Chemiematerial schülerzentriert

Man sieht es schon an der Auf­ma­chung der Sei­te, dass hier jemand am Wer­ke ist, der einer­seits über viel Erfah­rung, ande­rer­seits über ein gehö­ri­ges Maß an Prag­ma­tis­mus ver­fü­gen muss. Aus­drück­lich emp­foh­len sei hier­mit die Sei­te von Arne Pönitz. Ich mache gera­de sein Part­ner­puz­zle zu dem Stoff­ge­mi­schen und bes­te Erfah­run­gen. Ich habe noch nicht viel Mate­ri­al gesich­tet, aber das, was ich gese­hen habe, hal­te ich für gut ein­setz­bar – z.B. auch vie­le ande­re Ver­su­che, die mich auf ande­re Glei­se und Zugän­ge set­zen – mit den Jah­ren neigt man ja doch dazu, man­ches, was gut funk­tio­niert, immer wie­der zu wie­der­ho­len. Es gibt dort auch Mate­ri­al zu Mathe und Infor­ma­tik, was ich habe nicht beur­tei­len kann.

Schulnetzwerk Reloaded

Ich hat­te ja schon vor eini­ger Zeit mei­ne Ideen für ein mög­li­ches Schul­netz­werk zusam­men­ge­tra­gen. Das war qua­si mein per­sön­li­ches Pflich­ten­heft für die Pla­nung hier vor Ort. Was soll ich sagen – es sieht ganz so aus, als wenn wir alles bekom­men wer­den, was vor allen Din­gen natür­lich das Ver­dienst unse­res Schul­trä­gers ist.

Was ist genau in den letz­ten Wochen geschehen?

  1. Ich habe viel – unglaub­lich viel tele­fo­niert. Der Elek­tri­ker vor Ort weiß, was zu tun ist. Er darf es aber nur tun, wenn der zustän­di­ge Elek­tro­pla­ner ihn dazu anweist. Der Elek­tro­pla­ner wird den Elek­tri­ker nur grü­nes Licht geben, wenn der Bau­trä­ger z.B. feh­len­de Kom­po­nen­ten nach­for­dert. Anfangs spricht man mit dem Elek­tri­ker, erkun­digt sich beim E‑Planer – Mails gehen über meh­re­re Ecken hin und her. Am Ende hat man alle Betei­lig­ten per­sön­lich gese­hen und man kom­mu­ni­ziert direkt mit Ent­schei­dungs­trä­gern. Dabei bekommt man auch sofort ver­meint­lich hei­li­ge Dia­gram­me zur geplan­ten Topo­lo­gie des Netz­werks zu sehen – direkt über den E‑Planer. Neben­bei hält man natür­lich die eige­ne Schul­lei­tung immer auf dem Lau­fen­den. Über­all läuft man im Prin­zip offe­ne Türen ein, weil ein wenig Koor­di­nie­rung durch­aus dank­bar ange­nom­men wird.
  2. Ich habe den Kon­takt zu der Fir­ma gesucht, die den tech­ni­schen Sup­port über­neh­men wird. Deren Mit­ar­bei­ter müs­sen mit dem Netz­werk zurecht­kom­men und Kom­po­nen­ten vor­fin­den, mit denen sie ver­traut sind. Also wur­den von mir auch genau die­se Kom­po­nen­ten in die Aus­schrei­bung zum E‑Planer gege­ben. Dem Bau­trä­ger muss man dabei natür­lich die Vor­tei­le ver­mit­teln: Ein Tech­ni­ker, der sich nicht groß in die vor­ge­fun­de­ne Hard­ware ein­ar­bei­ten muss, wird dau­er­haft weni­ger Stun­den für sei­ne Arbeit abrech­nen, d.h. die erwart­ba­ren Fol­ge­kos­ten sind geringer.
  3. Gemein­sam mit dem zustän­di­gen Koor­di­na­tor in der Schu­le haben wir nach Finan­zie­rungs­mög­lich­kei­ten gesucht. Manch­mal hel­fen da Haus­halts­pos­ten, die schon lan­ge bean­tragt wor­den sind – wir hat­ten Glück. Da über den Koor­di­na­tor sehr gute Kon­tak­te zum Schul­trä­ger bestehen, kön­nen natür­lich im Rah­men des Haus­halts­rechts der Land­krei­se Lösun­gen gefun­den wer­den, die manch­mal überraschen.
  4. Dabei sind in mei­nem Fall eine Rei­he von „Feri­en­ta­gen“ ins Land gegan­gen. Wenn ich in der Auf­bau­pha­se eines Net­zes jedoch viel  Auf­wand betrei­be und immer meh­re­re Stim­men höre, so wer­de ich ein Pro­dukt erhal­ten, wel­ches mir im spä­te­ren Betrieb wenig Ärger berei­tet – die­se Feri­en­ta­ge sind also eine Inves­ti­ti­on in künf­ti­ge Feri­en­zei­ten und Freistunden.

Wie sieht das Pro­dukt aus?

