Textüberarbeitung mit Etherpad

Ich habe heu­te einen Text im Deutsch­un­ter­richt pseud­ony­mi­siert mit Ether­pad über­ar­bei­ten las­sen. Mein Lan­des­in­sti­tut bie­tet eine freie Instal­la­ti­on für die Schu­len Nie­der­sach­sen auf Ser­vern des Lan­des an. Mit der Lern­grup­pe übe ich gera­de den Inter­pre­ta­ti­ons­auf­satz, zu dem auch eine Inhalts­an­ga­be gehört. Unse­re Tex­te lie­gen bereits digi­tal in Form eines Blog­ar­ti­kels vor.
Ein End­ergeb­nis sah so aus (die Ver­öf­fent­li­chung des Ori­gi­nals ist aus recht­li­chen Grün­den nicht möglich):
Der  Schlos­ser Wall­fried Käns­ter­le begibt sich wie  jeden Tag nach sei­nem  Fei­er­abend vor dem Fern­se­her, um den Gesprä­chen mit sei­ner Frau Rosa zu ent­kom­men. Zunächst beschwert sich die Frau über die Faul­heit ihres  Man­nes, da er immer trä­ge sei.
Nach  den Anschul­di­gun­gen von Rosa, dass er sich sogar wei­gert, sei­nen Kin­dern am  Niko­laus­tag eine Freu­de zu machen, gibt Wall­fried ohne Wider­wor­te nach,  sodass er sich als Niko­laus ver­klei­det, um sei­ne Kin­der zu beschen­ken. Dies ver­läuft jedoch anders als erwar­tet, da  Wall­fried, kurz bevor er  sei­ne Haus­tür erreicht, aus­rutscht und mit einem dump­fen Geräusch fällt.  Nach­dem die Tür geöff­net wird, tritt Rosa außer sich her­vor. Die  Unge­schick­lich­keit gibt Rosa einen wei­te­ren Grund, um sich bei ihrem Mann zu beklagen. 
Sobald Wall­fried sei­ne Kon­trol­le ver­liert, ver­passt er sei­ner Frau eine Ohr­fei­ge, wor­auf­hin er im Wohn­zim­mer ver­schwin­det. Dort lässt er sei­ner Wut frei­en Lauf, indem  er Gegen­stän­de des Hau­ses zer­stört, die Rosa gern hat. Die Unru­he, die dadurch ent­steht,  sorgt dafür, dass der Nach­bar vor­bei­schaut und sich  dezent über ihn lus­tig macht.
Die Metho­dik:
  1. Mar­kiert Wor­te fett, die ihr als umgangs­sprach­lich einschätzt.
  2. Gestal­tet als Grup­pe den Text so um, dass umgangs­sprach­li­che For­mu­lie­run­gen ver­mie­den werden.
  3. Mar­kiert die Kon­junk­ti­on „und“ fett, wenn sie als Gedan­ken­ver­knüp­fung ein­ge­setzt wird.
  4. Kopiert den betref­fen­den Satz mit aus Auf­ga­be 3 unter den Text und notiert eine Alter­na­ti­ve darunter.

Nach jeder Auf­ga­be haben wir eine kur­ze Bespre­chungs­pha­se ein­ge­scho­ben und ggf. begrün­det, war­um eine For­mu­lie­rung geeig­net oder unge­eig­net ist.

Ich habe jetzt Teams aus drei Lern­grup­pen­mit­glie­dern gebil­det. Bis­her beka­men die­se Teams die Auf­ga­be, Tex­te ande­rer Lern­grup­pen­mit­glie­der (die eines ande­ren Teams) in einem Blog zu kom­men­tie­ren. In der zwei­ten Auf­bau­stu­fe sol­len die Teams die frem­den Tex­te in einem Ether­pad über­ar­bei­ten und dann die über­ar­bei­te­te Fas­sung als Kom­men­tar ver­öf­fent­li­chen. Der jewei­li­ge Autor reflek­tiert dann die Unter­schie­de zur Originalfassung.

Mei­ne Auf­ga­ben­for­mu­lie­rung (fett, unter den Text kopie­ren, Fas­sun­gen aus­wäh­len etc.) sind dabei nur Vor­schlä­ge, wie man vor­ge­hen kann. Es ver­steht sich von selbst, dass eine der­ar­ti­ge Auf­ga­be ohne vor­he­ri­ge Klä­rung der Kri­te­ri­en, die dabei anzu­wen­den sind, nicht sinn­voll zu lösen ist.

Zudem soll­ten die Tex­te bereits in digi­ta­ler Form z.B. in einem Blog­sys­tem vor­lie­gen. Sehr abge­speckt könn­te man auch einen zu über­ar­bei­ten­den Text schon vor­her in die Pads der ein­zel­nen Teams legen.

Bei OER besteht die Gefahr einer tendenziösen Darstellung von Fakten

Ich war seit lan­ger, lan­ger Zeit ein­mal wie­der auf einer fach­be­zo­ge­nen Fort­bil­dung. Ich gehe i.d.R. ungern zu sol­chen Ver­an­stal­tun­gen, weil sie meist inhalt­lich wenig bie­ten und metho­disch vor­her­seh­bar struk­tu­riert sind. Dies­mal war es ein wenig anders, was vor allen Din­gen Herrn Prof. Schnei­der vom Erich Maria Remar­que Frie­dens­zen­trum zu ver­dan­ken war. An die­sem Insti­tut beschäf­tigt man sich seit Jah­ren u.a. mit der Kriegs­li­te­ra­tur Anfang des 20. Jahr­hun­derts. Auf die dort gewon­ne­nen Erkennt­nis­se stützt sich die von mir zur Vor­be­rei­tung des Unter­richts ver­wen­de­te Begleit­lek­tü­re „Olden­bourg Inter­pre­ta­tio­nen, Bd.90, Im Wes­ten nichts Neu­es“, die nur noch anti­qua­risch zu hor­ren­den Prei­sen ver­füg­bar ist – war­um eigentlich?

