Twitter mit Institutionsaccount (na, so halb)

Trans­pa­renz­dis­clai­mer:

Die­ser Arti­kel schlum­mert seit etwa drei Mona­ten als Ent­wurf im Blog. Ich habe ihn jetzt her­aus­ge­holt, weil die Kon­flik­te im Twitterlehrer:innenzimmer jetzt wie­der an einer Stel­le sind, an der sie schon vor drei Mona­ten waren und in drei Mona­ten wie­der sein wer­den. Ihr wer­det das Alter des Arti­kels an Ent­wick­lun­gen mer­ken, die schon jetzt nach drei Mona­ten wie­der weit­ge­hend Geschich­te sind.

Und los:

Ich ver­ges­se jedes Jahr wie­der, dass Kon­flik­te auf Twit­ter unter ver­schie­de­nen Grup­pen enorm eska­lie­ren. Eigent­lich müss­te man jedes Jahr im Novem­ber (und in Pan­de­mie­jah­ren wohl zusätz­lich vor den Som­mer­fe­ri­en) eine ent­spre­chen­de Warn­mel­dung herausgeben.

Ich will nicht mehr emo­tio­nal in die­sen Stru­del gezo­gen wer­den – den per­sön­li­chen Account hat­te ich schon im Spät­som­mer 2019 auf­ge­ge­ben. Jetzt ver­su­che ich es mit einem „Institutions“-Account, der bei Lich­te bese­hen eigent­lich kei­ner ist.

Zeit, ein­mal ein Resü­mée zu ziehen:

  1. Es gelingt mir gut, mich aus öffent­li­chen Meta­dis­kus­sio­nen her­aus­zu­hal­ten. Ich ver­wen­de die­se Ener­gie für Din­ge, die ich für nach­hal­ti­ger hal­te, z.B. für die loka­le Vernetzung.
  2. Ich füh­le mich dar­in bestärkt, dass es ab einer bestimm­ten Reich­wei­te sehr schwie­rig wird, einen vor­her abge­steck­ten Kurs zu hal­ten. Es gibt Effek­te, die man nicht leicht han­deln kann, z.B. den Umgang mit Öffent­lich­keit. Viel Auf­merk­sam­keit bedeu­tet viel Stress und zieht Kraft. Ich bin z.B. nie­mand, der es genie­ßen kann, viel Auf­merk­sam­keit zu bekom­men. Tat­säch­lich habe ich immer wie­der Kon­takt zu z.B. Jour­na­lis­ten, gebe da aber eher Tipps zu Kon­tak­ten oder Ansatz­punk­ten. Das ist eine Form von Auf­merk­sam­keit, die ich ehr­li­cher­wei­se sehr genie­ße. Und: Ich habe tat­säch­lich die Foren­re­ak­ti­on auf Hei­se Online im Kon­text eines Arti­kels rela­tiv unbe­ein­druckt über­stan­den. Da kann man jetzt Schritt für Schritt muti­ger werden.
  3. Ich füh­le mich dar­in bestärkt, dass es sehr schwie­rig ist, ab einer bestimm­ten Reich­wei­te nicht Ver­su­chun­gen zu erlie­gen, z.B. Posts danach vor­zu­fil­tern, wie­viel Reich­wei­te sie womög­lich erzeugen.
  4. Es ist eigent­lich mei­ne erklär­te Absicht, Twit­ter als Bau­stein für eine mehr lokalere Ver­net­zungs­stra­te­gie zu nut­zen, um z.B. Lehr­kräf­te aus Nie­der­sach­sen geziel­ter anzu­spre­chen. Das kol­li­diert natür­lich mit der regio­na­len Unge­bun­den­heit von Twit­ter. Aller­dings ist momen­tan das Inter­es­se an Ange­bo­ten zu Digi­krams so groß, dass schon der Ein­trag in die Ver­an­stal­tungs­bank des Lan­des reicht, um Fort­bil­dun­gen an Teilgeber:innen zu bringen.
  5. Twit­ter hat für die „Magie“ hin­ter Ver­än­de­rungs­pro­zes­sen kei­ner­lei Rele­vanz. Die pas­siert ganz woan­ders, z.B. hier in Nie­der­sach­sen bei einer zuneh­men­den Ver­net­zun­gen von Bera­tungs­sys­te­men über Insti­tu­ti­ons­gren­zen hin­weg. Das ist übri­gens recht har­te Arbeit, umso här­ter, je expo­nier­ter die eige­ne Posi­ti­on im Sys­tem ist. Auch die­se Expo­nie­rung ver­mei­de ich noch. Dar­an wird in der Zukunft noch zu arbei­ten sein.
  6. Twit­ter spielt für die Hil­fe im All­tag unter­ein­an­der eine immense Rol­le. Das funk­tio­niert am aller­bes­ten über zusätz­li­che Bin­dun­gen auf ande­ren Kanä­len. Die Wohl­fühl­b­la­sen sind für Außen­ste­hen­de oft weder wirk­lich zugäng­lich noch ohne wei­te­ren Kon­text über­haupt ver­steh­bar. Gleich­zei­tig bie­ten sie aber einen unglaub­li­chen Reiz, dass man sie z.B. aus theo­re­ti­schen Über­le­gun­gen her­aus kri­ti­siert, z.B. weil man den Ein­satz eines bestimm­ten Tools aus dem eige­nen Ver­ständ­nis von Digi­ta­li­tät bewer­tet bzw. „dif­fe­ren­ziert und kri­tisch dis­ku­tie­ren will“. Das war z.B. mei­ne gro­ße Fal­le, in die ich jah­re­lang getappt bin.
Das Konzept der intendierten Öffentlichkeit aus Konfliktauslöser

