Worthülsen
Es gibt viele wundervolle Inhalte im Netz. Diese sichtbar und erfahrbar zu machen, ist Aufgabe einer Suchmaschine. Manche Suchmaschinen lösen das besser als andere. Eine löst das trotz aller Unkenrufe meiner Meinung nach besonders gut. Deswegen ist sie eigentlich alternativlos. Das ist kartellrechtlich nicht schön.
Diese Situation ist für Institutionen, die mit Inhalten oder Waren Geld verdienen wollen bzw. aus wirtschaftlichen Gründen sogar müssen schwierig. Prinzipiell stehen Bezahlinhalte oder Inhalte, die durch Werbung finanziert werden sollen, in Konkurrenz zu kostenlosen Inhalten. Dass auch Bezahlinhalte großer „Qualitätsmedien“ qualitativ nicht unbedingt kostenlosen Quellen überlegen sind, hat sich für mich im vergangenen Jahr vor allem an der weitgehend monoperspektivischen Berichterstattung über die Krimkrise festgemacht. Das Netz habe ich hier als wesentlich vielfältiger empfunden.
Mit Google verhält es sich bei der Distribution von Waren oder Inhalten wie mit einer Bank: Die verdient immer. Es ist egal, ob der angezeigte Inhalt kostenlos oder auf die Zahlung einer Vergütung angewiesen ist.
Rund um dieses Dilemma ist offenbar eine ganze Industrie entstanden, die sich im besten Fall darum bemüht, Institutionen so zu beraten, dass deren Inhalte prominenter bei Google präsentiert werden als andere.
Die Luft scheint in diesem Geschäftsfeld enger zu werden. 2014 war für riecken.de ein besonderes Jahr. Ich habe noch nie so viele „Partnerschaften“, „Gastartikel“ oder „Testzugänge“ angeboten bekommen, wie in der letzten Zeit. Man möchte anscheinend zunehmend auf Gedeih und Verderb Links auch in absoluten Nischenblogs wie dem meinen platzieren.
Info:
riecken.de hat nach aktuellem Statistiktool ca. 150.000 Views bei ca. 20.000 Besuchern im Monat bei einem PR4, das ist für Webverhältnisse nicht wirklich viel, da oft auch nachgeladene Bilddateien mitgezählt werden. Realistisch muss man diese Zahlen mindestens 10teln. Es gibt ca. 120 Personen, die mich in einem Feedreader haben und zusätzlichen „uncounted Traffic“ machen. Views und Traffic aus sozialen Netzwerken spielen kaum eine Rolle. Die meisten Besucher kommen über Google zu mir.
Das mit den Zahlen ist im Prinzip auch egal. Ich bin JEDEM Besucher dankbar, der sich für meine Inhalte interessiert. Ihr seid das soziale Kapital, welches mich motiviert, immer wieder Artikel zu schreiben.
In der Regel kommen Massenmailings mit leicht variierten Textbausteinen – das weiß ich aus dem Austausch mit anderen Lehrerendenblogs. Dabei wird zunehmend unwichtiger, dass z.B. eine Rezension oder ein Erfahrungsbericht positiv ausfällt – Hauptsache ein Link ist später vorhanden. Bei einem einzelnen Blog wie dem meinen ein lächerlicher Effekt – in der Summe vielleicht durchaus effektiv.
Ich habe mich in diesem Jahr wieder und wieder auf E‑Mailwechsel mit Mitarbeitenden in dieser Industrie eingelassen. Ich war neugierig, wie gearbeitet wird, warum man auf bestimmte Seiten aufmerksam wird, was man als Gegenleistung für eine Dienstleistung von mir anbietet.
Viele dieser Mitarbeiter sind rhetorisch exzellent geschult. Allein auf die Frage nach einem Geschäftsmodell habe ich noch nie eine andere Antwort bekommen, als dass man zunächst den Markt sondieren müsse und sich die Wertschöpfung dann schon irgendwann irgendwie ergäbe. Wohlgemerkt: Es geht dabei oft um Plattformen, die es gerne hätten, dass ich ihnen meine Unterrichtsvorbereitung möglichst vollständig anvertraue. Evernote ist ja dagegen schon fast sympathisch mit seinem Bezahlmodell.
Eine Bank würde einem Gründer mit diesem Ansatz keinen Kredit geben. Google tut das natürlich erst recht nicht oder will dafür seinerseits Geld sehen (eine gute Platzierung bei Google ist so etwas wie Geld). Ich gebe solchen Start-Ups auch keine Kredit in Form von Inhalten, die ich dort entwickle oder distribuiere.
Wenn es dabei bliebe, für Links in Rezensionen oder die Platzierung von Gastartikeln zu werben, wäre mir das fast egal. Das ist grundsätzliches SEO-Handwerk, da vermutet wird, dass Googles Algorithmus mit darauf basiert, die Verlinkung einer Webseite im Web zu analysieren. Ich persönlich empfinde Gastartikel mit kommerziellem Hintergrund grundsätzlich als Werbung, die also solche klar gekennzeichnet werden muss. Diese engstirnige Sicht hat sich in der Branche noch nicht so etabliert.
Eine neue Qualität in diesem Jahr war für mich der Versuch, auch Inhalte kostenlos abzugreifen. Das kannte ich bisher nur von wenigen klassischen Verlagen bei ihren ersten Gehversuchen im Netz.
Gleichzeitig habe ich tatsächlich ein sehr schlechtes Gewissen gegenüber diesen Menschen, die bei mir anfragen. Stellen wir uns vor, dass die These stimmt, viele Startups im Webbereich hätten lediglich ein Anschubfinanzierung von Investoren oder gar aus EU-Töpfen bekommen, die irgendwann ausläuft. Dann hinge der Arbeitsplatz am Erfolg oder Misserfolg des jeweiligen Geschäftsmodells.
Andererseits ist das eben Wirtschaft, von der ich als Beamter weitgehend entkoppelt bin. Genau diese Entkopplung ermöglicht mir ja auch, unentgeltlich zu arbeiten. Das ist ein Schatz und ein Privileg. Genau deswegen muss meine starrsinnige Haltung nach außen absolut arrogant wirken.
Ich kann gut nachvollziehen, dass andere Blogger und Webmaster ihre Seiten über Werbung und Partnerschaften finanzieren. Ich kann mir das für meine Seite noch nicht gut vorstellen, da Geld immer Abhängigkeiten schafft, an die man sich irgendwann auch gewöhnt. Oft geht das zu Lasten von Freiheit – man fühlt sich z.B. dann vielleicht doch genötigt, öfter zu schreiben.
Was immer wieder bleibt sind Worthülsen – Marketingdeutsch, das man bestens kennt, wenn die Mobilfunkfirma anruft, um mich dann doch zu einem Laufzeitvertrag zu überreden, der immer Kosten verursacht, auch wenn ich ihn nicht nutze.
Ich versuche dann, gleich in den relevanten Teil des Telefongesprächs zu springen – das klappt aber nicht immer … Immerhin rufen hier mittlerweile wenigstens keine Zeitstehlfirmen Markforschungsinstitute mehr an. Ich glaube, ich bin der blanke Horror für manche Branchen.
Das Marketingdeutsch kommt professionell, aufgeschlossen und achtungsvoll daher. Es bedient sich den Kommunikationsprinzipien der humanistischen Pädagogik. Es kaschiert m.E. aber damit oft die Absicht, Geld zu verdienen, Gewinne zu maximieren und Profit zu machen. Das ist ja in Ordnung. Aber bitte nicht auf Basis meiner dann unvergüteten Arbeit.