­ho­len, was sie sich wün­schen – das macht der Trä­ger ent­spre­chend den päd­ago­gi­schen Vor­ga­ben – spä­ter im Pro­zess idea­ler­wei­se auf Basis sich ste­tig ent­wi­ckeln­der Medienbildungskonzepte.

Der Trä­ger stellt sei­nen Schu­len im Rah­men sei­ner Medi­en­ent­wick­lungs­pla­nung Men­schen an die Sei­te, die sich um Pfle­ge und War­tung der vor­han­de­nen Gerä­te kümmern.

Der Schul­trä­ger wird aber auch im Rah­men von soge­nann­ten Jah­res­in­ves­ti­ti­ons­ge­sprä­chen mit sei­nen Schu­len gemein­sam die Anschaf­fun­gen des letz­ten Jah­res und die der kom­men­den durchsprechen.

Ein Medi­en­ent­wick­lungs­plan dient pri­mär dem Schul­trä­ger dazu, sei­nen Ausstattungs‑, Ver­wal­tungs- und Sup­port­auf­ga­ben gemäß der jeweils gül­ti­gen Ver­ein­ba­run­gen mit dem zustän­di­gen Bun­des­land gerecht zu werden.

Er garan­tiert den Schu­len ver­läss­li­che Unter­stüt­zung bei auf­tre­ten­den Hard­ware- und Netz­werk­pro­ble­men, schränkt u.U. aber die Aus­wahl von Soft- und Hard­ware zuguns­ten einer bes­se­ren Wart­bar­keit etwas ein, wobei eine sich ent­wi­ckeln­de Medi­en­ent­wick­lungs­pla­nung sich immer auch an die Bedürf­nis­se der Schu­len anpas­sen wird.

Es ist aber etwas voll­kom­men ande­res, inner­halb einer Trä­ger­schaft z.B. drei ver­schie­de­ne Betriebs­sys­tem­platt­for­men für Tablets mana­gen zu müs­sen als Schu­len mit unter­schied­li­chen Robo­ter­bau­sät­zen zu beden­ken. Das ers­te ist sup­port­tech­nisch nicht beherrsch­bar, das zwei­te für exter­ne IT-Betreu­ung fast vernachlässigbar.

So ein­leuch­tend die­ser Umstand sein mag, so schwie­rig ist er in der Fol­ge tat­säch­lich zu rea­li­sie­ren. Jeder Ruf nach „ein­heit­li­cher“ (und damit erst wart­ba­rer) Aus­stat­tung sieht unwei­ger­lich aus­schrei­bungs­recht­li­che Pro­ble­me (Stich­wort: anbie­ter­neu­tra­le Aus­schrei­bung) mit sich und ruft Kri­ti­ker auf den Plan, die „lob­by­is­ti­sche Ein­fluss­nah­me“ über den Trä­ger auf die Schu­len wit­tern. Daher sind Gesprä­che und Aus­tausch in jeder Pha­se einer Medi­en­ent­wick­lungs­pla­nung unerlässlich.

Medi­en­ent­wick­lungs­pla­nung ist fol­ge­rich­tig zwar immer Auf­ga­be des Schul­trä­gers, hat aber stets in enger Abspra­che mit den von ihm betreu­ten Schu­len zu erfol­gen (man kann es nicht oft genug wie­der­ho­len …), um Pro­jekt­ri­si­ken zu mini­mie­ren. Die Vor­aus­set­zun­gen für ein an einer Schu­le wirk­lich geleb­tes Medi­en­bil­dungs­kon­zept sind durch einen vor­han­de­nen Medi­en­ent­wick­lungs­plan wesent­lich bes­ser. Zumin­dest in Nie­der­sach­sen sind Bera­tungs­leis­tun­gen zur Erstel­lung eines Medi­en­ent­wick­lungs­plan als „beglei­ten­de Maß­nah­men“ zudem über den Digi­tal­pakt för­der­fä­hig https://digitaleschule.niedersachsen.de/startseite/faqs/faqs_antragswesen/faqs-zum-antragswesen-179333.html.