Phil­ip­pe Wampf­ler hat in einem ande­ren Kon­text auf das Kon­zept der inten­dier­ten Öffent­lich­keit von Anil Dash hin­ge­wie­sen. Ich glau­be, dass dar­in der ers­te Schlüs­sel für vie­le Kon­flik­te liegt.

Ein gar nicht so kon­stru­ier­tes Bei­spiel, wovon für mich immer wie­der Initi­al­zün­dun­gen ausgehen:

Wenn ich dar­auf stolz bin, ein Tool ein­ge­setzt zu haben, besteht die Mög­lich­keit, dass ich nicht „kri­tisch hin­ter­fragt“ wer­den möch­te, son­dern mei­ne Erfah­run­gen nur in einem bestimm­ten Adres­sa­ten­kreis wei­ter­ge­ben zu wol­len. Dass mir z.B. Bil­dungs­in­ter­es­sier­te oder Didak­ti­ker fol­gen, wird mir u.U. erst im Pro­zess deutlich.

Die Kri­tik und die Rück­fra­gen von Außen­ste­hen­den müs­sen dar­über hin­aus einen bestimm­ten Kon­text kon­stru­ie­ren (wohl­wol­lend oder z.b. kri­tisch) – für etwas ande­res ist Twit­ter gene­rell zu begrenzt. Die Beur­tei­lung des Gegen­übers z.B. auf Basis eines iso­lier­ten Tweets ist für mich mit der jour­na­lis­ti­schen Situa­ti­on ver­gleich­bar, in der Zita­te aus dem Zusam­men­hang geris­sen wer­den, um einen bestimm­ten Frame zu set­zen – nur tun das die Tweeten­den in iro­ni­scher Wei­se im Prin­zip ja durch den Tweet selbst.

Tief­grei­fen­de Dis­kus­sio­nen führt man nicht auf 240-Zei­chen – der neue Trend ist ja auch „Ein Thread“ (qua­si das Pen­dant der Sprach­nach­richt auf Twit­ter). Der Ein­satz eines Tools im Unter­richt in sei­nem Kon­text kann ja nicht öffent­lich sein, sich aber dadurch durch­aus relativieren.

Jeman­dem, der sich schon lan­ge auf Social­me­dia bewegt, sind die Dyna­mi­ken von Online­kom­mu­ni­ka­ti­on bewusst. Die „alten Hasen“ ken­nen teil­wei­se auch die Geschich­te hin­ter der Geschich­te. Neu­lin­ge nicht. Das wird leicht ver­ges­sen. Der Grad zwi­schen der Zuschrei­bung von „man­geln­der Kri­tik­fä­hig­keit“ und „Über­for­de­rung“ ist schmal. „Das ist doch hier schon 100mal widerlegt/geklärt/diskutiert wor­den!“ hal­te ich für einen Aus­druck die­ser Asymmetrie.