  1. Wir wer­den ein Netz bekom­men, wel­ches ziem­lich kom­plett mit mana­ge­ba­ren Swit­chen aus­ge­stat­tet ist. Man kann in einem sol­chen Netz über die glei­che Ver­ka­be­lung meh­re­re Net­ze auf­bau­en. Da wir ein Medi­en­zen­trum, eine Außen­stel­le der Uni­ver­si­tät im Hau­se haben und zusätz­lich einen Gebäu­de­teil gemein­sam mit einer ande­ren Schu­le nut­zen, fin­det jede Insti­tu­ti­on ihre gewohn­te Umge­bung vor. Man kann auch jedes Netz in jeden belie­bi­gen ande­ren Gebäu­de­teil rou­ten, so dass z.B. das Medi­en­zen­trum Schu­lun­gen in den Räu­me der Uni durch­füh­ren kann – und umgekehrt.
  2. Kern­stück für unse­re eige­nes Schul­netz wird der Por­tal­ser­ver iserv wer­den.  Die­ses Pro­dukt ist regio­nal auf Nie­der­sach­sen beschränkt, ver­fügt jedoch über alle von mir im Pflich­ten­heft vor­ge­dach­ten Fea­tures und eine eige­ne nie­der­säch­si­sche Sup­port­struk­tur, die es mir erst erlaubt hat, das Pro­dukt aus­gie­big zu eva­lu­ie­ren. In die Bedie­nung des iserv lässt sich jeder etwas tech­nik­af­fi­ne Kol­le­ge ein­füh­ren, so dass in Ver­bin­dung mit den loka­len Sup­port­struk­tu­ren die Funk­ti­on des Net­zes nicht an eine ein­zel­ne Per­son gebun­den ist – ein nicht zu unter­schät­zen­der Nachhaltigkeitsfaktor.
  3. Alle Über­le­gun­gen der letz­ten Wochen sind in unse­ren Medi­en­zen­trum in eine Visi­on ein­ge­flos­sen: Wir möch­ten hier in der Regi­on einen Sup­port­ver­bund eta­blie­ren, der auf loka­le Pro­duk­te und Dienst­leis­tun­gen setzt. Das klingt im Zeit­al­ter des gren­zen­lo­sen Inter­nets erst­mal alt­ba­cken. Unse­re Erfah­rung damit ist aber schon jetzt unge­mein posi­tiv – unse­re Kun­den und Benut­zer müs­sen schließ­lich damit zurecht­kom­men. Und ich weiß, dass in einem der­ar­ti­gen, auch sozia­len Sup­port­ver­bund auch nicht unbe­dingt immer auf die Zeit oder den Preis geschaut wird.  Der Ver­bund besteht idea­ler­wei­se aus Men­schen, die Dienst­leis­tun­gen erbrin­gen und dar­an neben dem erfor­der­li­chen Ver­dienst auch Freu­de haben sollen.

Was für ein Aufwand!

Ja und Nein. Ich sehe mei­ne momen­ta­ne Arbeit als Übungs­feld für mei­ne Tätig­keit als MPB-digi. Mei­ne Erfah­run­gen, die ich hier vor Ort mache, möch­te ich natür­lich auch ande­ren Schu­len der Regi­on zur Ver­fü­gung stel­len und sie bei Ver­hand­lun­gen mit Schul­trä­gern oder Fir­men unter­stüt­zen. Das was ich hier vor Ort ler­ne, hat also Syn­er­gie­ef­fek­te. Das muss es auch, denn eine Abord­nung von einer Drit­tel­stel­le muss ja auch von einem Gegen­wert beglei­tet sein.

Die Anfor­de­rung an mich erle­be ich dabei momen­tan extrem: Neben dem tech­ni­schen Wis­sen sind natür­lich auch vie­le kom­mu­ni­ka­ti­ve Kom­pe­ten­zen erfor­der­lich – und manch­mal auch viel Ver­ständ­nis für Struk­tu­ren, die eben Struk­tu­ren sind und das genau so auch sein dür­fen. Und ich ken­ne eben Schu­le – auch als Per­so­nal­rat. Schön und ent­las­tet ist der Umstand, dass ich in eine Bera­tungs­struk­tur des Lan­des mit ihren vor allem mensch­li­chen Res­sour­cen ein­ge­bun­den bin.

Ich ver­ste­he mich damit als jemand, der hilft, dem Ler­nen in der Wis­sens­ge­sell­schaft eine Grund­la­ge zu geben – ganz prak­tisch, ganz kon­kret – fern­ab von Apo­lo­gien auf eine wie auch immer gear­te­te Zukunft.

Riecken und die Verlage – Teil 3

Auf netzpolitik.org gab es ges­tern inter­es­san­tes Mate­ri­al über einen geplan­ten „Schul­tro­ja­ner“ zu lesen. Hier noch ein­mal in aller Kür­ze der bis­her bekann­te Sachverhalt:

  1. Es gibt einen Ver­trag zwi­schen den Kul­tus­mi­nis­tern der Län­der und dem Dach­ver­band der Schulbuchverlage.
  2. 1% der Schu­len sol­len mit einer Soft­ware aus­ge­stat­tet wer­den, die inner­halb des Schul­netz­werks auto­ma­tisch urhe­ber­recht­lich geschütz­tes Mate­ri­al aus­fin­dig macht
  3. UPDATE: Die dabei gefun­de­nen Daten wer­den an den Schul­trä­ger(!) über­mit­telt (der ist nicht der dis­zi­pli­na­risch Vorgesetzte) -
  4. Der Dienst­herr soll durch dis­zi­pli­na­ri­sche Maß­nah­men dafür Sor­ge tra­gen, dass dem Urhe­ber­recht an Schu­len genü­ge getan wird

Dar­über war auf den übli­chen Platt­for­men und auch in der Blogos­sphä­re viel Empö­rung zu lesen und auch sinn­ge­mäß Sät­ze wie:

  1. Schul­buch­ver­la­ge sind in der neu­en Wis­sens­ge­sell­schaft überflüssig.
  2. Schul­buch­ver­la­ge ver­die­nen kei­nen Dialog.
  3. Schul­buch­ver­la­ge pro­du­zie­ren min­der­wer­ti­ges Material
  4. Schul­buch­ver­la­ge ver­die­nen sich auf Kos­ten der All­ge­mein­heit dumm und dämlich

Das Feind­bild steht also fest – oft­mals gene­ra­li­siert, pau­schal, extrem. Ich hof­fe instän­dig, dass die­ses Ver­hal­ten nicht die oft pro­kla­mier­te „neue Wis­sens­ge­sell­schaft“ reprä­sen­tiert. Auch ich habe Pro­ble­me mit Ver­la­gen. Ich möch­te bloß ger­ne zwi­schen „Ver­lag“ und „Ver­hal­ten von Ver­la­gen“ differenzieren.