Wenn in einem Bereich die Medi­en­ent­wick­lungs­pla­nung anläuft, soll­ten die Schu­len ihrer­seits bereit sein, sich an die­sem Pro­zess zu betei­li­gen und ihn auf­merk­sam in der Pres­se ver­fol­gen. Auch die Anwe­sen­heit von Schul­ver­tre­tern im Kul­tur- und Schul­aus­schüs­sen scha­det nicht.

Medienbildungskonzepte

Medi­en­bil­dungs­kon­zep­te wer­den an den Schu­len ent­wi­ckelt. Die Schu­le bestimmt nach Kri­te­ri­en wie z.B.

  • didak­ti­schen Erfordernissen
  • metho­di­schen Entscheidungen
  • päd­ago­gi­schen Anforderungen
  • cur­ri­cu­la­ren Vorgaben

wie sie die Arbeit mit und über Medi­en in ihren schul­ei­ge­nen Arbeits­plä­nen bzw. Haus­cur­ri­cu­la verankert.

Ein Medi­en­bil­dungs­kon­zept erleich­tert die Argu­men­ta­ti­on gegen­über dem Trä­ger, aber auch gegen­über För­der­ver­ei­nen oder Spon­so­ren, wenn es um z.B. Beschaf­fung von Gerä­ten oder der Aus­stat­tung mit Netz­werk­tech­nik geht. Es kann ein öffent­lich­keits­wirk­sa­mes Instru­ment zur Dar­stel­lung der Schu­le sein. Auf Basis eines Medi­en­bil­dungs­kon­zep­tes ist z.B. die Emp­feh­lung von kon­kre­ter Hard- und Soft­ware durch ent­spre­chend qua­li­fi­zier­tes Per­so­nal, z.B. beim Schul­trä­ger, über­haupt erst möglich.

Bei der Aus­stat­tung von Schu­len ist grund­sätz­lich immer Infra­struk­tur die Basis (Inter­net­an­schluss, LAN, WLAN) – sie wird auch pri­mär durch den Digi­tal­pakt gefor­dert. Infra­struk­tur erfor­dert streng genom­men kein  ein­zi­ges fer­ti­ges Medi­en­bil­dungs­kon­zept – gleich­wohl setzt der Digi­tal­pakt bereits an die­ser Stel­le ein sol­ches vor­aus. Ich arbei­te in die­ser Pha­se ger­ne mit fer­ti­gen Mus­ter­kon­zep­ten, die die for­ma­len Anfor­de­run­gen des Digi­tal­pak­tes erfüllen.

Es soll­te die Zeit der auf­wän­di­gen Erstel­lung von digi­ta­ler Infra­struk­tur von den Schu­len genutzt wer­den, um in der Pro­zess der Medi­en­bil­dungs­kon­zept­ent­wick­lung ein­zu­stei­gen. Der Trä­ger kann auf die­ser Basis sei­ne Medi­en­ent­wick­lungs­pla­nung ent­wi­ckeln. Wie bereits ange­deu­tet, kön­nen aus prag­ma­ti­schen Erwä­gun­gen her­aus – z.B. des rea­lis­tisch in der Regi­on mög­li­chen Sup­ports – meist nicht alle indi­vi­du­el­len Wün­sche jeder ein­zel­nen Schu­le und Fach­schaft dabei Berück­sich­ti­gung fin­den. Das ist weit­aus weni­ger „schmerz­voll“ für alle Betei­lig­ten, wenn die­se Aspek­te bereits im Pro­zess gemein­sam bespro­chen, beglei­tet und auch gelenkt werden.