Und die ideel­len Macht­ver­hält­nis­se sind nicht nur dadurch asym­me­trisch. Auf Twit­ter und spe­zi­ell im Twitterlehrer:innenzimmer sind nicht alle „gleich“ und „auf Augen­hö­he“. Das ist in mei­nen Augen eine roman­ti­sche und nai­ve Web­fan­ta­sie. Dahin­ter steckt viel­leicht viel­mehr der Wunsch nach einer Platt­form oder Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ebe­ne, auf der es so emp­fun­den wird.

Asym­me­tri­sche Macht­ver­hält­nis­se konn­ten his­to­risch schon immer allein durch Soli­da­ri­tät und Grup­pen­bil­dung aus­ge­gli­chen wer­den. Das geschieht auf Twit­ter. Es wird sich in dem Maße ver­stär­ken, in dem asym­me­tri­sche Macht­ver­hält­nis­se igno­riert bzw. weg­ro­man­ti­siert wer­den. Es sind defi­ni­tiv nicht alle gleich. Gefor­dert sind hier vor allem die ideell Mäch­ti­gen – zuneh­mend aber auch im Aus­hal­ten per­sön­li­cher Angriffe.

Wirk­lich gro­ße Accounts wie der von in die­sem Jahr wirk­lich prä­sen­ten Vere­na Paus­der lächeln das nach anfäng­li­cher Ver­wir­rung weg. Da ste­hen oft ein Team und gewis­se Mar­ke­ting­ress­our­cen zur Reich­wei­ten­er­hö­hung zur Seite

 

Als wäre das nicht schon kompliziert genug

Mit Digi­ta­li­tät und Schu­le lässt sich Geld ver­die­nen. Um Geld ver­die­nen zu kön­nen, braucht es Auf­merk­sam­keit. Auf­merk­sam­keit an sich ist auf Social­me­dia eine begrenz­te Res­sour­ce und eigent­lich auch sowas wie Geld. Geld und Auf­merk­sam­keit ver­dient man momen­tan nicht mit Ent­wür­fen einer refor­mier­ten Schu­le. Man ver­dient es mit Inhal­ten und Mate­ria­li­en, die den Bedürf­nis­sen des Sys­tems Schu­le jetzt und hier maxi­mal ent­ge­gen­kom­men. Fragt man Ver­la­ge, wie das Ver­hält­nis zwi­schen „tech­ni­sier­ten“ und Print­pro­duk­ten bei der Wert­schöp­fung ist, ist die Ant­wort klar, was vie­le Lehr­kräf­te zur­zeit immer noch wün­schen und kau­fen. Das kann mir gefal­len oder nicht.

Ich fin­de immer wie­der Par­al­le­len zu den SUV-Ver­käu­fen: Es gibt kei­ne objek­ti­ven Grün­de, sich einen Stadt­pan­zer zuzu­le­gen. Kri­ti­sche Geis­ter hört man sich ger­ne auf Vor­trags­aben­den zum Kli­ma­wan­del an – dann hat man ja schon etwas getan. Und die sich sowas wie SUVs nicht leis­ten kön­nen, sind ent­we­der nei­disch oder Spaß­brem­sen. Fer­tig. Danach steigt man allei­ne in den eige­nen SUV und fährt nach Hause.

Was errei­che ich dadurch einen SUV-Fah­rer immer wie­der öffent­lich kri­tisch zu hin­ter­fra­gen? Wel­che „Dia­log“ auf Augen­hö­he kann ich erwar­ten ange­sichts mei­ner „mora­li­schen“ / „theo­re­ti­schen“ oder sonst wie gear­te­ten „Über­le­gen­heit“? Erwar­te ich wirk­lich einen Dia­log und möch­te ich mich in mei­ner Argu­men­ta­ti­on bestä­tigt sehen? Weiß ich nicht schon, dass das Gegen­über auf der sach­li­chen Ebe­ne (den emo­tio­na­len Aspekt in Dis­kur­sen kürzt man lie­ber raus) wenig ent­ge­gen­zu­set­zen hat?