Der 1. Skandal

Das mit dem Schul­tro­ja­ner ver­bun­de­ne Ver­hal­ten ver­dient extre­me Reak­tio­nen. Hier nimmt Pri­vat­wirt­schaft öffent­li­che Insti­tu­tio­nen in die Pflicht, für Kon­se­quen­zen in zivil­recht­li­chen Fra­gen zu sor­gen. Das ist der ers­te Skandal.

Ich bin Admi­nis­tra­tor eines Schul­netz­werks. Wür­de ich ange­wie­sen, die­se Soft­ware auf Schul­sys­te­men zu instal­lie­ren, wäre die­se Anwei­sung wahr­schein­lich rechts­wid­rig. Dem Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren gegen mich auf­grund mei­ner Wei­ge­rung sähe ich gelas­sen ent­ge­gen. Alter­na­tiv wür­de mich das zur Ein­lei­tung einer Dienst­auf­sichts­be­schwer­de zwingen.

Es wird schon allein des­we­gen rechts­wid­rig sein, weil natür­lich Ver­ein­ba­run­gen bezüg­lich die­ser Über­wa­chung mit den Per­so­nal­ver­tre­tun­gen der Lehr­kräf­te getrof­fen wer­den müss­ten, damit „Ver­stö­ße“ über­haupt dis­zi­pli­nar­recht­licht geahn­det wer­den könn­ten. Die Per­so­nal­ver­tre­tung ver­dien­te ihren Namen nicht, wenn sie sich dar­auf ein­lie­ße, staat­li­che Insti­tu­tio­nen zur Durch­set­zung zivil­recht­recht­li­cher Inter­es­sen der Pri­vat­wirt­schaft zu funktionalisieren.

Die Ver­la­ge müss­ten eigent­lich direkt gegen ihre „Kun­den“ vor­ge­hen – das ist natür­lich pro­ble­ma­tisch für den Umsatz. Der Schul­tro­ja­ner, der tech­nisch kei­ner ist und den es noch nicht ein­mal geben dürf­te, scheint da der „bes­se­re“ Weg zu sein – der nun toben­de Shit­s­torm dürf­te die Mar­ke­ting­ab­tei­lun­gen wahr­schein­lich etwas beschäftigen.

Der 2. Skandal

Der zwei­te Skan­dal wür­de dar­in bestehen, dass  mein Dienst­herr sei­nen Sorg­falts- und Für­sor­ge­pflich­ten mir gegen­über nicht nach­kä­me, wenn er tat­säch­lich einen Ver­trag unter­zeich­net, der poten­ti­ell rechts­wid­ri­ge For­mu­lie­run­gen und Bedin­gun­gen ent­hält. Von mir als Beam­ter wer­den stets akku­ra­te Befol­gung der gesetz­li­chen Vor­ga­ben erwar­tet und eben Loya­li­tät – die funk­tio­niert aber nur, wenn sie zwei­sei­tig ange­legt ist. Mir lie­gen kei­ne gesi­cher­ten Infor­ma­tio­nen dar­über vor, wie sich mein Dienst­herr tat­säch­lich ver­hal­ten hat und wie die dis­ku­tier­ten Pas­sa­gen des Ver­tra­ges tat­säch­lich recht­lich zu bewer­ten sind.

Tech­ni­sche Betrachtungen

Da es für die Kopie in Papier­form mitt­ler­wei­le recht libe­ra­le und prag­ma­ti­sche Rege­lun­gen gibt – und auch pau­scha­le Ver­gü­tungs­sät­ze für die Ver­la­ge, muss ein Schul­tro­ja­ner es vor allen Din­gen auf digi­ta­li­sier­te Buch­sei­ten und Arbeits­blät­ter sowie nicht lizen­sier­te Ver­lags­soft­ware „abge­se­hen“ haben. Wäh­rend letz­te­re durch recht ein­fa­che Heu­ris­ti­ken zu erken­nen sein dürf­te, sieht das bei digi­ta­li­sier­ten „Papier­ori­gi­na­len“ schon ganz anders aus, denn:

  1. Wie soll ein sol­ches Pro­gramm Ver­lags­in­hal­te „sicher“ erken­nen, ohne wahl­los alle Datei­en einem „Deep“-Scan zu unter­zie­hen, der zusätz­lich auch noch auf OCR-Mecha­nis­men zurück­grei­fen müsste?
  2. Wie soll ein sol­ches Pro­gramm „unli­zen­sier­tes Mate­ri­al“ melden?
  3. Wie soll ein sol­ches Pro­gramm in heu­ti­gen Schul­net­zen zwi­schen Pri­vat­ge­rä­ten mit Ord­ner­frei­ga­ben und Schul­rech­nern unterscheiden?
  4. Ist die Datei auf des Fest­plat­te des Schul­ko­pie­rers eine unli­zen­sier­te „digi­ta­le Kopie“? (Das Ding müsst ihr euch echt mal ansehen…)
  5. usw.