 

Schreibprozesse durch digitale Medien unterstützen

Ich habe auf diver­sen Ver­an­stal­tun­gen einen Work­shop mit fol­gen­dem Inhalt angeboten:

S*S fällt es zuneh­mend schwe­rer, län­ge­re Tex­te zu kon­zi­pie­ren und hand­schrift­lich nie­der­zu­le­gen. Das hat auch damit zu tun, dass die gebun­de­ne Hand­schrift in den nie­der­säch­si­schen Grund­schu­len mitt­ler­wei­le nur noch fakul­ta­tiv gelehrt wird. Digi­ta­le Medi­en bie­ten hier Ansät­ze, den dadurch beding­ten „Schreib­hem­mun­gen“ zu ent­ge­hen, da sie z.B. erwei­ter­te Mög­lich­kei­ten bei der Text­pro­duk­ti­on bie­ten. Am kon­kre­ten Bei­spie­len erfah­ren Sie in die­sem Work­shop, wie Sie mit der an Ihrer Schu­le vor­han­de­nen Tech­nik, S*S erleich­tern kön­nen, effi­zi­en­ter zu einem Text zu kom­men und geziel­ter die gedank­li­che Struk­tu­rie­rung von Tex­ten unter­stüt­zen kön­nen. Benö­tigt wird ein eige­nes End­ge­rät (Tablet, Notebook).

Ich gehe dazu fol­gen­der­ma­ßen vor:

Phase 1: Der Etherpad-Erstkontakt

Es gibt zahl­rei­chen Anbie­ter, die ein kos­ten­lo­ses Ether­pad anbie­ten, z.B.

Man kann sich treff­lich dar­über strei­ten, ob Ether­pad nicht schon längst über­holt ist, weil es doch eine Viel­zahl wei­te­rer, moder­ne­rer Ange­bo­te gibt, jedoch geht es mir weni­ger um das Tool, son­dern um eine Art des Arbei­tens. Zudem braucht Ether­pad kei­nen Account – weder beim Erstel­ler noch bei Teil­ge­ben­den – das ist nicht zu unter­schät­zen. Das wesent­lich hip­pe­re HackMD braucht schon wie­der etwas Syn­tax­kennt­nis­se und schreckt dadurch gera­de Anfän­ger eher ab – allein schon vom Design.

Die Teil­neh­mer bekom­men von mir einen mög­lichst ein­fa­chen, abtipp­ba­ren Link zu einem Ether­pad (die wenigs­ten sind in der Lage, einen QR-Code zu nut­zen) und ohne wei­te­re Vor­be­rei­tung die Auf­ga­be, Argu­men­te zu einem mög­lichst bana­len The­ma (z.B. pro/contra Schul­uni­for­men) in das Doku­ment zu schrei­ben. Wenn vie­le unter­schied­li­che Gerä­te (Note­book, Tablet, Han­dy) im Raum sind, ist das äußerst wert­voll für die spä­te­re Auswertung.

Phase 2: Die unterrichtsbezogene Meta-Arbeit

Sofort danach mache ich Meta­ar­beit mit klei­nen Impulsfragen:

  • Wie ist es Ihnen ergangen?
  • Was emp­fan­den Sie als ver­stö­rend oder problematisch?
  • Was „leis­tet“ so ein Dokument?
  • Wel­che wei­te­ren Anwen­dungs­sze­na­ri­en im Unter­richt fal­len Ihnen ein?

Mit dem letz­ten Impuls kom­men die eige­nen, meist sehr tech­ni­schen und erstaun­li­cher­wei­se immer­wie­der glei­chen Fra­gen, z.B.:

1.) „Wie spei­chert man das?“

Es ist unglaub­lich schwer zu ver­mit­teln, wie Spei­che­rung bei einem Online­do­ku­ment funk­tio­niert. Die Vor­stel­lung, dass mir ein Algo­rith­mus den Klick auf das Dis­ket­ten­sym­bol klein­schrit­tig und ver­sio­niert abnimmt, scheint völ­lig unkom­pa­ti­bel zum tech­ni­schen Ver­ständ­nis vie­ler Men­schen zu sein. Es kommt hier extrem dar­auf an, die­se Fra­ge sehr ernst­zu­neh­men, da das Kon­zept „Datei hin­ter Link“ sich sehr fun­da­men­tal vom Kon­zept „Datei im eige­nen Ord­ner zu Hau­se“ unter­schei­det. Ich male da ger­ne eine Ord­ner­struk­tur „auf dem Ser­ver“ an die Tafel. Bei sehr auf­ge­schlos­se­nen Grup­pen zei­ge ich auch die Times­li­der­funk­ti­on von Etherpad.