Ich bin eini­ger­ma­ßen ver­zwei­felt. Für das Zen­tral­ab­itur Deutsch 2016 in Nie­der­sach­sen ist „Im Wes­ten nichts Neu­es“ (Erich Maria Remar­que) als ver­bind­li­che Lek­tü­re vor­ge­se­hen. So sehr die­ser „Roman“ als Anti­kriegs­li­te­ra­tur welt­weit Auf­merk­sam­keit und damit immense rezep­ti­ons­ge­schicht­li­che Bedeu­tung erfah­ren hat, so wenig gibt der Text in mei­nen Augen spe­zi­ell für das Fach Deutsch her. Struk­tu­rell ist es ein Bericht, wenn­gleich voll­kom­men fik­tio­nal. Remar­que hat wohl nur sehr weni­ge Bege­ben­hei­ten selbst erlebt.

Der Text steht natür­lich für sich als Mahn­mal gegen bewaff­ne­te Aus­ein­an­der­set­zun­gen, kann in die­ser inhalt­li­chen Ver­or­tung aber m.E. nicht sinn­voll durch nur ein Fach behan­delt wer­den, son­dern erschließt sich hin­rei­chend wohl nur in enger Zusam­men­ar­beit mit den Fächern Geschich­te und Poli­tik. Wesent­li­che Kom­pe­tenz­be­reich des Deutsch­un­ter­richt las­sen sich mit ande­ren Wer­ken bes­ser abdecken.

Man fin­det in der didak­ti­schen Lite­ra­tur den sinn­ge­mä­ßen Einstieg:

Offe­ne Begeis­te­rung dage­gen herrsch­te vor allem in den groß­städ­ti­schen Zen­tren, wo die Kriegs­er­klä­run­gen und ers­te Sie­ges­mel­dun­gen beju­belt wur­den. Ihr Trä­ger war allem Anschein nach ins­be­son­de­re das Bür­ger­tum: Stu­den­ten und Ober­schü­ler mel­de­ten sich in Mas­sen frei­wil­lig, ins­be­son­de­re vie­le Bil­dungs­bür­ger schrie­ben begeis­ter­te Gedich­te und Aufrufe.

http://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/ersterweltkrieg/155302/ausloesung-und-beginn-des-krieges

Meist wird das durch einen geeig­ne­ten Bild­im­puls beglei­tet. Die Logik:

Die Deut­schen waren vom Krieg begeis­tert und naiv hin­sicht­lich sei­ner Fol­gen für das Indi­vi­du­um. Remar­que setzt bewusst ein Denk­mal gegen die­se Haltung.

Hört sich erst­mal gut an. Stimmt aber wohl so nicht. Ich gebe sinn­ge­mäß eini­ge State­ments aus der Fort­bil­dung wieder.

  1. Die Eupho­rie war wohl auf Tei­le des Bür­ger­tums begrenzt. Die länd­li­chen Bevöl­ke­rung fand das mit dem Krieg­aus­bruch wohl bedingt witzig.
  2. Gym­na­si­as­ten mel­de­ten sich wohl auch zum Kriegs­dienst, weil mit dem „Not­ab­itur“ eine ver­kürz­te Schul­zeit mög­lich wurde.
  3. Die Bil­der, die das öffent­li­che Bild von der Eupho­rie präg­ten, sind Teil einer Insze­nie­rung, um Akzep­tanz für den Kriegs­ein­tritt als brei­ten Kon­sens in der Bevöl­ke­rung darzustellen.
  4. Bild­ma­te­ri­al zum ers­ten Welt­krieg war fast grund­sätz­lich insze­niert. Die dama­li­gen Film­ka­me­ras hät­ten wohl aus den Schüt­zen­grä­ben hin­aus­ge­guckt und dem Kame­ra­mann einen Kopf­schuss beschert. Also nahm man sich wohl eher ein paar Sol­da­ten und spiel­te hin­ter der Front den Krieg ein­fach nach – die Ver­öf­fent­li­chung von Fotos aus dem ers­ten Welt­krieg war weit­ge­hend durch das Reichs­ar­chiv kon­trol­liert, indem mili­tä­ri­sche Füh­rungs­eli­ten das Zep­ter führten.
  5. […]

Über­prüft mal bit­te, inwie­weit die­ser For­schungs­stand in aktu­el­len Schul­bü­chern Berück­sich­ti­gung fin­det, also in Qua­li­täts­me­di­en. Wenn Herr Prof. Schnei­der Recht hat, ist mein Bild von der Wirk­lich­keit des ers­ten Welt­krie­ges doch ein wenig verzerrt.

Ten­den­ziö­se Dar­stel­lun­gen sind für mich kei­ne Fra­ge von frei­en oder kom­mer­zi­el­len Publi­ka­ti­ons­for­men, son­dern eine der Metho­dik und den Rah­men­be­din­gun­gen der Erstel­lung. Die Rah­men­be­din­gun­gen im kom­mer­zi­el­len Sek­tor schei­nen nicht unbe­dingt bes­ser zu werden.