Schluss­end­lich: Wie kann ein sol­ches Pro­gramm im Ein­klang mit gel­ten­den Daten­schutz­richt­li­ni­en über­haupt arbeiten?

Unqua­li­fi­zier­ter Sei­ten­hieb: Den Daten­schutz wol­len ja vie­le sowie­so abschaf­fen – das Pro­blem bestün­de dann natür­lich nicht…

War­um ich Ver­la­ge als Insti­tu­ti­on nicht so gene­rell doof fin­den kann

  1. Auch eine uto­pi­sche Gesell­schaft mit bedin­gungs­lo­sem Grund­ein­kom­men basiert auf For­men von Wert­schöp­fung, gera­de in einer glo­ba­li­sier­ten Welt
  2. Nicht jeder gute Autor ist in der Lage, selbst im Netz geeig­ne­te Stra­te­gien zu fin­den, um sei­ne wirt­schaft­li­che Exis­tenz zu sichern, bzw. Wert­schöp­fung für eine auf bedin­gungs­lo­sem Grund­ein­kom­men basie­ren­de Gesell­schaft zu betreiben.
  3. Nicht das gesam­te Mate­ri­al in den Back­lis­ten von Ver­la­gen ist völ­lig unge­eig­net und schlecht – als Stein­bruch taugt z.B. auch unvoll­kom­me­nes Material
  4. Nicht jeder Ver­lag legt tyran­nisch fest, was zu ler­nen ist. Ich beob­ach­te zur­zeit im Bereich des Unter­richts­ma­te­ri­als eine Fle­xi­bi­li­sie­rung und Diver­si­fi­zie­rung – weil der Wis­sens­ka­non eben nicht durch Ver­la­ge, son­dern viel­mehr durch Cur­ri­cu­lums­kom­mis­sio­nen vor­ge­ge­ben wird. Das wird m.E. das „tro­ja­ni­sche Pferd“ für Ver­än­de­run­gen in der Schul­buch­ver­lags­land­schaft werden.
  5. Es gibt Ver­la­ge, die mich fair behan­delt haben. Das waren klei­ne, enga­gier­te Unter­neh­men mit Netz­af­fi­ni­tät und neu­en Ideen für die eige­ne Wertschöpfung.
  6. Mir macht das inhalt­li­che Niveau von man­chen Dis­kus­si­ons­pro­zes­sen im Netz schon sehr viel Sor­ge – z.B. beob­ach­te ich, dass bei der Bewer­tung netz­po­li­ti­scher The­men (z.B. Daten­schutz, Face­book) oft­mals m.E. völ­lig naiv und selek­tiv dis­ku­tiert wird, indem man sich das aus Tex­ten her­aus liest, was man sofort und ohne Mühe ver­steht – wer hat sich schon inten­siv mit den Wireshark­pro­to­kol­len zu den Face­book­coo­kies aus­ein­an­der­ge­setzt? Da wäre auf­be­rei­te­tes Mate­ri­al von den oft ach so ver­pön­ten Exper­ten manch­mal nicht schlecht, um auch als Laie zu wis­sen, wovon ich da eigent­lich rede – ich könn­te das ver­ste­hen, aber ich habe nicht die Zeit dafür… Die kau­fe ich mir halt. Dabei kön­nen Ver­la­ge z.B. durch Lek­to­rats­dienst­leis­tun­gen durch­aus helfen.
  7. usw.

Mir gefällt vie­les nicht an (Groß-)Verlagen. Ich habe aber auch nichts dage­gen, dass sie Wert­schöp­fung betrei­ben, z.B. für mein Grund­ein­kom­men. Im Web2.0 wer­den ja auch in freund­schaft­li­cher Atmo­sphä­re z.B. Kur­se ver­tickt, für deren Inhal­te man bezahlt. Die Ver­la­ge haben viel ver­säumt – z.B. sich zu über­le­gen, wie ihre eige­ne Wert­schöp­fung in der digi­ta­len Welt funk­tio­nie­ren kann, wie sie fai­re Autoren­ver­trä­ge hin­be­kom­men, die moti­vie­ren, wie sie… 999 Punk­te, die es zu dis­ku­tie­ren gilt und die eng mit­ein­an­der ver­knüpft sind. Aber ob wir sie nicht mehr brau­chen in der „Wis­sens­ge­sell­schaft“? Wer weiß das? Ich zumin­dest nicht. Mei­ne Glas­ku­gel scheint im Gegen­satz zu ande­ren Glas­ku­geln ein­fach nur kaputt zu sein.

Bankenkrise

Um zu ver­ste­hen, was gera­de eigent­lich im euro­päi­schen Ban­ken­sys­tem geschieht, kann man nicht oft genug auf eine m.E. wun­der­ba­re Film­rei­he von Max von Bock hin­wei­sen, dass auf ein­fa­che Wei­se die Grund­la­gen unse­res Finanz­sys­tems erklärt – natür­lich mit deut­lich ideo­lo­gi­schem Duktus.



Die vor­ge­schrie­be­ne Eigen­ka­pi­tal­de­ckung von Ban­ken im Euro­raum ist erst kürz­lich gegen immense Wider­stän­de von 2% auf 3% erhöht wor­den. Was heißt das in der Spra­che des Films? Eine Bank darf eine Opti­on auf einen Real­wert (= Geld) jetzt nicht mehr mit 50, son­dern ledig­lich mit 33,3 fak­to­ri­sie­ren, d.h. zu Deutsch jeden ein­ge­zahl­ten Euro 33,3x verleihen.