Wenn ich Vor­trä­ge an Schu­len zu Digi­ta­li­tät hal­te, ist das im Grun­de struk­tu­rell sehr ähn­lich. Das mache ich mir nichts vor.

Oft gibt es Zustim­mung. Oder alle sind recht platt und baff. Nach einer Wei­le: „Und wie set­zen wir das jetzt im Aus­bil­dungs­gang x in der Ein­heit y um?“ Der (mitt­ler­wei­le still gedach­te)  Satz „Ja das ist doch ihre Kom­pe­tenz als Fach­ob­frau/-mann!“ hilft da nicht wirk­lich. Eigent­lich stellt er eher bloß.

Des­we­gen habe ich oben auch geschrie­ben, dass Twit­ter für noch recht bedeu­tungs­los bei die­sem gro­ßen The­ma hal­te. Die Ver­bin­dun­gen vom Bil­dungs­jour­na­lis­mus zur Lehr­kräf­te­sze­ne auf Twit­ter ist noch zu schwach. Aber auch die­se Stun­de wird kommen.

Es geht auf Twit­ter und über­haupt in sozia­len Medi­en immer um Auf­merk­sam­keit. Auf­merk­sam­keit für die Ver­mark­tung von Ideen, Kon­zep­ten, Ver­an­stal­tun­gen und Theo­rien. Mei­nen „neu­en“ Account gibt es allein des­halb. Um Auf­merk­sam­keit für mei­ne Ange­bo­te, die Ange­bo­te der Medi­en­be­ra­tung und die Medi­en­zen­tren zu generieren.

 

Kaffeesatzlesen

Twit­ter wird sich in die­sem Jahr noch stär­ker seg­men­tie­ren in Unter­grup­pen. Kom­mu­ni­ka­ti­on über die­se Grup­pen wird sich zuneh­mend ver­kom­pli­zie­ren, weil sich die Wer­te und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­dür­fe die­ser Grup­pen sich immer stär­ker von­ein­an­der unter­schei­den wer­den. Immer weni­ger neue Kolleg:innen wer­den dem gewach­sen sein und sich u.U. rasch wie­der abwenden.

Der Zeitpunkt, an dem man nicht mehr umkehren kann

Die Schu­len sind sicher. Das beschlos­se­ne Maß­nah­men­pa­ket muss in sei­ner Wir­kung erst ein­mal beob­ach­tet wer­den. Das Coro­na­vi­rus ist letzt­lich nur eine Grippe.

Das sind so eini­ge Annah­men, die von unter­schied­li­chen Men­schen momen­tan gelebt wer­den. Falls sich die­se Annah­men als falsch oder gra­du­ell falsch her­aus­stel­len, könn­ten die Kon­se­quen­zen sowohl für das Indi­vi­du­um, die so etwas behaup­tet als auch für uns als demo­kra­ti­sche Gesell­schaft erheb­lich sein. Daher müs­sen sol­che Annah­men irgend­wann stim­men. Man kommt hin­ter sie nicht mehr zurück, ohne als kom­plet­ter Voll­idi­ot dazu­ste­hen, der das Offen­sicht­li­che nicht sehen woll­te. Wenn man sei­ne Ansicht ändert, anders han­delt, ist man den­noch in der Wahr­neh­mung oft der Voll­idi­ot, der vor­her z.B. gelo­gen hat. Egal, wie ich mich ver­hal­te, ich kom­me da nicht heil her­aus. Ich kann also zwi­schen dem Tun­nel wäh­len, der mich als Indi­vi­du­um vor mir selbst nach eine Wei­le sym­bo­lisch intakt lässt oder der Selbst­auf­ga­be und der Kon­fron­ta­ti­on mit mei­nem eige­nen Ver­hal­ten. Auf der Ebe­ne des Indi­vi­du­ums ist das maxi­mal tragisch.

Es ist leich­ter, Koali­ti­ons­ver­trä­ge aus­zu­han­deln, als sich dem Drau­ßen zu stel­len. Die­se Struk­tur ist bekannt, in „nor­ma­len“ Zei­ten legi­ti­miert, ein ein­ge­spiel­tes Mus­ter. Sich dem Drau­ßen zu stel­len, bedeu­tet letzt­lich, mit Struk­tu­ren und Mus­tern kom­plett zu bre­chen, die als poli­ti­scher Plot seit Jahr­zehn­ten ablaufen.

