RAMBO (Riecken Arbeitet Mit Blogs Online) – Folge 3
Zwei verschiedene Dinge gibt es in dieser neuen Ausgabe meiner kleinen Serie zu berichten. Zum einen geht um eine Einheit rund um die Interpretation von Gedichten, zum anderen um eine Reflektion der Komentarkultur von SuS in meinen Klassenblogs.
Interpretieren in Blogs
Das Blöde an Interpretationsaufsätzen ist, dass sie recht lang sind und man meist sehr lange vor einem Text sitzt, wenn man alleine ist. Als eine von vielen Vorübungen sollten die SuS eine in ihren Auge zentrale Beobachtung an einem Gedicht als Mikroteil eines Interpretationsaufsatzes im Klassenblog ausformulieren. Heraus kam bei der Beschäftigung mit Rilkes Gedicht „Das Karussell“ z.B. so etwas:
„Innerhalb des Gedichtes nimmt die Anzahl, der dort vorhandenen „Und´s“ zu . Sie sollen die „Drehbewegung“ des Karussells sprachlich wiedergeben. Durch die „Und´s“ werden Fakten und Aussagen aneinandergereiht und es entstehen Satzreihen, die zum Ende des Gedichtes zunehmen. Sie sollen die langsam zunehmende Geschwindigkeit des Karussells inhaltlich darstellen, wobei auf abwechslungsreiche Konjunktionen verzichtet wird, um einen Lesefluss hervorzubringen, der ohne Pausen abgearbeitet werden kann. Da am Anfang weniger „Und´s“ verwendet werden als am Ende, ist dort die Geschwindigkeitszunahme zu erkennen, die auch zusätzlich durch Enjambements (Verknüpfung mit der formalen Analyse) unterstrichen wird. Alles in allem ist so sprachlich die „Drebewegung“ zu erläutern, wobei die Vielfalt der Konjunktionen gegen den unendlichen Lesefluss ausgetauscht wird.“
Klar lässt sich zur Orthografie und teilweise auch zur Sprache noch einiges sagen, aber die Ideen des Schülers finde ich sehr bemerkenswert, zumal er sie alleine entwickelt hat. Diese Ideen sind es oft, die einen Text aufschließen, verstehbar bzw. in einem anderen Licht sichtbar machen und Ideen sind es auch ganz oft, die dem Einzelnen fehlen.
Beim Hören dieses Textes in der Stunde – ich habe klassisch vorlesen lassen und erst danach den Schüler um ein Umtragen ins Blog gebeten – kam mir wiederum eine Idee, jedoch eine methodische. Unter der Woche sollte ein kompletter Interpretationsaufsatz erstellt werden und ich wollte die SuS dabei möglichst entlasten, weil es ja auch darum geht, einen geschlossenen, umfangreicheren Text zu konzipieren und nicht darum, die gesamte Kraft und Motivation für die Ideensuche zu verballern.
Stufe 1:
In einer Hausaufgabe auf den nächsten Tag eine Interpretationshypothese zu einem bisher unbekannten Text ersinnen.
Stufe 2:
An diesem Tag zu zweit vor dem Rechner im Blog eine Hypothese auswählen und gemeinsam zwei Belege dazu ausformulieren (inhaltlich, sprachlich oder formal). Zur Formulierung habe ich auf den Text oben verwiesen, damit die SuS eine „Folie“ hatten.
Stufe 3:
Zu Hause im Blog der Klasse „wildern“ gehen und aus de ganzen Ideen und Belegen innerhalb von zwei Tagen den eigenen Interpretationsaufsatz zusammenbauen – Ziel ist schließlich die Konzeption eines längeren, geschlossenen Textes.
So kann keiner sagen, er habe den Text nicht verstanden oder keine Idee gehabt und zusätzlich tritt eine inhaltliche Entlastung ein, die hoffentlich der Konzeption des Gesamttextes (natürlich im Blog) zu Gute kommt – morgen werde ich es sehen. Schon heute kommentieren die SuS gegenseitig ihre Hausaufgaben unaufgefordert – immer diese Eigendynamik…
Kommentarkultur
Eine Schülerarbeit – und sei sie auch noch so am Thema vorbei – kommentiert meine 8. Klasse immer so oder so ähnlich:
Schon ganz gut. Aber mit der Rechtschreibung kannst du dir mehr Mühe geben.
Eine Schülerarbeit, die Eindruck schindet, weil sie durchdacht und umfangreich ist, bekommt oft ein solches Feedback:
Durch die Wiederholungen am Anfang kommt das Gefühl der Wut gut heraus. Jedoch übertreibst du es am Schluss, wenn du auch dort wieder und wieder das Gleiche schreibst, z.B. in dem Satz …
Ich habe heute mit den SuS darüber reflektiert, was in „ihrem Code“ die Einleitung „Schon ganz gut“ eigentlich bedeutet.
Sie sagten mir außerdem, dass es bei nicht gelungenen Texten gar keinen Spaß macht, zu hochgestochen zu kommentieren, weil man dann ja nie fertig wird und schon das Lesen des Textes keine rechte Freude bringt. Dann wolle man wenigstens etwas Nettes zu Anfang schreiben. Gut, dass es mir bei der Korrektur solcher Texte am häuslichen Schreibtisch immer grundlegend anders geht :o)…
Spannend finde ich, dass anscheinend die Qualität eines Textes auch auf die Qualität der Kommentare ausstrahlt – dabei wäre s doch gerade bei suboptimalen Texten geboten, differenzierter Rückmeldung zu geben: Sonst werden die Leistungsstarken ja immer leistungsstärker und die Leistungsschwachen immer leistungsschwächer…
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