Minigrundschule mit IT ausstatten

Die Aus­gangs­la­ge einer klei­nen Grundschule:

  • Rech­ner­raum, zwölf Pen­ti­um 4‑Rechner, Win­dows XP, Office XP
  • Kein WLAN
  • DSL1000, t@school der ers­ten Generation
  • Arbeits­rech­ner im Lehrerzimmer
  • Note­book für die Klassen
  • mobi­ler Beamer
  • sofort abruf­ba­res Bud­get: 2500,- Euro

 Die Lösung:

  1. drei­zehn HP Com­paq DC7900, Core2Duo 3Ghz, 2GB RAM, Win­dows7-Pro­fes­sio­nal-Lizenz, 160 GB HDD
  2. zwei HP Work­sta­tion xw6400, 2x Intel Xeon 5130, 2GB RAM, Win­dows7-Pro­fes­sio­nal-Lizenz, 80 GB
  3. vier neue 1TB HDDs
  4. 3x TP-Link WR1043ND WLAN-Rou­ter mit DD-WRT-Firm­ware
  5. 1x Jah­res­ge­bühr Schul­netz­werk­lö­sung IServ
  6. 1x Ein­rich­tungs­ge­bühr Schul­netz­werk­lö­sung IServ
  7. Upgrade des t@school-Anschlusses auf DSL6000

Die Kos­ten:

  1. 90 Euro / Stck. = 1170,- Euro
  2. 99 Euro / Stck. = 180,- Euro
  3. 60 Euro / Stck. = 240,- Euro
  4. 30 Euro / Stck. = 90,- Euro
  5. 230,- Euro / Jahr
  6. 595,- Euro (ein­ma­lig)
  7. kos­ten­los

Gesamt­sum­me: ca. 2500,- Euro

Arbeits­lohn bei Durch­füh­rung durch eine Fachfirma:

ange­nom­me­ner Stun­den­satz:  80,- Euro (brut­to)

24 Mann­stun­den kom­plett, Leistungen:

  • Recher­che geeig­ne­ter Rech­ner­sys­te­me (Beschaf­fung in Ver­ant­wor­tung der Schu­le, um Garan­tie­an­sprü­che abzu­weh­ren) (zwei Stun­den)
  • Instal­la­ti­on und Ser­ver- und Back­up­sys­tem inkl. Ein­rich­tung der Nut­zer (vier Stun­den)
  • Vor­in­stal­la­ti­on aller Cli­ents und Acces­s­points (ser­ver­ge­steu­er­te Bespie­lung mit Soft­ware, Absi­che­rung und Kon­fi­gu­ra­ti­on des BIOS) (zwölf Stun­den)
  • Doku­men­ta­ti­on (Pass­wör­ter, IP-Adres­sen etc.) (eine Stun­de)
  • Auf­bau und Ver­ka­be­lung vor Ort inkl. Anfahrt (fünf Stun­den)

Gesamt­sum­me: ca. 1920,- Euro

Ver­gleich:

Bei ent­spre­chen­der Vor­be­rei­tung und Vor­wis­sen benö­ti­ge ich als unge­lern­te Kraft  für der­ar­ti­ge Arbei­ten ca. 12 Stun­den (schnel­ler Inter­net­an­schluss und ent­spre­chend kon­fi­gu­rier­te Arbeits­um­ge­bung vor­aus­ge­setzt). Bei der Zeit­be­rech­nung sind daher Ein­le­se­zei­ten und Sup­port­kon­tak­te mit eingerechnet.

Das Resul­tat:

  • Schul­netz­werk von außen erreich­bar unter voll­wer­ti­ger Domain
  • Datei­aus­tausch über http, https, ftp, ftps, dav, davs
  • voll­wer­ti­ger E‑Mailserver
  • voll­wer­ti­ger Kalen­der­ser­ver nach dem CalDAV-Standard
  • Soft­ware­ver­tei­lung per Klick, inkl. auto­ma­ti­sier­te OS-Installation
  • Auto­ma­ti­sches Update aller Rech­ner inklu­si­ve der instal­lier­ten Soft­ware per WOL nachts
  • Schul­wei­tes WLAN (RADIUS)
  • Inhouse-Hos­ting aller Dienste
  • exter­nes Monitoring
  • Remo­te Sup­port per E‑Mail und Telefon

Kri­tik:

Es ist nicht Auf­ga­be der Schu­le oder der Medi­en­be­ra­tung, der­ar­ti­ge Pro­zes­se zu initi­ie­ren, son­dern die des Schul­trä­gers. Poli­ti­sche Wege sind lang. Schü­le­rin­nen und Schü­ler gibt es aber jetzt genau wie die zuneh­men­de Digi­ta­li­sie­rung unse­res All­tags. Durch ver­läss­li­che Infra­struk­tur ent­ste­hen nach mei­ner Erfah­rung Ideen. Die­se fan­gen immer so an, dass Unter­richt sich nicht ver­än­dert, son­dern zunächst Schul­or­ga­ni­sa­ti­on und Schul­kom­mu­ni­ka­ti­on. Durch Infra­struk­tur und Opti­mie­rung von Kom­mu­ni­ka­ti­ons­pro­zes­sen ent­ste­hen dann oft genug Frei­räu­me für die kon­zep­tio­nel­le Arbeit, die Auf­ga­be der Schu­le ist.

Mit Infra­struk­tur pas­sie­ren selt­sa­me Din­ge, z.B. das auf ein­mal schul­über­grei­fen­de Fach­schafts­sit­zun­gen jetzt an einem Stand­ort statt­fin­den, weil die­ser auf ein­mal über die ent­spre­chen­de Aus­stat­tung ver­fügt. Davon wird erzählt.

  • Wie? Ihr könnt die Online­me­di­en des Lan­des und des Medi­en­zen­trums jetzt über­all nutzen?
  • Wie? Ihr braucht Soft­ware jetzt nicht mehr Rech­ner für Rech­ner aufspielen?
  • Wie? Ihr habt über­all WLAN? Zu dem Preis?