Ana­lo­ges mag für die Denk­struk­tu­ren der Impf­ver­wei­ge­rer gel­ten. Wenn es wirk­lich so ist, dass sie die Ver­ant­wor­tung für erneu­te Ein­schrän­kun­gen des Frei­heits­rech­te, ein Zusam­men­bre­chen der medi­zi­ni­schen Ver­sor­gung und erheb­li­che sozia­le Ver­wer­fun­gen auf ihr Kon­to gehen, dann haben die­se Men­schen ein Pro­blem vor sich selbst.

Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men bedeu­tet momen­tan, dass Ent­schei­dun­gen getrof­fen wer­den müs­sen. Die­se kön­nen sich als falsch her­aus­stel­len. Gerich­te kön­nen die­se Maß­nah­men und Ent­schei­dun­gen im Nach­hin­ein kas­sie­ren. Das ist dann so. Es gibt aber auch ein nicht uner­heb­li­ches Risi­ko, dass gera­de das Nicht­han­deln oder das Behar­ren auf Posi­tio­nen und Struk­tu­ren erheb­li­che Kon­se­quen­zen nach sich zieht.

Ziem­li­che Sicher­heit dürf­te dar­in bestehen, dass Imp­fun­gen nichts an der bestehen­den Situa­ti­on ändern wer­den. Die Men­schen sind infi­ziert. Sie wer­den zu unter­schied­li­chen Antei­len bei Geimpf­ten und Unge­impf­ten im Kran­ken­haus enden. Mit hoher Wahr­schein­lich­keit wer­den wir Men­schen ver­lie­ren, die wir ken­nen. Und wir haben bereits Pfle­ge­per­so­nal ver­lo­ren und wer­den das auch weiterhin.

Das sind jedoch alles offen­bar kei­ne Argu­men­te, um kon­kret zu han­deln. Die Struk­tur des Zögerns und hin­ter der Situa­ti­on Hin­ter­her­lau­fens bleibt nach wie vor sta­bil. Die Struk­tu­ren sind immun gegen Fak­ten. Auch gegen sol­che, die mit dem Fort­schrei­ten der Pan­de­mie nicht mehr durch ihre his­to­ri­sche Bei­spiel­lo­sig­keit ent­schul­digt wer­den können.

Die Stra­te­gie des Erklä­rens ver­fängt nicht. Die Stra­te­gie des Mütend-Seins ver­fängt nicht. Erst kon­kre­te For­de­run­gen der Exper­ten nach „Lock­downs“ oder „Pro­tes­te der Ver­nünf­ti­gen“ bie­ten ggf. den poli­ti­schen Ent­schei­dern die Art „Legi­ti­ma­ti­on“, die zum rea­len Han­deln erfor­der­lich ist. Wenn schon die ande­ren nicht mehr umkeh­ren kön­nen – wir kön­nen es in Bezug auf die Mit­tel, die wir bis­her ange­wen­det haben, um uns Gehör und „denen“ Legi­ti­ma­ti­on zu verschaffen.

Die Alter­na­ti­ve ist, dass es ganz schlimm wird – wenn das noch geht.

Frisches Hack …

Die Zugangs­da­ten­kom­bi­na­ti­on eines Zweit­ac­counts hier auf dem Blog waren wohl Teil eines Daten­dieb­stahls. Daher konn­te ein Bot hier Spam­ar­ti­kel abla­den. Vie­len Dank für die schnel­len Hin­weis! Der fau­le Zugang wur­de gelöscht. Bis jetzt scheint Ruhe zu sein. Löscht bit­te die Spam­ar­ti­kel aus euren Feedreadern.

Dieses Blog war noch nie besonders politisch … (Laschet)

… aber das, was gera­de im Kon­text der unbe­schreib­li­chen Flut­ka­ta­stro­phe an Ver­hal­ten von einem Bun­des­kanz­ler­kan­di­da­ten zu sehen war, hat für mich dann doch grund­sätz­li­che Bedeutung.