Es zeich­net sich jedoch gera­de ab, dass davon viel­leicht fünf ver­lie­he­ne Euro nie­mals zurück­kom­men wer­den, also „abge­schrie­ben“ wer­den müs­sen, womit mein Bei­spiel­eu­ro min­des­ten 4x nicht mehr exis­tent ist. Ich kann ihn also nicht mehr abhe­ben oder eben nur abhe­ben auf Basis der Zins­zah­lun­gen der übri­gen 28 ver­lie­he­nen Euro. Lei­der befin­den sind unter den 28 Schuld­nern wei­te­re Wackel­kan­di­da­ten. Als Kom­pen­sa­ti­on blei­ben z.B. höhe­re Zinseinnahmen.

Damit ich mei­nen Euro auch in einen sol­chen Fall sofort zurück­er­hal­te, gibt es einen Ein­la­gen­si­che­rungs­fond. Zitat:

Bei dem frei­wil­li­gen Siche­rungs­fonds der pri­va­ten Ban­ken gibt es eine sehr hohe Siche­rungs­gren­ze, die bei 30 % des maß­geb­li­chen haf­ten­den Eigen­ka­pi­tals der jewei­li­gen Bank je Gläu­bi­ger liegt. Bei einem haf­ten­den Eigen­ka­pi­tal von bei­spiels­wei­se 100 Mil­lio­nen Euro einer Bank ist also das Ver­mö­gen jedes ein­zel­nen Kun­den mit bis zu 30 Mil­lio­nen Euro abge­si­chert, sofern der Fonds über die ent­spre­chen­den Mit­tel ver­fügt. Im Gegen­satz dazu sichern die Siche­rungs­fonds der Spar­kas­sen und Genos­sen­schafts­ban­ken die jewei­li­gen Insti­tu­te, so dass bei Genos­sen­schafts­ban­ken und Spar­kas­sen nicht nur die Ein­la­gen, son­dern auch Schuld­ver­schrei­bun­gen und Zer­ti­fi­ka­te voll abge­si­chert sind.

Wenn also ein Bank plei­te geht, sind mei­ne Spar­ein­la­gen garan­tiert – bei Spar­kas­sen und Genos­sen­schafts­ban­ken ist der Ein­la­gen­si­che­rungs­fonds offen­bar etwas brei­ter auf­ge­stellt als bei pri­va­ten Insti­tu­ten. Zudem gibt es je nach Fond Gren­zen, bis zu denen garan­tiert wird, dass das Kapi­tal auch gesi­chert ist – mal ist von 20.000 bis hin zu 100.000 „siche­ren“ Euro die Rede. Peer Stein­brück hat vor mitt­ler­wei­le drei Jah­ren etwas Bemer­kens­wer­tes anläss­lich einer Pres­se­kon­fe­renz mit Ange­la Mer­kel gesagt:

Ich möch­te ger­ne unter­strei­chen, dass wir in der Tat in der gemein­sa­men Ver­ant­wor­tung, die wir in der Bun­des­re­gie­rung füh­len, dafür Sor­ge tra­gen wol­len, dass die Spare­rin­nen und Spa­rer in Deutsch­land nicht befürch­ten müs­sen, einen Euro ihrer Ein­la­gen zu ver­lie­ren. Dies ist ein wich­ti­ges Signal, damit es zu einer Beru­hi­gung kommt und nicht zu Reak­tio­nen, die unver­hält­nis­mä­ßig wären und die uns die der­zei­ti­ge Kri­sen­be­wäl­ti­gung bezie­hungs­wei­se Kri­sen­prä­ven­ti­on noch schwie­ri­ger machen würden.

Quel­le: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,582305,00.html

In der Sen­dung ges­tern im Ers­ten hat er ziem­lich klar die Hin­ter­grün­de sei­ner Äuße­rung benannt: Es soll­te damit ver­hin­dert wer­den, dass in der dar­auf fol­gen­den Woche die Men­schen zur Bank gehen und ihren Euro abho­len. Die Situa­ti­on 2008 war deut­lich ent­spann­ter als die Situa­ti­on heu­te, in der sol­che Zusa­gen offen­bar nicht mehr gemacht wer­den müs­sen, weil die Men­schen sich ver­mut­lich an die Kri­se gewöhnt haben.

Was wird zur­zeit getan? M.E. wird viel gere­det – wie 2008 schon. Dabei bil­den die Web2.0‑Kreise kei­ne Aus­nah­me. Kei­ne Lösun­gen, kei­ne auf Sach­über­le­gun­gen basie­ren­den Stand­punk­te  – wäre auch unbe­quem, da man sich selbst dadurch Kri­tik aus­set­zen wür­de. Des­we­gen – so mein Ein­druck – sol­len ein­mal die Poli­ti­ker die­se „abstru­se Situa­ti­on“ lösen. Das Min­des­te, was zu tun wäre, ist mei­ner Mei­nung nach ein­mal die Posi­ti­on der Poli­tik ein­zu­neh­men, da die Finanz­kri­se in ihrer Aus­wir­kung all­mäh­lich für den Ein­zel­nen fühl­bar zu wer­den beginnt.

Soll man Ban­ken plei­te gehen lassen?

Das wäre eine markt­wirt­schaft­li­che und kon­se­quen­te Lösung: Die Bank müss­te für die ein­ge­gan­ge­nen Risi­ken haf­ten und für Ver­lus­te gera­de ste­hen. Kann die das mit einer Kon­kurs­mas­se, die aus 33,3‑fach ver­lie­he­nen Optio­nen auf eine Opti­on auf einen Real­wert besteht? Wird span­nend. Vor allem für die Spa­rer, die der Bank ihren Euro gelie­hen haben. Je nach „Sys­tem­re­le­vanz“ der Bank dürf­te der Ein­la­gen­si­che­rungs­fond platt sein. Dann blei­ben im Best­fall von jedem Euro weni­ger als 10ct übrig. Letzt­end­lich trifft es also den Steu­er­zah­ler bzw. den­je­ni­gen, der über Spar­gut­ha­ben ver­fügt. Nur weni­ge Rei­che wer­den den Absprung in ver­meint­lich „siche­re“ Län­der bewältigen.