Par­al­lel:

Par­al­lel muss poli­ti­sche Arbeit erfol­gen, z.B. die Imple­men­tie­rung von Medi­en­ent­wick­lungs­plä­nen, deren Ziel es ist, Sup­port, Pla­nung, Beschaf­fung und Instal­la­ti­on zen­tral zu orga­ni­sie­ren. Das ist Kern­auf­ga­be mei­ner Tätig­keit als Medienberater.

Das geht nur mit einer kri­ti­schen Schü­ler­zahl ver­läss­lich und erfor­dert gera­de in einem Flä­chen­land wie Nie­der­sach­sen Zeit. Die­se Zeit geht den jet­zi­gen Schü­le­rin­nen und Schü­lern sowie Lehr­kräf­ten verloren.

Daher arbei­te ich von unten nach oben, in ich dem Schu­len, die sich jetzt auf den Weg machen wol­len, zu einer ver­läss­lich Infra­struk­tur ver­hel­fe. Finan­zie­rungs­we­ge fin­den sich da immer. Ich schaf­fe ca. drei bis vier Schu­len pro Jahr.

Gleich­zei­tig führt kein Weg dar­an vor­bei, auch von oben nach unten, also poli­tisch zu arbei­ten, damit wir irgend­wann zu neu­er Hard­ware, ver­läss­li­chen Sup­port­kon­zep­ten, ver­nünf­ti­gem Lizenz­ma­nage­ment und pro­fes­sio­nel­lem WLAN kom­men – und zu einem fai­ren Wett­be­werb der Schul­netz­werk­lö­sun­gen. IServ ist nach mei­ner Erfah­rung für die Arbeit im Jetzt vor allem bud­get­tech­nisch alter­na­tiv­los gemes­sen am Preis-/Leis­tungs­ver­hält­nis. Es gibt m.E. her­vor­ra­gen­de Lösun­gen, die vor allem im Blick auf eine zu ent­wi­ckeln­de Zukunft eine bes­se­re Figur machen, jedoch Hard­ware, Ver­ka­be­lung und Lizenz­kos­ten vor­aus­set­zen, die im Jetzt nicht rea­lis­tisch zu finan­zie­ren sind.

Das Internet und die Romantik

Die eine Geschichte

Wir wis­sen z.B., dass digi­ta­le Daten­strö­me unauf­wän­dig und mit gerin­gen Kos­ten umfas­send über­wacht wer­den kön­nen. Die Algo­rith­mik für die Aus­wer­tung ist wahr­schein­lich noch pri­mi­tiv, aber da die Daten­spei­che­rung mit dem tech­no­lo­gi­schen Fort­schritt auch immer effi­zi­en­ter wird, wer­den auch irgend­wann Daten nutz­bar, die vor Jah­ren auf­ge­zeich­net wor­den sind. Wäre das eine Rand­er­schei­nung – War­um wird die­ses The­ma so oft in Social­Me­dia erwähnt?

Wir wis­sen, dass nicht nur Staa­ten die­se Mög­lich­keit nut­zen, son­dern auch die Pri­vat­wirt­schaft. Stück für Stück wer­den in Sala­mi­tak­tik uns immer umfas­sen­de­re Daten­ver­wer­tungs­ver­trä­ge, par­don – Nut­zungs­be­din­gun­gen vor­ge­setzt, die wir ger­ne anneh­men. Schließ­lich ist die gan­ze neue Dienste­welt ja mitt­ler­wei­le unver­zicht­bar für unser Leben. Ich glau­be, dass die­se Art der Daten­ver­ar­bei­tung immer wie­der die eigent­li­che Inspi­ra­ti­on für die staat­li­che Über­wa­chung bildet.

Da das Digi­ta­le (das Mycel) mit kei­nem unse­rer Sin­ne für uns direkt erfahr­bar ist – ledig­lich die Erschei­nungs­for­men wie Bil­der, Vide­os, Tex­te (die Frucht­kör­per) spre­chen unse­re ein­ge­bau­ten Sin­ne an – gibt es noch viel zu wenig gesell­schaft­li­ches Bewusst­sein, um das immense Macht- und Beein­flus­sungs­po­ten­ti­al ein­zu­schät­zen – dafür bräuch­te es zudem m.E. infor­ma­ti­sche Kom­pe­tenz. Die Mög­lich­kei­ten des Users oder auch der der Com­mu­ni­ties sind arg begrenzt, auch wenn es im Ein­zel­fall Erfol­ge geben mag. Die Stake­hol­der sind die­je­ni­gen, die Daten­strö­me steu­ern und die Daten ver­wal­ten. Die­se Leu­te aus­zu­tan­zen ist tra­di­tio­nell schon immer die Domä­ne der tech­nisch(!) ver­sier­ten Hacker.

Wir wis­sen, dass tau­sen­de Jugend­li­che jeden Tag live aus ihrem Kin­der­zim­mer, ihren Klas­sen, „Was­weiß­man­noch-Woher“ strea­men und sich einer Öffent­lich­keit prä­sen­tie­ren. Wir wis­sen als Lehr­kräf­te, dass die meis­ten unse­rer Mob­bing­fäl­le ihren Ursprung im Inter­net haben. Wenn ich mit Mit­ar­bei­tern aus Bera­tungs­stel­len rede, bekom­me ich die Rück­mel­dung, dass Bera­tungs­fäl­le mit Inter­net­be­zug stän­dig zuneh­men. Aus Umfra­gen wis­sen wir, dass ein nicht uner­heb­li­cher Anteil der heu­ti­gen Kin­der und Jugend­li­chen so ihre Erfah­run­gen mit dem Netz gemacht haben. Vor der Erwach­se­nen­welt macht das nicht halt. Casu­al Porn wird gera­de zu einem neu­en Hype – der Thrill ist gera­de die Nicht­ein­wil­li­gung der gezeig­ten Men­schen, ver­öf­fent­licht zu wer­den. Die Reak­tio­nen der Opfer sagen viel über den Zustand der Men­schen in die­sem Internet.