2.) „Kann man auch Tabel­len anle­gen – ich arbei­te an der Tafel ja immer auch mit Tabellen!“

Das was man an der Tafel gewohnt ist, soll auch 1:1 im digi­ta­len Raum funk­tio­nie­ren. Die­se Denk­wei­se ver­sperrt aber den Blick dar­auf, dass nun ganz ande­re Din­ge mög­lich wer­den, z.B. in kür­zes­ter Zeit kol­la­bo­ra­tiv eine sor­tier­ba­re Stoff­samm­lung zu haben, an der auch zurück­hal­ten­de­re S*S par­ti­zi­pie­ren kön­nen. Davon erzäh­le ich ohne die Tabel­le an der klas­si­schen Tafel abzuwerten.

3.) „Wie geht des mit der ande­ren Schriftart?“

Das ist ähn­lich zu beant­wor­ten wie Fra­ge 2. Ich sage immer immer, dass Ether­pad gut für Inhal­te ist, die immer in aktu­el­ler Form ohne Her­um­schi­cken einer Datei vor­lie­gen. Das Gestöh­ne beim Sei­ten­hieb auf unter­schied­li­che Word­da­tei­en weicht dann schnell der Erkennt­nis, dass das Sinn macht, so redu­ziert zu arbei­ten – for­ma­tie­ren kann man ja hin­ter­her immer noch in der Text­ver­ar­bei­tung sei­ner Wahl.

4.) „Und wie lege ich das an?“

Es ist unglaub­lich schwer zu ver­mit­teln, dass ein Doku­ment durch eine Ein­ga­be und einen Klick direkt im Netz ent­steht. Auch da arbei­te ich mit „Krü­cken“ und Tafel­an­schrie­ben wie bei Fra­ge 1.

5.) „Also ich wür­de das zu Hau­se schon mit pro- und con­tra vor­struk­tu­rie­ren wollen!“

Das ist immer so eine tol­le Fra­ge, wenn sie denn kommt. Stan­dard­ant­wort: „Müs­sen Sie nicht, das kön­nen Sie hier die S*S machen las­sen!“ Meis­tens wird es dann kurz still im Raum. „Und wie kon­trol­lie­re ich das?“ Mei­ne Ant­wort: „Indem Sie den Arbeits­pro­zess – der ja nun trans­pa­rent ist – immer wie­der unter­bre­chen und reflek­tie­ren – das ist Ihre Pro­fes­si­on und Auf­ga­be!“. Man kann z.B. ja vor dem Struk­tu­rie­ren das Ent­stan­de­ne auch über­ar­bei­ten lassen.

[…]

Nach den ers­ten bei­den Pha­sen sind min­des­tens 45 Minu­ten ver­gan­gen – je nach Dis­kus­si­on­freu­dig­keit der Teil­neh­men­den. Es ist eigent­lich noch nicht viel gesche­hen in die­sem Work­shop, oder?

Phase 3: Die Ausblicke & Realismus

Ich wer­fe nun Erfah­run­gen in den Ring, z.B. dass S*S den Umgang mit sol­chen kol­la­bo­ra­ti­ven For­men ler­nen müs­sen und es natür­lich anfangs zu Sabo­ta­ge kommt (Dank Ver­sio­nie­rung aber umkehr­bar). Ich wer­fe die Idee in den Raum, schul­ei­ge­ne Kon­zep­te so zu ver­fas­sen oder aber auch Sit­zun­gen mit meh­re­ren Per­so­nen „live“ zu pro­to­kol­lie­ren, sodass das Pro­to­koll nach Abschluss nur noch etwas for­ma­tiert wer­den muss etc..

Ich wei­se auf Alter­na­ti­ven hin, zei­ge z.B. Goo­g­le­Docs, Only­Off­ice & Co. Das hal­te ich aber bewusst kurz und bie­te bei Inter­es­se an, die­ses oder jenes Tool in einem sepa­ra­ten Work­shop zu thematisieren.

 

 

 

Sollten Kinder bereits an der Grundschule chatten lernen?