Bun­des­prä­si­dent Stein­mey­er hält eine Rede im Kri­sen­ge­biet – auch dar­über kann man eigent­lich schon­mal reden. Anna­le­na Baer­bock wur­de vor­ge­wor­fen, nicht ins Kri­sen­ge­biet gefah­ren zu sein. Mei­ne Bekann­ten zum THW-Zug aus Clop­pen­burg haben zu bei­den Ansät­zen so ihre Mei­nung, spre­chen z.B. von „Zusatz­be­las­tung“ von Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen im Kon­text von Pres­se­ter­mi­nen vor Ort.

Im Hin­ter­grund ist Armin Laschet zu sehen, wie er – von wahr­schein­lich Par­tei­kol­le­gen – ange­spro­chen wird und mit ihnen herz­haft lacht. Im Vor­der­grund wird von Herrn Stein­mey­er gleich­zei­tig betrof­fen gesprochen.

Deutsch­land erlebt eine Kri­se von inter­na­tio­na­lem Aus­maß – wenn­gleich rela­tiv klein im Ver­gleich zu ande­ren Kata­stro­phen in der Welt. Laschet wird ggf. Kanz­ler wer­den. Stel­len wir uns ein­mal vor, er besucht ein Kri­sen­ge­biet in einem ande­ren Land und ver­hält sich in die­ser Art und Wei­se. Sei­ne Reak­ti­on auf Kri­tik an sei­nem Ver­hal­ten auf Twit­ter sah so aus:

Er bedau­ert den Ein­druck, der ent­stan­den ist. Bis zu die­sem Punkt hät­te ich es irgend­wie erklä­ren kön­nen, war­um man als Über­sprungs­hand­lung in einer sol­chen Situa­ti­on lacht – mei­nen Kin­dern hät­te ich das nicht durch­ge­hen las­sen. Pas­sen­der­wei­se hat Twit­ter gleich eine ana­lo­ge Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stra­te­gie her­aus­ge­sucht.Bei­de ent­schul­di­gen sich nicht für ihr Ver­hal­ten, son­dern für den Ein­druck, die ihr Ver­hal­ten in der Öffent­lich­keit womög­lich hin­ter­las­sen hat. Es geht über­haupt nicht um die Betrof­fe­nen oder die Situa­ti­on: Es geht allein dar­um, mög­li­chen Scha­den von der eige­nen Per­son oder Insti­tu­ti­on abzu­wen­den. Das ist natür­lich poli­ti­sche Kom­mu­ni­ka­ti­on, die von Berater:innen erson­nen wur­de, die nicht im Dienst der Öffent­lich­keit ste­hen. Zudem flammt jetzt noch in der Pres­se auf: „Stein­mey­er hat ja auch gelacht!“ – wenn dem so ist, ist das natür­lich auch nicht Ord­nung, aber zur Ver­tei­di­gung Laschets jetzt nicht so optimal.

Was hätte ich gerne von Herrn Laschet in dieser Situation gesehen?

Herr Laschet wird humor­voll von Parteikolleg:innen ange­spro­chen. Ich hät­te jetzt ger­ne einen schar­fen Blick und beschwich­ti­gen­de Hän­de mit ein­deu­ti­ger Ges­te gese­hen. So gehört sich das für einen Men­schen, der einen Lei­tungs­an­spruch in Deutsch­land erhebt. Das ist mein Maß­stab. Viel­leicht ist der über­höht. Viel­leicht unter­schät­ze ich den Druck, unter dem Herr Laschet per­sön­lich steht.

Er hat es maxi­mal ver­fehlt. Mir ist nicht so klar, ob ihm sel­ber die­ses Licht auf­ge­gan­gen ist, oder ob er mit sei­nem State­ment ledig­lich auf die öffent­li­che Kri­tik reagiert.

Was er aus mei­ner Sicht hät­te sagen müs­sen, ist sowas hier:

Mein Ver­hal­ten war ange­sichts der Situa­ti­on pie­tät­los gegen­über den Opfern, Hel­fern und Betrof­fe­nen in die­ser bei­spiel­lo­sen Flut­ka­ta­stro­phe. Im Wahl­kampf ste­he ich unter enor­men Druck, was zu mei­nem Feh­ler mit bei­getra­gen hat. Ich bit­te alle Betrof­fe­nen um Ver­zei­hung. Ich stel­le mich nun der aus mei­nen Fehl­ver­hal­ten resul­tie­ren­den öffent­li­chen Debat­te und über­neh­me dafür die Verantwortung.