Ich glau­be und erfah­re zuneh­mend, dass der Anteil an Jugend­li­chen ste­tig wächst, die das Netz mit sei­nen Mög­lich­kei­ten so nutzt, wie wir Staats­bür­ger, Lehr­kräf­te, Medi­en­päd­ago­gen in unse­ren Träu­men und Fik­tio­nen das ger­ne hät­ten. Ich mache die Erfah­rung, dass von mei­nen dies­be­züg­li­chen Bemü­hun­gen in beson­de­rer Wei­se genau die Kin­der und Jugend­li­chen pro­fi­tie­ren, die von Hau­se aus dafür beson­ders sen­si­bi­li­siert und damit pri­vi­le­giert sind.

Die­se Lis­te lie­ße sich fort­set­zen. Ich fin­de sie jetzt schon als Staats­bür­ger, Inter­net­nut­zer, Vater, Lehr­kraft, medi­en­päd­ago­gi­scher Bera­ter hin­rei­chend inter­es­sant, um sie nicht als „Rand­er­schei­nung“ zu ver­harm­lo­sen („über­all gibt es böse Men­schen“), wie es wie­der und wie­der in medi­en­päd­ago­gi­schen Krei­sen geschieht. Die­se The­men­fel­der bestim­men mei­nen All­tag als Staats­bür­ger, Inter­net­nut­zer, Vater, Lehr­kraft und medi­en­päd­ago­gi­scher Berater.

War­um gibt es Men­schen die so tun, als ob „Medi­en­kom­pe­tenz“ allein irgend­et­was dar­an ändern wür­de? Die Pro­blem­stel­lung ist mul­ti­di­men­sio­nal und damit eben nicht durch einen ein­zel­nen Stell­he­bel zu ändern. Wer aner­kennt, dass die Digi­ta­li­sie­rung als Phä­no­men die Ent­wick­lung des Men­schen extrem beein­flusst, muss auch aner­ken­nen, dass Umgangs­for­men auf vie­len Ebe­nen gesell­schaft­lich ent­wi­ckelt wer­den müs­sen. Und zwar nicht nur in Schu­le, son­dern auch in Eltern­häu­sern, in Bezie­hun­gen, in poli­ti­schen Sys­te­men, in allen Berei­chen, in denen das Digi­ta­le eine Rol­le spielt.

Alles ande­re hal­te ich für eine unzu­läs­si­ge Reduk­ti­on. Beim oft bemüh­ten Buch­druck hat das Jahr­hun­der­te gedau­ert, bis z.B. die Kir­che ihren Ein­fluss auf die Buch­in­hal­te mehr und mehr ver­lo­ren hat. Wir sind in den ers­ten Jahr­zehn­ten nach dem Sie­ges­zug des Inter­nets, dür­fen also natür­lich noch mehr Fra­gen als Ant­wor­ten erwarten.

Die ande­re Geschichte

Ich habe mir letz­tens einen eige­nen, gebrauch­ten Bea­mer für den Unter­richt gekauft, weil in dem Klas­sen­raum mei­ner neu­en Lern­grup­pe kei­ner­lei Aus­stat­tung dies­be­züg­lich ver­füg­bar ist. Ohne Zugriff auf die­ses Inter­net kann ich mitt­ler­wei­le kaum ver­nünf­tig unter­rich­ten. Trotz­dem arbei­tet mei­ne Lern­grup­pe nicht frei­lau­fend im Netz, son­dern in geschütz­ten Räu­men, deren Zugän­ge durch trans­port­ver­schlüs­sel­te Wege abge­si­chert sind. Weil ich in die­sen Räu­men mit Klar­na­men ope­rie­re, brau­che ich natür­lich vor­her die Ein­wil­li­gung der Eltern für die­se Art der Arbeit. In die­sen geschütz­ten Raum hin­ein dür­fen sich die Schü­le­rin­nen natür­lich auch Arte­fak­te aus dem Netz holen und belie­big rekom­bi­nie­ren, wenn die Quel­le klar ersicht­lich ist und even­tu­el­le Lizenz­be­stim­mun­gen ein­ge­hal­ten wer­den – über ihr Han­dy. Das ist sowie­so immer dabei und es gibt eigent­lich nur bestimm­te Regeln für die Nut­zung die­ser „Kul­tur­zu­gangs­ge­rä­te“ oder „Kon­troll­über­win­dungs­gad­gets“ in mei­nem Unter­richt. Die­se sehen zunächst so aus:

  • Dein Han­dy ist in den Unter­richts­stun­den auf laut­los geschaltet
  • Du ver­zich­test auf jed­we­de nicht unterichts­be­zo­ge­ne Kom­mu­ni­ka­ti­on (What­App, Face­book, SMS usw.)
  • Du darfst dein Han­dy mit Unter­richts­be­zug (z.B. zum Nach­schla­gen von Wor­ten) ver­wen­den, wenn es die jewei­li­ge Situa­ti­on erlaubt und nie­mand dadurch gestört wird.
  • Am bes­ten legst du dein Han­dy mit dem Dis­play nach unten oder in einer “Socke” deut­lich sicht­bar vor dich auf den Tisch zu dei­nem Arbeitsmaterial.
  • Dein Han­dy wird dir gemäß der gel­ten­den Schul­ord­nung für die Dau­er der Deutsch­stun­de ent­zo­gen, wenn du dich nicht an die­se Regeln hältst.