Soll man eine höhe­re Eigen­ka­pi­tal­quo­te bei Ban­ken vorschreiben?

Kann man machen. Mehr Kapi­tal wer­den die Ban­ken jedoch nur anlo­cken, wenn der Kapi­tal­ertrags­zins steigt – mit Wer­ten rund um die Infla­ti­ons­ra­te holt man kei­nen Spa­rer hin­ter dem Ofen her­vor. Höhe­re Kapi­tal­ertrags­zin­sen bedin­gen zumin­dest indi­rekt auch höhe­re Kre­dit­zin­sen – das will ja gegen­fi­nan­ziert sein. Zudem impli­ziert die For­de­rung nach höhe­ren Eigen­ka­pi­tal ja auch die For­de­rung nach­hal­ti­ger zu wirt­schaf­ten – dann darf man über­schul­de­ten Staa­ten aber eigent­lich kein Geld mehr lei­hen – das muss dann die EZB machen. Letzt­end­lich trifft das den Steu­er­zah­ler. Und es pas­siert bereits: Die EZB kauft Staats­an­lei­hen auf und nimmt damit die Ban­ken mehr oder min­der aus der Haftung.

So oder so: Das sub­ven­tio­nier­te iDin­gens wird teu­rer wer­den. Die Kon­su­men­ten­kre­di­te wer­den wahr­schein­lich deut­lich von Zins­ni­veau anzie­hen, d.h. man wird wohl dahin zurück­kom­men müs­sen, sich Din­ge erst zu kau­fen, wenn man sie ohne frem­de Hil­fe bezah­len kann – als Staat eben­so wie als Bür­ger eines Staa­tes. Was bedeu­tet das wie­der­um für z.B. die Auto­in­dus­trie? Wer bezahlt sei­nen Blech­hau­fen noch BAT (Bar Auf Tatze)?

Die Ban­ken­kri­se wird bei einer „ver­nünf­ti­gen Lösung“ – so es die geben wird – uns alle tref­fen. Es ist eben kein abs­trak­tes „Alle (Groß-)Banken sind Schei­ße“. Auch ein tota­ler Reboot muss eigent­lich in letz­ter Kon­se­quenz bedeu­ten, dass Waren end­lich das kos­ten, was sie wert sind. Gut, dass ich kei­nen Kaf­fee trin­ke – auch der fair gehan­del­te muss sich ja irgend­wie am Markt­preis ori­en­tie­ren, damit er gekauft wird.

Was man jetzt schon ganz kon­kret tun kann, ist mit sei­nem Geld zu einer Bank zu gehen, die trans­pa­rent und nach­hal­tig wirt­schaf­tet. Dazu gibt es hier vie­le Infos. Ich bin bis­her lei­der dabei aber auch nicht über die Calc-Lis­te mit den Adres­sen der anzu­schrei­ben­den Insti­tu­ti­on wg. Kon­to­än­de­rung hinausgekommen.

Didaktische Reduktion

Es gibt Tage, an denen ich mich mei­ner Unter­richts­vor­be­rei­tung schä­me das Sys­tem Schu­le has­se, wel­ches mir so wenig Zeit für eine wirk­lich tie­fe Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Unter­richts­stoff lässt. Vor zwei Wochen habe ich einen Vor­mit­tag mit Imma­nu­el Kants Text „Was ist Auf­klä­rung?“ ver­bracht und zwar nicht in der Fas­sung, die in unse­rem Schul­buch steht, son­dern mit dem voll­stän­di­gen Text aus der dama­li­gen Monats­schrift. Das Schul­buch lässt die­se Fas­sung des Tex­tes noch übrig, die – so glau­be ich – in Deutsch­land 100fach SuS vor­ge­legt wird:

Auf­klä­rung ist der Aus­gang des Men­schen aus sei­ner selbst ver­schul­de­ten Unmün­dig­keit. Unmün­dig­keit ist das Unver­mö­gen, sich sei­nes Ver­stan­des ohne Lei­tung eines ande­ren zu bedie­nen. Selbst­ver­schul­det ist die­se Unmün­dig­keit, wenn die Ursa­che der­sel­ben nicht am Man­gel des Ver­stan­des, son­dern der Ent­schlie­ßung und des Muthes liegt, sich sei­ner ohne Lei­tung eines ande­ren zu bedie­nen. Sape­re aude! Habe Muth dich dei­nes eige­nen Ver­stan­des zu bedie­nen! ist also der Wahl­spruch der Aufklärung.