In einer von Axel Krom­mer aus­ge­lös­ten Twit­ter­dis­kus­si­on zwi­schen Phil­ip­pe Wampf­ler und Sabi­ne Czer­ny ging es letz­te Woche heiß her. Struk­tu­rell tritt hier etwas auf, was mich zur Zeit mas­siv bei Dis­kus­sio­nen zum Ein­satz digi­ta­ler Mit­tel und Tech­ni­ken an der Schu­le stört. Das lässt sich gut an die­sem Bei­spiel zei­gen, weil da ganz unter­schied­li­che Ansät­ze auf­ein­an­der­tref­fen. Ich ver­kür­ze ein­mal die Argu­men­ta­ti­on von Phil­ip­pe Wampfler:

  1. Kin­der chat­ten in ihrer Frei­zeit bereits, los­ge­löst, ob Schu­le sich damit beschäf­tigt oder nicht.
  2. Der Chat (z.B. auch Whats­App) als Kom­mu­ni­ka­ti­ons­form ist eine eta­blier­te Form gesell­schaft­li­chen Informationsaustausches..
  3. Dazu gehö­ren auch ergän­zen­de chat­ty­pi­sche Aus­drucks­for­men wie etwa Smi­lies, Abkür­zun­gen etc. zum Aus­druck prag­ma­ti­scher Informationsanteile.
  4. Daher ist es not­wen­dig, bereits in der Grund­schu­le mit Kin­dern über die­se spe­zi­fi­sche Kom­mu­ni­ka­ti­ons­form zu spre­chen bzw. zu reflektieren

Phil­ip­pe Wampf­ler geht in sei­ner Argu­men­ta­ti­on von einem Inhalt bzw. einer Kom­pe­tenz aus. Sabi­ne Czer­ny geht von kon­kre­ten Erfah­run­gen mit Kin­dern aus. Da knallt es dann zwar eini­ger­ma­ßen höf­lich und rhe­to­risch hübsch ver­packt, aber den­noch recht schnell.

Wie das The­ma Chat für mich in die Grund­schu­le gehört

Wie oben bereits deut­lich wird, ist chat­ten für mich eine Form der mensch­li­chen Kom­mu­ni­ka­ti­on. Je nach Ansatz setzt sich Kom­mu­ni­ka­ti­on aus syn­tak­ti­schen, seman­ti­schen und prag­ma­ti­schen Ele­men­ten zusammen.

  1. Syn­tax: Wie ist eine Kom­mu­ni­ka­ti­on for­mal gestaltet?
  2. Seman­tik: Wel­che Bedeu­tung besit­zen ein­zel­ne syn­tak­ti­sche Elemente?
  3. Prag­ma­tik: Was wird über die syn­tak­ti­sche und seman­ti­sche Ebe­ne hin­aus transportiert?

Bei­spiel:

  1. Syn­tax: Es gibt das Wort „Tisch“, dass aus vier Zei­chen besteht.
  2. Seman­tik: Das Wort „Tisch“ ist einer Holz­plat­te mit meist vier Bei­nen zuge­ord­net, an der man z.B. essen kann.
  3. Prag­ma­tik: Wenn ich auf einen Stuhl mit etwas zu Essen auf einem Tel­ler sit­ze und und „Tisch?“ sage, könn­te ich z.B. zum Aus­druck brin­gen, dass ich ger­ne einen Tisch hätte.

Zur prag­ma­ti­schen Ebe­ne gibt es sehr vie­le Model­le, weil genau das ein Feld ist, wel­ches sich am schwers­ten in den Griff bekom­men lässt, z.B. das Vier-Sei­ten-Modell von Schulz von Thun. Twit­ter und Whats­App eska­lie­ren an vie­len Stel­len, weil z.B. Iro­nie aus unter­schied­li­chen Grün­den schlicht nicht erkannt wird – ein typi­sches  Schei­tern von Kom­mu­ni­ka­ti­on auf der prag­ma­ti­schen Ebe­ne. Ein Chat ist ledig­lich eine mög­li­che Aus­prä­gung von Kom­mu­ni­ka­ti­on – nicht mehr und nicht weniger.

