Geister
In meiner Tätigkeit als medienpädagogischer Berater begegnen mir zur Zeit eine ganze Menge Geister, die ich frei nach Charles Dickens hier einmal vorstellen möchte. Gemeinsam mit Dickens Geistern haben sie, dass sie mich zurzeit ganz stark in Grübeln bringen und vieles aus den letzten Jahren in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen.
Die Dämonen
Dämonen sind für einen Techniker ziemlich wichtig: Man sieht von ihnen nichts, aber sie lauschen unaufhörlich, ob Aufgaben anliegen, die sie immer oder auch zeitgesteuert abarbeiten. Ohne Dämonen kommt ein Unixsystem völlig zum Erliegen – die CPU bekommt keine Aufgaben, die Aufgaben keine Rechenzeit. Dämonen nimmt man als etwas Selbstverständliches hin – sie funktionieren halt.
Jeder Lehrer erfüllt Dämonen-Aufgaben, die Schulleitung mehr, der normale Kollege weniger. Der Unix-Dämon braucht eigentlich nichts außer Updates (von anderen Dämonen gesteuert), eine Laufzeitumgebung oder Energie. Daran hapert es auf einem IT-System meist nicht. Stirbt ein Dämon, startet man ihn neu und er ist derselbe wie vorher – genau so belastbar, genauso effektiv, gefühlslos, nicht nachtragend.
Geben wir den menschlichen Dämonenaufgaben immer die Energie, die sie brauchen? Anerkennung – still oder offen? Haben sie eine Laufzeitumgebung, die ihnen gibt, was sie für ihre Funktion benötigen?
Geisterkonzepte
Wir produzieren in Niedersachsen an den Schule zurzeit viele Konzepte. Die Produktionsrate steigt im Vorfeld einer Inspektion dabei erheblich an. Viele davon sind schön geschrieben und voller Kompetenzbuzzwords. Wie viele werden gelebt? Wie misst man das Gelebtwerden von Konzepten durch z.B. eine Evaluation? Wie lebt man geschätzte 20 Konzepte gleichzeitig anm ein und derselben Schule? Ein nicht gelebtes Konzept ist halt so da – ein Produkt, was man vorzeigen kann. Es ist aber ohne die Handlung, die dichotomisch zu ihm gehören muss, wenn es einen Wert haben soll, nicht real. Es ist dann ein Geist. Für die einen ein guter, weil er die Inspektoren beglückt, für die anderen ein abgrundtief böser, weil er die Ressourcen Zeit und Wahrnehmung ohne Gegenleistung verschwendet. Drei wirklich gelebte Konzepte an einer Schule. Wäre das nicht eine Basis?
Der Geist einer Schule
Es ist ziemlich verrückt und es klingt total eingebildet: Bei den bisherigen Schulen, die ich besucht habe, war mir schon nach wenige Metern im Gebäude klar, wie das sich anschließende Gespräch mit dem meist Schulleiter verlaufen würde. Die Mixtur als Geräuschen und Stille, aus Architektur, aus Geruch und Lichtstimmung spricht Bände bar jedweder Rationalität. Das Seltsame daran ist, dass ich den Geist meiner eigenen Schule am wenigsten von allen erlebten beschreiben kann- vielleicht weil alles schon viel zu gewohnt und vertraut ist.
Mir sind Äußerlichkeiten eigentlich immer recht egal gewesen, obwohl ich immer neidvoll in reich geschmückte Klassenzimmer gehe – ich denke dabei dann doch eher an: „Und wer räumt das alles wieder auf?“. Ich weiß, dass ich einen eigenen Raum möchte, den ich selbst gestalten kann, in dem mein Geist herrscht, in dem ich Lernangebote und ‑medien bereithalten kann, die mir eine weitere Öffnung des Unterrichts ermöglichen.
An diesen Ideen merke ich, wie sehr ich das, was Schule im Allgemeinen als Geist vorgibt, als unabänderlich hingenommen habe. Jetzt, wo die Mühle zwar noch läuft – aber an mindestens zwei verschiedenen Orten, begreife ich, was noch alles möglich ist und was schon anderswo tatsächlich gemacht wird. Viel zu lernen gibt es für mich an den Grundschulen.
Es ist, was den Geist angeht, aber bisher recht egal, was draußen an der Tür steht.
Bleibt noch dies:
Wer mir sagt, dass man Geister messen, beschreiben und allein durch diese beiden Operationen entwickeln kann, der hat ein Weltbild, das zu dem meinen nicht passt. Ich habe noch nie einen bösen Geist gesehen, der dadurch verschwand oder einen guten, der dadurch zum übermächtigen Dschinn wurde.