Faul­heit und Feig­heit sind die Ursa­chen, war­um ein so gro­ßer Theil der Men­schen, nach­dem sie die Natur längst von frem­der Lei­tung frei gespro­chen (natu­ra­li­ter majo­ren­nes), den­noch ger­ne Zeit­le­bens unmün­dig blei­ben; und war­um es Ande­ren so leicht wird, sich zu deren Vor­mün­dern auf­zu­wer­fen. Es ist so bequem, unmün­dig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Ver­stand hat, einen Seel­sor­ger, der für mich Gewis­sen hat, einen Arzt der für mich die Diät beurt­heilt, u. s. w. so brau­che ich mich ja nicht selbst zu bemü­hen. Ich habe nicht nöthig zu den­ken, wenn ich nur bezah­len kann; ande­re wer­den das ver­drieß­li­che Geschäft schon für mich über­neh­men. Daß der bei wei­tem größ­te Theil der Men­schen (dar­un­ter das gan­ze schö­ne Geschlecht) den Schritt zur Mün­dig­keit, außer dem daß er beschwer­lich ist, auch für sehr gefähr­lich hal­te: dafür sor­gen schon jene Vor­mün­der, die die Ober­auf­sicht über sie gütigst auf sich genom­men haben. […]

Zu die­ser Auf­klä­rung aber wird nichts erfor­dert als Frei­heit; und zwar die unschäd­lichs­te unter allem, was nur Frei­heit hei­ßen mag, näm­lich die: von sei­ner Ver­nunft in allen Stük­ken öffent­li­chen Gebrauch zu machen. Nun höre ich aber von allen Sei­ten rufen: räson­nirt nicht! Der Offi­zier sagt: räson­nirt nicht, son­dern exer­cirt! Der Finanz­rath: räson­nirt nicht, son­dern bezahlt! Der Geist­li­che: räson­nirt nicht, son­dern glaubt! (Nur ein ein­zi­ger Herr in der Welt sagt: räson­nirt, so viel ihr wollt, und wor­über ihr wollt; aber gehorcht!) Hier ist über­all Ein­schrän­kung der Frei­heit. Wel­che Ein­schrän­kung aber ist der Auf­klä­rung hin­der­lich? wel­che nicht, son­dern ihr wohl gar beför­der­lich? – Ich ant­wor­te: der öffent­li­che Gebrauch sei­ner Ver­nunft muß jeder­zeit frei sein, und der allein kann Auf­klä­rung unter Men­schen zu Stan­de brin­gen; der Pri­vat­ge­brauch der­sel­ben aber darf öfters sehr enge ein­ge­schränkt sein, ohne doch dar­um den Fort­schritt der Auf­klä­rung son­der­lich zu hin­dern. Ich ver­ste­he aber unter dem öffent­li­chen Gebrau­che sei­ner eige­nen Ver­nunft den­je­ni­gen, den jemand als Gelehr­ter von ihr vor dem gan­zen Publi­kum der Leser­welt macht. Den Pri­vat­ge­brauch nen­ne ich den­je­ni­gen, den er in einem gewis­sen ihm anver­trau­ten bür­ger­li­chen Pos­ten, oder Amte, von sei­ner Ver­nunft machen darf. […]

Wenn denn nun gefragt wird: Leben wir jetzt in einem auf­ge­klär­ten Zeit­al­ter? so ist die Ant­wort: Nein, aber wohl in einem Zeit­al­ter der Auf­klä­rung. Daß die Men­schen, wie die Sachen jetzt ste­hen, im Gan­zen genom­men, schon im Stan­de wären, oder dar­in auch nur gesetzt wer­den könn­ten, in Reli­gi­ons­din­gen sich ihres eige­nen Ver­stan­des ohne Lei­tung eines Andern sicher und gut zu bedie­nen, dar­an fehlt noch sehr viel. Allein, daß jetzt ihnen doch das Feld geöff­net wird, sich dahin frei zu bear­bei­ten, und die Hin­der­nis­se der all­ge­mei­nen Auf­klä­rung, oder des Aus­gan­ges aus ihrer selbst ver­schul­de­ten Unmün­dig­keit, all­mä­lig weni­ger wer­den, davon haben wir doch deut­li­che Anzeigen.

Nach inten­si­vem Stu­di­um des Ori­gi­nals muss ich sagen, dass „didak­ti­sche Reduk­ti­on“ oder gar „Platz­man­gel“ in die­sem Fall noch die harm­lo­ses­ten Erklä­run­gen dafür sein mögen, nicht dem gesam­ten Text abzu­dru­cken. Bös­wil­lig lie­ße sich fast ver­mu­ten dass dahin­ter eine Absicht steckt. War­um kommt mir die­ser Gedanke?

Beliebt ist die Auf­ga­be für SuS, zu erklä­ren, was der Unter­schied zwi­schen dem pri­va­ten und dem öffent­li­chen Gebrauch der Ver­nunft ist. Das bekommt eine beson­de­re Note, wenn man fest­stellt, dass das Kant im Ori­gi­nal selbst an meh­re­ren Bei­spie­len macht, z.B. hier:

So wür­de es sehr ver­derb­lich sein, wenn ein Offi­zier, dem von sei­nen Obe­ren etwas anbe­foh­len wird, im Diens­te über die Zwek­mä­ßig­keit oder Nütz­lich­keit die­ses Befehls laut ver­nünf­teln woll­te; er muß gehor­chen. Es kann ihm aber bil­li­ger­ma­ßen nicht ver­wehrt wer­den, als Gelehr­ter, über die Feh­ler im Krie­ges­diens­te Anmer­kun­gen zu machen, und die­se sei­nem Publi­kum zur Beurt­hei­lung vorzulegen.

Oder hier:

Eben so ist ein Geist­li­cher ver­bun­den, sei­nen Kate­chis­mus­schü­lern und sei­ner Gemei­ne nach dem Sym­bol der Kir­che, der er dient, sei­nen Vor­trag zu thun; denn er ist auf die­se Bedin­gung ange­nom­men wor­den. Aber als Gelehr­ter hat er vol­le Frei­heit, ja sogar den Beruf dazu, alle sei­ne sorg­fäl­tig geprüf­ten und wohl­mei­nen­den Gedan­ken über das Feh­ler­haf­te in jenem Sym­bol, und Vor­schlä­ge wegen bes­se­rer Ein­rich­tung des Reli­gi­ons- und Kir­chen­we­sens, dem Publi­kum mitzutheilen.