Der nächs­te logi­sche Schritt wäre, die­se Gerä­te mit in das Schul-WLAN zu inte­grie­ren. Schon jetzt kommt das ört­li­che Han­dy­netz in Schul­pau­sen so an sei­ne Gren­zen. Dazu rüs­ten wir dem­nächst tech­no­lo­gisch gewal­tig auf. Das Schul­netz besitzt einen rudi­men­tä­ren Web­fil­ter, der von einer Com­mu­ni­ty geflegt wird und der recht­lich völ­lig aus­reicht. Der Fil­ter arbei­tet nicht inva­siv und schaut z.B. nicht in SSL-Ver­bin­dun­gen hin­ein (z.B. durch Zwischenzertifikate).

Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler sind erfin­dungs­reich im Über­win­den des Fil­ters oder ande­rer „Sicher­heits­funk­tio­nen“ des Net­zes. Eini­ge ver­ste­hen, was sie da tun und wach­sen dar­an mehr­fach – ich als Admi­nis­tra­tor schät­ze die­ses Katz- und Maus­spiel sehr, weil auch ich dadurch immer mehr über Sys­te­me ler­ne (mei­nes und andere).

Das Inter­net geht ja nicht wie­der weg. Und die Aspek­te aus der ers­ten Geschich­te las­sen sich ohne das Inter­net kaum sinn­voll ver­mit­teln. Ich nut­ze das Netz.

Die Kon­se­quenz für mich

Ich will All­tags­un­ter­richts­pro­duk­te mei­ner Schü­le­rin­nen und Schü­ler nicht im Netz sehen. Für das Tages­ge­schäft gilt bei mir das Prin­zip: All unfil­te­red in – some­thing fil­te­red out. Ein öffent­li­ches Pro­jekt mit Schü­le­rin­nen und Schü­lern im Inter­net muss eine Rele­vanz besit­zen, um gegen­über z.B. dem Pla­kat oder Schul­heft einen Mehr­wert zu bie­ten: Die Rezep­ti­on soll­te in mei­nen Augen orga­ni­siert sein. Ich habe jetzt nach meh­re­ren Jah­ren zu ers­ten Mal eine Idee und eine Lern­grup­pe, mit der ich mir das vor­stel­len kann. Wenn immer alle Schu­len mit allen Lern­grup­pen so arbei­ten, mag das explo­ra­tiv und wün­schens­wert sein, aber eine Unmen­ge an Con­tent von begrenz­ter öffent­li­cher Rele­vanz erzeu­gen. Die unmit­tel­ba­re sozia­le Umge­bung wird hier anders zu bewer­ten sein und damit im Fokus ste­hen müssen.

Schön­fär­be­rei in Tei­len der Medienpädagogik

Mei­dien­päd­ago­gen wie der öffent­lich zur­zeit sehr prä­sen­te Phil­ip­pe Wampf­ler bre­chen eine Lan­ze für das Ver­hal­ten der Jugend­li­chen.  Zu YouNow wird er von einer Quel­le so zitiert:

«Weil Younow nicht per se etwas Nega­ti­ves ist», sagt der Leh­rer und Kul­tur­wis­sen­schaft­ler Phil­ip­pe Wampf­ler: Der Dienst spie­le mit der Suche nach Auf­merk­sam­keit – dem Teen­agerthema schlecht­hin. Es gehe auch dar­um, Medi­en­kom­pe­tenz im posi­ti­ven Sin­ne zu zei­gen. Die Jugend­li­chen müss­ten das Publi­kum unter­hal­ten, etwas bie­ten. Je mehr Zuschau­er man bei Younow habe, des­to höher stei­ge man im Ran­king, und des­to bes­ser sei man für die ande­ren Nut­zer sicht­bar. Die­ser Wett­be­werb um Auf­merk­sam­keit kön­ne Spass machen und Krea­ti­vi­tät för­dern, betont Wampf­ler. Es gebe auch Jugend­li­che, die Unter­hal­tungs­tech­ni­ken berühm­ter Vor­bil­der imi­tier­ten. Ande­re mach­ten Musik. «Vie­le Jugend­li­che sind aller­dings bereit, Ver­nunft­re­geln zu bre­chen, wenn sie dafür Auf­merk­sam­keit erhal­ten.» Sie sag­ten sich: «Das ist es mir irgend­wie wert.»

Ich weiß nicht, ob P.Wampfler hier kor­rekt wie­der­ge­ge­ben wird, jedoch ist die­ses Zitat in mei­nen Augen pro­to­ty­pisch für einen bestimm­ten Teil der Medi­en­päd­ago­gen. Wampf­ler ist es immer dar­an gele­gen, Zustän­de zu beschrei­ben. Eine Wer­tung von Ver­hal­ten erfolgt i.d.R. nicht. Statt­des­sen ste­hen die Mög­lich­kei­ten der Online­an­ge­bo­te im Vor­der­grund. Die­se bezweif­le ich nicht. Ich bezweif­le aber, dass eine Mehr­heit der Jugend­li­chen Diens­te wie YouNow in einer Wei­se nutzt, wie sie in den Augen man­cher Medi­en­päd­ago­gen „gemeint“ sind.

