Klassische Fehler bei der Medienausstattung von Schulen
1. Fixierung auf Endgeräte vor der Schaffung von Infrastruktur
Rechner, Notebooks, interaktive Tafelsysteme und Tablets sehen schick aus, sind im wahrsten Sinne des Wortes „begreifbar“ und zudem repräsentativ nach außen. Keines dieser Geräte lässt sich mittlerweile sinnvoll nutzen ohne ein stabiles Netzwerk und eine vernünftige Anbindung desselben an das Internet.
Ohnehin stattfindende bauliche Maßnahmen an Schulen werden oft nicht hinreichend dazu genutzt, Infrastruktur gezielt aufzubauen (Verlegung von Netzwerkkabeln in neu erstellten Decken, Umbau der Elektrik oder Heizungs- sowie Sanitärinstallationen etc.)
2. Mobile Lösungen für Präsentationen
Medienwagen mit Beamer, Notebook und Lautsprechern sind flexibel einsetzbar. Prüft man die Betriebszeiten von Beamerlampen auf diesen Wagen, stellt sich oft Ernüchterung ein: Aus verschiedenen Gründen werden diese recht teuren Geräte wesentlich weniger genutzt als fest installierte Systeme z.B. Deckenbeamer mit fest installierten Rechner.
3. Räumlich unsinnige Installationen von Präsentationssystemen im Klassenraum
Das Endgerät, welches den Beamer oder die interaktive Tafel steuert, muss entweder so ausgerichtet sein, das die Lehrkraft bei der Bedienung zur Lehrgruppe hinschaut oder es muss eine mobile Präsentation vom Platz des Schülers / Lehrers aus möglich sein.
4. Technische Überdimensionierung von PC-Arbeitsplätzen
Im klassischen PC-Raum werden i.d.R. Office- oder Internetanwendungen genutzt. Dafür sind PC-Systeme wie sie in Firmen zum Einsatz kommen schlicht überdimensoniert und verbrauchen darüberhinaus unnötig viel Energie.
Für die Medienproduktion – z.B. Filmschnitt – sind diese Geräte dann wieder viel zu leistungsschwach.
Ein PC-Arbeitsplatz muss in sich der Ausstattung an der tatsächlich zu erwartenden Nutzung orientieren.
5. Verzicht auf Softwaredeploymentlösungen (zugunsten von z.B. Wächterkarten)
Jedes System, welches bei der Installation einer Anwendung voraussetzt, dass sich ein Servicetechniker vor jeden einzelnen PC für die notwendigen Arbeiten setzt, ist nicht mehr zeitgemäß. Software lässt sich heutzutage servergesteuert verteilen. Selbst die Betriebssysteminstallation läuft vollautomatisch ab. Der Schutz des jeweiligen Arbeitsplatzes vor Manipulationen durch SuS kann z.B. verlässlich durch entsprechende Profileinstellungen erfolgen.
6. Fehlende Skalierungsplanung
Es ist eine Sache, in einem Klassenraum mit Funkübertragungsprotokollen wie AirPlay, MiraCast etc. und mit z.B. einem Klassensatz Tablets zu arbeiten. Es ist eine andere Sache, das mit einer ganzen Schule in allen Räumen zu tun. Die dazu nötigen Netzwerkkomponenten und deren Konfiguration stehen in einem diametralen Gegensatz zu den vermeintlich technisch trivialen Erlebnissen, wie sie insbesondere die Applewelt vermittelt. Die Ausstattung muss unter der Annahme beschafft und konzipiert werden, dass das irgendwann „jeder an der Schuler“ macht.
7. Fehlendes Fortbildungskonzept für die Lehrkräfte
Im Idealfall werden die vom Schulträger beschafften Geräte oft und gern benutzt. Nur ein kompetenter, lernbereiter Anwender ist dazu in der Lage und nutzt die Möglichkeiten dieser teuren und meist wartungsaufwändigen Investition.
Schulen mit einem durchdachten IT-Fortbildungs- und Medienkonzept sind bei der Ausstattung vorrangig zu behandeln.
Ein schulübergreifendes Fortbildungskonzept wird durch eine einheitliche Ausstattung erheblich vereinfacht.
8. „Schmoren im eigenen Saft“
Es gibt in der unmittelbaren Region viele Schulen, die mit neuen Medien und Schulserverlösungen ausgestattet sind. Diese verfügen über konkrete Erfahrungswerte aus methodisch-didaktischen Kontexten.
Die Besichtigung anderer Schulen und das Gespräch mit den dort unterrichtenden Lehrkräften sind wichtig, um als Schule oder Schulträger eine differenzierte Meinung zu erhalten und diese gegenüber Firmen vertreten bzw. überhaupt verbalisieren zu können.
Lieber Maik Riecken,
grundsätzlich würde ich Ihnen absolut zustimmen in den genannten Punkten.
Zu Punkt 5 habe ich aber eine wichtige Ergänzung bzw. Korrektur:
Auch „Wächterkarten“ bzw. entsprechende Software (z.B. Drive von Dr. Kaiser) bieten mittlerweile die Möglichkeit des „Softwaredeployment“: http://www.dr-kaiser.de/dks-install.0.html
Schöne Grüße
Chris
Ja. Der Admin muss dabei aber aktiv eingreifen, die Karten müssen eingebaut und konfiguriert werden und das grundsätzliche Problem bleibt, dass die Karten den Client auf einem veralteten Patchlevel einfrieren. Zudem gibt es dafür schon wesentlich flexiblere Softwarelösungen, die z.B. bei einenm Diff per Multicast selbstheilende Images verteilen.
Das ist alles gut für den Client aber u.U. Gift für das Netzwerk, zumal die neuartigen Viren speicherpersistent und nicht mehr an ein HDD gebunden sind – klar, nach dem Neustart sind die dann wieder weg, aber in 1–2 Stunden kann man schon eine Menge anstellen.
Deswegen rate ich von solchen Lösungen ab. Es ist zwar für ein noch nicht zentral gepflegtes Netz erstmal eine unglaubliche Bereicherung, aber eben nach meiner Auffassung nicht das Optimum des heute Machbaren und damit für mich nicht hinreichend zukunftssicher, schon alleine wegen der sich ständig ändernden Hardware-Schnittstellen – ganz zu schweigen von der Bindung an die Windowswelt, wenn man die von Ihnen beschriebene Funktion nutzen möchte.
Lieber Maik Riecken,
Ihren Blogeintrag habe ich mit Freude gelesen! Gerade Punkt 3 wird bei vielen Klassenzimmerlösungen übersehen. In manche „Medienschränke“ muss die Lehrkraft geradezu hineinklettern, um sie anständig zu bedienen. Ein didaktisch sinnvoller Medieneinsatz (Unterricht) ist somit kaum möglich.
Ein von Ihnen nicht erwähnter Punkt ist die „Geschlossenheit“ der meisten gängigen Systeme. Schüler haben im Prinzip nie die Möglichkeit ihr Gerät anzuschließen und auch Lehrer – die erfreulicherweise immer technikaffiner werden – verlangen nach einer Lösung, die das Anschließen ihrer Privatgeräte ermöglicht. (Stichwort: BYOD)
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Beste multimediale Grüße.
Christian