Ob es wohl auch im Geis­te so man­ches Kir­chen­obe­ren heu­te ist, was Kant hier tat­säch­lich ver­langt? Wie ergeht es eigent­lich Pries­tern heu­te, die sich „als Gelehr­te“ in Schrift­form gegen das Zöli­bat stel­len oder gegen die Abend­mahls­re­ge­lung (ein katho­li­scher Geistkli­cher muss einem Pro­tes­tan­ten das Abend­mahl ver­wei­gern, wenn die­ser nicht an die Wand­lung glaubt)?

Zurück zur Pro­ble­ma­tik der Auf­ga­ben­stel­lung: Wir schnei­den einen Text­ab­schnitt her­aus, der Ant­wort auf die Fra­ge gibt, die wir SuS zum Text stel­len. Hä? Wir schnei­den zudem einen Text­ab­schnitt her­aus, der wie kein ande­rer kla­re Bezü­ge zur heu­ti­gen Lebens­welt der SuS ermög­licht, der ange­sichts der aktu­ell lau­fen­den Sys­tem­dis­kus­sio­nen aktu­el­le Fra­gen auf­wirft, z.B. nach der Legi­ti­mi­tät des beamti­schen Schulsystems.

Außer­dem klingt es doch aus heu­ti­ger Sicht etwas ver­wun­der­lich, wenn „der Auf­klä­rer Kant“ auf ein­mal so etwas von sich gibt:

In die­sem Betracht ist die­ses Zeit­al­ter das Zeit­al­ter der Auf­klä­rung, oder das Jahr­hun­dert Friederichs.

Ein Fürst, der es sei­ner nicht unwür­dig fin­det, zu sagen: daß er es für Pflicht hal­te, in Reli­gi­ons­din­gen den Men­schen nichts vor­zu­schrei­ben, son­dern ihnen dar­in vol­le Frei­heit zu las­sen, der also selbst den hoch­müt­hi­gen Namen der Tole­ranz von sich ablehnt: ist selbst auf­ge­klärt, und ver­dient von der dank­ba­ren Welt und Nach­welt als der­je­ni­ge geprie­sen zu wer­den, der zuerst das mensch­li­che Geschlecht der Unmün­dig­keit, wenigs­tens von Sei­ten der Regie­rung, ent­schlug, und Jedem frei ließ, sich in allem, was Gewis­sens­an­ge­le­gen­heit ist, sei­ner eige­nen Ver­nunft zu bedie­nen. Unter ihm dür­fen ver­eh­rungs­wür­di­ge Geist­li­che, unbe­scha­det ihrer Amts­pflicht, ihre vom ange­nom­me­nen Sym­bol hier oder da abwei­chen­den Urt­hei­le und Ein­sich­ten, in der Qua­li­tät der Gelehr­ten, frei und öffent­lich der Welt zur Prü­fung dar­le­gen; noch mehr aber jeder ande­re, der durch kei­ne Amts­pflicht ein­ge­schränkt ist.

An vie­len Stel­len in Kants Text ist zu lesen, dass die Amts­trä­ger im Staat eben funk­tio­nie­ren (=gehor­chen) müs­sen. Damit fes­tigt er natür­lich das beamti­sche Sys­tem und die damit ver­bun­de­ne Struk­tur – passt das zu dem Bild des ver­nunft­s­ge­lei­te­ten Pro­to­typ-Auf­klä­rers? Des­po­tis­mus als „ver­nünf­ti­ge Staats­form“? Lob­hu­de­lei auf Friedrich?

Kants Hal­tung hat aber wahr­schein­lich einen Grund, der aus dem Kon­text der his­to­ri­schen Ver­hält­nis­se zu sehen ist.  Hät­te Kant auch den Beam­ten in ihrem Amt den unein­ge­schränk­ten Gebrauch der Ver­nunft zuge­stan­den, hät­te es wohl mit ziem­li­cher Sicher­heit Ärger mit dem preu­ßi­schen Herr­scher gege­ben, des­sen „frei­heit­li­che Ein­stel­lung“ in Reli­gi­ons­din­gen wohl wie­der­um ratio­nal-staat­po­li­ti­schen und nicht pri­mär durch Tole­ranz gepräg­ten Über­le­gun­gen geschul­det sein dürf­te – aber ich bin kein Geschichtslehrer.

Fest steht für mich heu­te, dass wir durch die Kür­zung die­ses Tex­tes bzw. die Hin­nah­me sei­ner Kür­zung in die­ser Form, SuS genau das impli­zit ver­wei­gern, was dar­an zu ler­nen wich­tig ist. Das ist kei­ne sinn­vol­le didak­ti­sche Reduk­ti­on, das hal­te ich für drin­gend über­den­kens­wert. Ich habe durch mei­ne Beschäf­ti­gung mit die­sem Text dar­an viel Freu­de und Gedan­ken bekommen.

Mei­ne SuS soll­ten sich in einer Haus­auf­ga­be ein Urteil dar­über bil­den, ob die durch das Deutsch­buch vor­ge­nom­me­ne Kür­zung dem Text inhalt­lich gerecht wird: Sie sind selbst­stän­dig zu ähn­li­chen Ergeb­nis­sen gekom­men. Schön. Also waren sie durch Län­ge des didak­tisch unre­du­zier­ten Tex­tes inhalt­lich nicht überfordert.

In die­sem Sin­ne: Sape­re aude!

 

 

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