Nachdenkliches zu Schulschließungen und allgemein
Als medienpädagogischer Berater mit meinen Fähigkeiten bin ich gerade in viele Prozesse eingebunden – eben gerade habe ich sogar länderübergreifend beraten. Es gibt überall gleiche Probleme – Politik möchte verkünden und Lösungen für alle Schulen schaffen und ist es gewohnt, dass man gegen Herausforderungen nur genug Geld schmeißen muss und dann ist es gelöst.
Videokonferenzlösungen – landesweit
Das ist gerade ein unglaublich großes Thema, auf Twitter, in den Medien – überall. Und der Druck ist groß. Er wird größer, wenn klar werden sollte, dass es nach Ostern nicht mit der Schule weitergehen kann. Videokonferenzlösungen sind meiner Meinung nach das, was Frontalunterricht am nächsten kommt. Man kann sie auch anders nutzen, wie z.B. die großartige Maria Kruse:
Das was ich hier vor Ort machen und anbieten kann, ist ein Witz. Das landesweite Ausspielen einer Bildungscloud oder eines Lernmanagementsystems ist Regionalklasse (und selbst da: Supportet sowas mal landesweit …) gegen die technischen Anforderungen beim Ausspielen einer Videokonferenzlösung für ein ganzes Bundesland. Selbst Teams hatte immense Probleme, Google und M$ laufen die Clouds voll – nicht wegen der Schulen.
Man kann jetzt auch nicht zu einem Dienstleister gehen und sagen: „Entwickelt mal eine Clusterlösung dafür!“ – die Dienstleister dürften bis oben hin voll mit Aufträgen sein und die Mitarbeitenden sind alle im Homeoffice. BigBlueButton gibt einen Bandbreitenbedarf von 250 Mbit/s für 150(!) parallele Videostreams an. Server kann man mit einer Anbindung von 1Gbit/s mieten. Wenn man mehr will, geht die Mischkalkulation des Anbieters nicht auf und es wird teuer. BigBlueButton wird in die niedersächsische Bildungscloud integriert sein und es gibt auch ein Skalierungsszenario. Ich war erstaunt, dass sich dabei meine Idee mit der eines professionellen Anbieters deckte.
Es wird aber mit dauernder Länge der Schulschließung kein Weg daran vorbeiführen, Unterricht und Lernen asynchron zu denken und anzulegen, d.h. zu den ganzen Schwierigkeiten, die viele Lehrkräfte mit Tools haben, kommen jetzt auch noch notwendige strukturelle Veränderungen dazu. Nicht alleine, weil Gralshüter das schon lange fordern, sondern ganz schnöde wegen der technischen Schwierigkeiten. Es ist schön, dass alles mit Jitsi und Zoom auf individueller Ebene so toll klappt. Aber wir stehen am Anfang einer Krise. Und mal ehrlich: Mit mehr als 5–7 Leute parallel in einer Videokonferenz?
Das Problem Videokonferenzlösung für Schulen, datenschutzkonform und landesweit ist ein typisches, gegen das man nicht einfach Geld werfen kann. Lamentieren über Versäumnisse der Vergangenheit taugt gut für die Empörten, in der aktuellen Lage sehe ich darin keinen Gewinn.
Behind the Scenes
Ich habe diese Woche Videokonferenzen, Telefongespräche, E‑Mailkontakte mit dem Kultusministerium, dem Landesinstitut und mir formal ganz kleinem Licht gesehen. Auf Augenhöhe, partnerschaftlich, nichts mit Dienstwegen, lösungsorientiert, ehrlich, konstruktiv, der Sache zugetan. Ich weiß nicht, ob das überall so ist. Ich bin fast schon gerührt, weil das im Normalbetrieb so selten sichtbar wird. Ich bin mir sicher, dass wir für einige Bundesländer bald Lösungen sehen werden. Die werden nicht so toll wie Teams sein. Sie werden nicht so viele Features bieten wie Moodle oder itslearning. Aber für 80%-90% dessen, was viele Lehrkräfte jetzt und heute „digital“ abbilden und umsetzen können, wird es meiner Meinung nach erstmal reichen. Ein Anfang, der nur „falsch“ ist, wenn das Ziel nicht stimmt. Jetzt ist m.E. die Stunde der Wege, nicht der Ziele, die die Gralshüter promoten. Und auch auf diesem niedrigen Niveau werden Kolleg*innen zurückbleiben. Wie werden wir denen gerecht? Guter Unterricht ist keine Frage von Geräteeinsatz und Technisierung, sondern eine von Haltung. Von Menschen mit der entsprechenden Haltung kann jeder digitale Flippie viel lernen.
Und sonst so?
Alle im Homeoffice. Auch ich meistens. Ich sitze sonst ziemlich alleine im Medienzentrum – zumindest einen halben Tag in einem Einzelbüro mit Handdesinfektionsspender und guter Belüftung. Viele Einzelberatungen von engagierten Kolleg*innen aus der Region per Telefon, Videokonferenz, E‑Mail. Die Schulen gehen in den Ferienmodus – müssen aber auch in der Ferienzeit die Kindernotbetreuung gewährleisten. In den letzten sechs Tagen bin ich insgesamt 33km (3x11) gelaufen. Eigene Kinder ohne Sportmöglichkeit profitieren davon, aber es ist auch echt anstrengend – tut aber dem Stresshormonlevel sehr gut. Und gestern konnten wir einen 20er-Pack Klopapier ergattern. Der Landkreis Cloppenburg steht coronamäßig sehr gut da. Vielleicht fliegen hier aber bald die Helis von Bremen und Vechta zum Krankenhaus.
Beratungen zum Digitalpakt und mein Dauerbrenner „Buchprojekt“ sind ja nette Ideen. Momentan leider nur „nett“. Will keiner. Gebraucht wird eh anderes.
Wäre ich Schulleiter, würde ich jetzt an die schulinternen Arbeitspläne gehen, transparent machen, welche Schätze Kolleg*innen in ihren Schubladen liegen haben – und Medienbildung dabei mitdenken. Was gemacht wird, ist im Landkreis sehr unterschiedlich: Genau das oder sehr fordernde von Schulleitung gesteuerte Aufgabenkultur (mit Korrektur durch Lehrkräfte) bis hin zu „Ich dürft gerne, wenn es nicht mit den Aussagen des MK kollidiert …“. Da kommen teilweise wundervolle Dinge bei heraus.
Schön von der Idee her finde ich auch ein neues Portal des NiBiS:
https://lernenzuhause.nibis.de
Hier findet man durchkuratiert und redaktionell betreut das, was durch die sozialen Medien geht. Schön wären jetzt noch Lernpfade, die Schüler*innen und Eltern helfen, wirklich sinnvoll mit diesen Angeboten und Werkzeuge zu arbeiten. Aber da scheint es schon Ideen zu geben …
Insgesamt bin ich hin- und hergerissen. Es läuft vieles „behind the scenes“. Irgendjemand gebrauchte in Zusammenhang mit meiner Person in einem anders gemeinten Kontext den Begriff der „Hidden Figure“. Ich tue mich schwer damit. Ich kann momentan nicht so transparent sein, wie es meinem Anspruch entspricht – dazu ist vieles noch zu fragil und das Beratungsgeheimnis ist dann m.E. auch durchaus sinnvoll. Ich habe daher für mich entschieden, dass Transparenz eigentlich auch andere können.
So. Ich muss dann mal Erklärvideos drehen … Vielleicht auch bald zur Bildungscloud!