Was man mei­ner Ansicht nach also in der Grund­schu­le bear­bei­ten und reflek­tie­ren „muss“, ist also schlicht Kommunikation.

  • Was von dem, was ande­re zu mir sagen, ver­letzt mich?
  • Was von dem, was ande­re zu mir sagen, macht ein schö­nes Gefühl?
  • Macht es für mich einen Unter­schied, ob mir jemand etwas schönes/hässliches schreibt oder es mir sagt?
  • Wie füh­le ich mich, wenn es mir nicht gelingt, in eine Grup­pe zu kom­men, weil die nicht mit mir reden?
  • Wie sieht jemand aus, der wütend, fröh­lich, gelang­weilt […] ist?
  • […]

Spä­ter, in der Über­tra­gung auf digi­tal ver­mit­tel­te Kommunikationssituationen:

  • Wann sage ich jeman­den etwas direkt ins Gesicht?
  • Was habe ich auf Whats­App schon Schö­nes und Komi­sches erlebt?
  • Mit wem spre­che ich in einem Chat­room eigent­lich? Ist das immer auch ein Kind?
  • Was macht Whats­App leich­ter, was ist total nervig?
  • […]

In der Aus­ein­an­der­set­zung mit sol­chen oder ähn­li­chen Fra­gen wer­den bes­ten­falls Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mus­ter erkenn­bar, die sich in unter­schied­li­chen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­for­men wie­der­fin­den las­sen bzw. auf sie über­trag­bar sind. In der Beschäf­ti­gung mit Chats allein nicht. Im Ori­en­tie­rungs­rah­men Medi­en­bil­dung, den ich mit­ge­stal­ten durf­te, steht für die Grund­schu­le unter ande­rem dies:

Schü­le­rin­nen und Schü­ler kom­mu­ni­zie­ren und koope­rie­ren unter Ein­hal­tung von Umgangs­re­geln mit Hil­fe ver­schie­de­ner digi­ta­ler Kommunikationsmöglichkeiten

… und das kann ich u.a. erst machen, wenn ich all­ge­mei­ne Umgangs­re­geln für Kom­mu­ni­ka­ti­on dis­ku­tiert, erprobt und erfah­ren habe, bzw. ist die­ser Schritt dann ein mar­gi­na­ler bzw. kommt er doch ganz auto­ma­tisch mit hin­ein, wenn ein Ver­trau­ens­ver­hält­nis zwi­schen Lehr­kraft und Kin­dern besteht. Viel­leicht gibt es die eine oder ande­re gera­de im Netz sehr flui­de und damit schu­lisch kaum sinn­voll zugäng­li­che syn­tak­ti­sche Erwei­te­rung in Form von Codes, Smi­lies etc. – aber da kön­nen Lehr­kräf­te meist mehr von SuS ler­nen als umgekehrt.

Fazit:

  1. Die For­de­rung, in der Grund­schu­le über das The­ma Chat­ten zu arbei­ten, ist ein stark ver­ein­fach­te, die in die­ser iso­lier­ten, nicht sys­te­misch gedach­ten Form auf Wider­stand sto­ßen muss und das ist gut so.
  2. Basis muss für mich das kind­ge­mä­ße Reflek­tie­ren über Kom­mu­ni­ka­ti­on an sich sein – und das geschieht an vie­len mir bekann­ten Grund­schu­len ganz selbstverständlich.
  3. Digi­tal ver­mit­tel­te Kom­mu­ni­ka­ti­on besitzt ande­re Kon­tex­te und vor allem auf der Ebe­ne der Prag­ma­tik Her­aus­for­de­run­gen, die auch vie­le Erwach­se­ne kom­plett über­for­dern – u.a. weil man wun­der­bar prag­ma­ti­sche Ele­men­te faken und instru­men­ta­li­sie­ren kann. Daher ist zu prü­fen, wel­che Vor­aus­set­zun­gen im Grund­schul­al­ter ent­wick­lungs­psy­cho­lo­gisch bereits sinn­voll erfahr­bar zu machen sind – und wel­che nicht.
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