Ich bezweif­le, dass das auf Jugend­li­che beschränkt ist. Und ich bezweif­le, dass das alles „Rand­phä­no­me­ne“ sind. Ich bezweif­le die oft anzu­tref­fen­de unge­heu­re Idea­li­sie­rung. Puber­tät ist geprägt von extre­mer Ambi­va­lenz. Explo­ra­ti­ves und kri­tik­wür­di­ges Ver­hal­ten ste­hen in der Hoch­zeit die­ser Pha­se pari­tä­tisch neben­ein­an­der. Ich bezweif­le Stu­di­en mit nur sehr gerin­ger Stich­pro­ben­grö­ße. Ich bezweif­le, dass gera­de die Geis­tes­wis­sen­schaft mit ihrer his­to­risch lang­sa­men Begriffs­bil­dung schon aus­rei­chend Metho­den gefun­den hat, mit den Phä­no­me­nen der Digi­ta­li­sie­rung ange­mes­sen umzu­ge­hen. Das ist in Ord­nung und ein völ­lig nor­ma­ler Zustand in der Zeit des Über­gan­ges, in dem sich die Gesell­schaft gera­de befindet.

In Bezug auf Jugend­li­che ist mir Beschrei­ben und Begriffs­bil­dung ent­schie­den zu wenig. Ich wer­de in mei­nen Reak­tio­nen und Wer­tun­gen der Phä­no­me­ne im Inter­net in der Rück­schau oft falsch lie­gen. Ich mache mich durch Fest­le­gun­gen wie in mei­ner „ande­ren Geschich­te“ von oben angreif­bar. So what?

Ich blei­be Rei­bungs­flä­che. Das macht nicht immer Spaß. In Bezug auf Erzie­hungs­fra­gen gibt es aber kei­nen ande­ren Weg für mich. Immer neue Beschrei­bun­gen und immer neue Begrif­fe von Sei­ten geis­tes­wis­sen­schaft­li­cher For­schung auf „Indus­trie­ge­sell­schafts­ni­veau“ und mit „Indus­trie­ge­sell­schafts­me­tho­dik“ nüt­zen mir dabei eher wenig.

In Deutsch auch einmal etwas Vor-schreiben

Auf einem Minit­weet­up mit Herrn Lar­big sind wir irgend­wie auf das Pro­blem gesto­ßen, dass es z.B. in Mathe­ma­tik oder Che­mie üblich ist, Auf­ga­ben oder Übun­gen durch die Lehr­kraft vor­zu­rech­nen, um z.B. bei­spiel­haft einen Lösungs­weg zu zei­gen, der dann bei ana­lo­gen Auf­ga­ben als Leit­fa­den die­nen kann.

Im Fach Deutsch wer­den von SuS oft durch­struk­tu­rier­te Tex­te ver­langt. Im Ide­al­fall übt man an vor­ge­ge­ben Text­bei­spie­len aus dem Lehr­buch – neu­er­dings auch mit Über­ar­bei­tungs­auf­ga­ben, d.h. der schlaue Lehr­buch­au­tor hat im Qua­li­täts­me­di­um Schul­buch extra ein paar Feh­ler­chen versteckt.

Wann aber schrei­ben Deutsch­lehr­kräf­te ein­fach ein­mal selbst einen Ana­ly­se­teil, eine Inhalts­an­ga­be oder eine Inter­pre­ta­ti­on und the­ma­ti­sie­ren ihren Text mit der Lerngruppe?

Häu­fi­ge Ausflüchte:

  1. Ich soll ja nichts ler­nen, son­dern die SuS!
  2. Ich mache mich doch vor der Lern­grup­pe nicht angreifbar!
  3. Das dau­ert doch viel zu lange!
  4. Dann kann man mich doch festnageln!
  5. (dann sehen die SuS doch auch mei­ne Unzulänglichkeiten …)

Ich habe mich heu­te getraut und mei­nen SuS etwas vor-geschrie­ben. Es han­del­te sich dabei um eine Ana­ly­se der Erzähl­hal­tung zum Roman­an­fang von „Bekennt­nis­se des Hoch­stap­lers Felix Krull“. Hier der Auszug:

Indem ich die Feder ergrei­fe, um in völ­li­ger Muße und Zurück­ge­zo­gen­heit- gesund übri­gens, wenn auch müde, sehr müde (so dass ich wohl nur in klei­nen Etap­pen und unter häu­fi­gem Aus­ru­hen wer­de vor­wärts schrei­ten kön­nen), indem ich mich also anschi­cke, mei­ne Geständ­nis­se in der sau­be­ren und gefäl­li­gen Hand­schrift, die mir eigen ist, dem gedul­di­gen Papier anzu­ver­trau­en, beschleicht mich das flüch­ti­ge Beden­ken, ob ich die­sem geis­ti­gen Unter­neh­men nach Vor­bil­dung und Schu­le denn auch gewach­sen bin. Allein, da alles, was ich mit­zu­tei­len habe, sich mei­nen eigens­ten und unmit­tel­bars­ten Erfah­run­gen, Irr­tü­mern und Lei­den­schaf­ten zusam­men­setzt und ich also mei­nen Stoff voll­kom­men beherr­sche, so könn­te jener Zwei­fel höchs­tens den mir zu Gebo­te ste­hen­den Takt und Anstand des Aus­drucks betref­fen, und in die­sen Din­gen geben regel­mä­ßi­ge und wohl been­de­te Stu­di­en nach mei­ner Mei­nung weit weni­ger den Aus­schlag, als natür­li­che Bega­bung und eine gute Kin­der­stu­be. An die­ser hat es mir nicht gefehlt, denn ich stam­me aus fein­bür­ger­li­chem, wenn auch lie­der­li­chem Hau­se; meh­re­re Mona­te lang stan­den mei­ne Schwes­ter Olym­pia und ich unter der Obhut eines Fräu­leins aus Vevey, das dann frei­lich, da sich ein Ver­hält­nis weib­li­cher Riva­li­tät zwi­schen ihr und mei­ner Mut­ter – und zwar in Bezie­hung auf mei­nen Vater – gebil­det hat­te, das Feld räu­men musste; […]
Unse­re Vil­la gehör­te zu jenen anmu­ti­gen Her­ren­sit­zen, die, an sanf­te Abhän­ge gelehnt, den Blick über die Rhein­land­schaft beherr­schen. Der abfal­len­de Gar­ten war frei­ge­big mit Zwer­gen, Pizen und aller­lei täu­schend nach­ge­ahm­tem Getier aus Stein­gut geschmückt; […]
Dies war das Heim, wor­in ich an einem lau­en Regen­ta­ge des – einem Sonn­ta­ge übri­gens – gebo­ren wur­de, und von nun an geden­ke ich nicht mehr vor­zu­grei­fen, son­dern die Zeit­fol­ge sorg­fäl­tig zur Richt­schnur zu neh­men. Mei­ne Geburt ging, wenn ich recht unter­rich­tet bin, nur sehr lang­sam und nicht ohne künst­li­che Nach­hil­fe unse­res dama­li­gen Haus­arz­tes, Dok­tor Mecum, von­stat­ten, und zwar haupt­säch­lich des­halb, wenn ich jenes frü­he und frem­de Wesen als »ich« bezeich­nen darf – außer­or­dent­lich untä­tig und teil­nahms­los dabei ver­hielt, die Bemü­hun­gen mei­ner Mut­ter fast gar nicht unter­stütz­te und nicht den min­des­ten Eifer zeig­te, auf eine Welt zu gelan­gen, die ich spä­ter so instän­dig lie­ben sollte.

(aus: Tho­mas Mann, Bekennt­nis­se des Hoch­stap­lers Felix Krull. Der Memoi­ren ers­ter Teil, Frankfurt/M.: Fischer 1989, S.7–13, gekürzt)

Und hier mein Arbeits­blatt dazu:

Vor­schlag für einen Analysetext Funk­ti­on für die Ana­ly­se / Kommentare
Der vor­lie­gen­de kur­ze Aus­zug aus dem Roman „Bekenntnisse des Hoch­stap­lers Felix Krull“, geschrie­ben von Tho­mas Mann, wird durch die Ich-Per­spek­ti­ve geprägt.
Der fik­ti­ve Ich-Erzäh­ler gestal­tet stel­len­wei­se den zeit­li­chen Auf­bau der Hand­lung, z.B. wenn er sich selbst zur Räson ruft „nicht mehr vorzugereifen“ (Z.21). Er kon­sta­tiert, sich bei sei­ner eige­nen Geburt „untätig und teilnahmslos“ (Z.25) ver­hal­ten zu haben. Sich erzäh­le­risch noch in der Ver­gan­gen­heit befin­dend, beschreibt er in eine Welt zu gelan­gen, die er „später so innig lie­ben sollte“ (Z.27).
Gene­rell ver­fügt der Ich-Erzäh­ler über detail­lier­tes Wis­sen zu sei­ner Umwelt (Z.17 ff.) oder den sozia­len Bezie­hun­gen inner­halb sei­ner Fami­lie (Z.14 ff.).
Auch wenn es Text­stel­len gibt, in denen der Erzäh­ler sehr auf die eige­ne Per­son zurück­ge­wor­fen ist (Z.2 ff.) über­wie­gen den­noch die Pha­sen, in denen er aktiv Ein­fluss auf das Gesche­hen nimmt und den Ablauf der Hand­lung beein­flusst. Sei­ne Wert­ur­tei­le sind geeig­net, die Wahr­neh­mung des Lesers zu lenken.
Klas­sisch han­delt es sich dabei um Ele­men­te einer aukt­oria­len Erzähl­wei­se. Der Ich-Erzäh­ler weist in sei­nem Han­deln über sich als Per­son hin­aus und erweckt ledig­lich die Fik­ti­on des per­so­na­len Erzählens.
Die­ses im gewis­sen Maß mani­pu­la­ti­ve Vor­ge­hen des aukt­oria­len Ich-Erzäh­lers lässt sich dem Ver­hal­ten  eines Hoch­stap­lers zuschrei­ben. Dies wäre durch eine wei­te­re Ana­ly­se des Tex­tes zu prüfen.

Es kam natür­lich die ein oder ande­re kri­ti­sche Äuße­rung, aber es war ins­ge­samt eigent­lich gar nicht so schlimm. Die Ergeb­nis­se haben wir kurz aus­ge­wer­tet, um dann ein­mal zu ver­su­chen, mei­ne Ver­si­on als Scha­blo­ne auf einen ande­ren Romanau­schnitt zu legen. Die­ser wies einen eher per­so­nal gepräg­ten Ich-Erzäh­ler auf.

Als drit­te Stu­fe (Haus­auf­ga­be) gab es einen Input zu den Begrif­fen Erzähl­zeit und erzähl­te Zeit. Unter die­sen Aspek­ten soll nun wie­der­um einer der bei­den Roman­aus­schnit­te ana­ly­siert werden.

Ich habe auch schon ein­mal eine Kurz­ge­schich­te selbst ver­fasst und als Klas­sen­ar­beits­text gege­ben, kam mir dabei aber irgend­wie blöd vor. Eigent­lich ver­wun­der­lich: Immer­hin tren­nen mich nur vier Wochen und eine gepimp­te Staats­examens­ar­beit vom dama­li­gen Magis­ter – da soll­te man doch wohl schrei­ben können …

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