Wenn ich Herrn Laschet maxi­mal nega­tiv den­ke, wer­den wir unter sei­ner mög­li­chen Kanz­ler­schaft als ers­te Maß­nah­me eine Regu­lie­rung der sozia­len Medi­en sehen – damit sol­che „Ein­drü­cke“ künf­tig schon im Keim erstickt wer­den kön­nen. Rezo, wo bist du? Mehr Vor­la­gen braucht es nicht für ein neu­es Video.

Schulkritik und Komfortzone

Ich habe ges­tern die Doku­men­ta­ti­on „Jugend ohne Abschluss“ aus der Rei­he „45 Minu­ten“ des NDR gesehen:

Akti­vie­ren Sie Java­Script um das Video zu sehen.
https://www.youtube.com/watch?v=tYOJ0nllvC4

Mir wird bei sowas immer wie­der klar, dass sich Schu­le nicht durch Ver­stel­len eini­ger Schrau­ben ver­än­dern lässt.

Selbst wenn wir Din­ge wie ver­än­der­te Prü­fungs­kul­tur, sinn­stif­ten­des Ler­nen und Pro­jekt­ler­nen umset­zen, wür­de sich ohne wei­te­re gesell­schaft­li­che Para­me­ter wahr­schein­lich wenig ändern – vor­aus­ge­setzt, wie bekä­men ohne das Schrau­ben an ande­ren gesell­schaft­li­chen Para­me­tern das über­haupt hin.

Das hat für mich damit zu tun, dass Auf­wach­sen in einer Gesell­schaft dem Auf­wach­sen in einer Her­de gleicht und Päd­ago­gik für mich eigent­lich eine Auf­ga­be der Her­de ist, bzw. dass in der Rea­li­tät die „Her­de“ das impli­zit immer tut und übernimmt.

Die Schüler:innen in der Doku­men­ta­ti­on sind für mich geprägt von ihrer per­sön­li­chen Ent­wick­lung in einer Gesell­schaft, zu der das Schul­sys­tem sach­lo­gisch ganz gut passt und die Erfah­run­gen des Ver­sa­gens ver­stärkt. Aber Schu­le ist eben ein Lern­ort von vie­len, ver­än­der­te Prü­fungs­kul­tur, sinn­stif­ten­des Ler­nen und Pro­jekt­ler­nen kann nicht vor­aus­set­zungs­los statt­fin­den und voll­zieht sich immer auf der Basis der gesell­schaft­li­chen Pro­zes­se, in die Schu­le nun­mal ein­ge­bun­den ist.

Sorgt z.B. gen­der­ge­rech­te Spra­che dafür, dass die Benach­tei­li­gung von Frau­en in einer Gesell­schaft mit kapi­ta­lis­ti­schem Betriebs­sys­tem abge­baut wird? Wür­de eine Gesell­schaft, in der Frau­en nicht mehr benach­tei­ligt sind, eine ande­re Spra­che her­vor­brin­gen? Wür­de eine Gesell­schaft mit einem ande­rem Betriebs­sys­tem eine ande­re Schu­le her­vor­brin­gen oder eine ver­än­der­te Schu­le eine ande­re Gesellschaft?

Was wir seit Jah­ren gut kön­nen, ist zu beschrei­ben, was wir wol­len. Wir suchen uns dafür ein­zel­ne Aspek­te her­aus, die wir beson­ders gut beschrei­ben kön­nen. Digi­ta­li­sie­rung, Prüfungsformate

Gen­der­ge­rech­te Spra­che beschreibt für mich bis­her ledig­lich einen Wunsch. His­to­risch hat Spra­che immer Gesell­schaft abge­bil­det. Hat ver­än­der­te Spra­che allein schon­mal gesell­schaft­li­che Ver­hält­nis­se ver­än­dert? Besteht nicht die Gefahr, dass nach anfäng­li­cher Irri­ta­ti­on über „ver­ge­wal­tig­te“ Spra­che ange­nom­men wird, dass Frau­en jetzt doch schon ganz schön mehr gleich­be­rech­tigt sind? Oder dass durch eine ver­än­der­te Prü­fungs­kul­tur das kapi­ta­lis­ti­sche Betriebs­sys­tem auto­ma­tisch umpro­gram­miert wird?

Übri­gens: Huma­nis­ti­sche Päd­ago­gik ist im Rah­men der Bera­tung von Unter­neh­men durch­aus salon­fä­hig gewor­den, um Gewinn­ma­xi­mie­rung unter dem Deck­man­tel von „Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­zes­sen auf Augen­hö­he“ zu betrei­ben. Die Hier­ar­chien sind noch vor­han­den – und viel­leicht bloß ste­alth geor­den hin­ter „akti­vem Zuhö­ren“, „Joi­ning“ und „Socia­li­zing“.

War­um soll­te sich z.B. sinn­stif­ten­des Ler­nen nicht eben­falls nach einer kapi­ta­lis­ti­schen Logik nut­zen lassen?

Lie­be Mitarbeiter:innen, 30% eurer Arbeits­zeit könnt ihr mit euren sinn­stif­ten­den Pro­jek­ten ver­brin­gen, das habt ihr in der Schu­le pri­ma gelernt, aber weil wir so gut zu euch sind und das über­haupt erst ermög­licht, haben wir das Vor­kaufs­recht auf eure Ideen!“.

Ist damit z.B. die For­de­rung nach einer ver­än­der­ten Prü­fungs­kul­tur am Ende ein Fei­gen­blatt? Ist gen­der­ge­rech­te Spra­che am Ende ein Fei­gen­blatt? So qua­si eine Art intel­lek­tu­el­ler Ablass­han­del? „Seht, ich habe es gese­hen und beschrie­ben, lest und ver­steht end­lich! Und macht end­lich, dass es sich ändert!“.

Men­schen, die sich für Gleich­be­rech­ti­gung ein­set­zen, wis­sen, dass Spra­che das dünns­te Brett ist – aber eben am leich­tes­ten zu bear­bei­ten, weil man dann weni­ger mit dem Stech­ei­sen im Hart­holz her­um­wür­gen muss. Gen­der­ge­rech­te Spra­che als intel­lek­tu­el­le Kom­fort­zo­ne. Dar­über lässt sich schrei­ben, strei­ten, dis­ku­tie­ren, ohne dass es all­zu dicht kommt. Weder muss ich als Mann dafür mei­nen Ange­stell­ten mehr zah­len, noch mei­nen gleich­be­rech­tig­ten Teil bei der Haus­ar­beit oder Kin­der­be­treu­ung leis­ten. Ein wenig Gen­öle auf Social­me­dia oder in den Feuil­le­tons ertra­gen, das war es auch schon.

Ich den­ke gera­de viel dar­über in mei­nen Bera­tun­gen über die­se Struk­tu­ren nach – ist ja schon irgend­wie auch eine schrä­ge Ana­lo­gie. Mei­ne Posi­ti­on ist ver­dammt kom­for­ta­bel. Ich muss mei­ne Hal­tung nicht ändern oder mei­ne Arbeits­rou­ti­nen. Das ist oft auch der Grund dafür, dass ich mich manch­mal bewusst in ande­re Posi­tio­nen bege­be und im mei­nem pri­va­ten Umfeld die Viel­falt suche. Ich bin sehr glück­lich, dass ich dabei auch manch­mal unge­fil­tert rück­ge­mel­det bekom­me, „wie das so ankommt in die­ser Realität“.

PS:

Ich ver­wen­de zuneh­mend gen­der­ge­rech­te Spra­che und set­ze mich für ver­än­der­te Rou­ti­nen im Schul­sys­tem ein. Die die­sem Ein­satz ver­bun­de­ne „Leis­tung für gesell­schaft­li­che Ver­hält­nis­se“ hal­te aller­dings in mei­nem Fall nicht für beson­ders rele­vant. Die Magie kommt für mich von woan­ders. Und manch­mal fängt sie ganz banal an, z.B. bei der Unter­stüt­zung bei der Ein­rich­tung von irgend­wel­chem Gerätekrams.

 

 

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