Leistungsfeedback in der Oberstufe
Ich nutze in meinem diesjährigen Deutschkurs ein Blog, um Texte, die im Unterricht entstehen (mittlerweile mit BYOD in einem eigenen Netz, das aber ins Internet geroutet ist) oder aber auch längere Hausaufgaben zu sammeln. Teilweise organisiere ich Wahrnehmung dadurch, dass ich die SuS gegenseitig ihre Arbeit kommentieren lasse – natürlich haben wir dazu im Kurs vorher Kriterien festgelegt. Das erleichtert mir die Vergabe von mündlichen Noten, da ich z.B. solche Rückmeldungen geben kann:
- deine Kommentare sind durchdacht und hilfreich
- deine Hausaufgaben sind exzellent und gleichen deine geringere Beteiligung im Unterricht aus
- du entwickelst dich im Schreiben dergestalt, dass du …
- usw.
Dazu rufe ich einfach alle Texte eines Schülers auf, indem ich nach dem jeweiligen Autor im Blog selektiere – praktischerweise werden dort auch die Anzahlen der verfassten Artikel angezeigt. Ich hüte mich davor, Aufgaben, die im Blog erledigt wurden, in irgendeiner Form negativ zu werten. Da gehe ich nach wie vor über die Unterrichtsbeteiligung. Zusätzlich experimentiere ich mit Ordnungsmerkmalen wie Tags herum, die die SuS selbst für ihre Texte vergeben sollen.
Hand in Hand damit habe ich mir ein strukturierteres Verfahren für Rückmeldungen zu Klausuren überlegt. Meine „Gutachten“ sehen jetzt ungefähr so aus:
Was dir gelungen ist:
du erfasst den Inhalt des Dramenauszuges weitgehend korrekt
du holst den Leser mit einer allgemeinen Einleitung ab, die du am Schluss nachvollziehbar wieder aufnimmst
du teilst den Text in sinnvolle inhaltliche Abschnitte ein
du verbindest in der sprachlichen Analyse Inhalt und Form
du wendest Elemente von Lessings Dramentheorie auf den Text an
Was dir misslungen ist:
der inhaltsüberschauende Satz ist nicht korrekt
die Inhaltsangabe gerät viel zu textnah
die Funktion der Sinnabschnitte wird unzureichend und sehr textnah beschrieben
Inhalt und Form sind in der sprachlichen Analyse nicht verbunden
die Sicht des Vaters auf Emilia in der Rolle als Frau ist nicht erfasst
Tipps für die Verbesserung deines Schreibstils:
du könntest genauer darauf eingehen, was Aufklärung eigentlich bedeutet. Ausgehend von dieser Beschreibung kannst du dann noch zielsicherer argumentieren.
- vermeide „und“ als gedankliche Verknüpfung (vgl. Randbemerkungen)
Ich verfasse das Positive in der persönlichen und das Negative in der unpersönlichen Form – das ist eher ein Bauchgefühl als vollends durchdacht, zumal man dann die Zwischenüberschrift auch noch ändern sollte. Ich möchte die Tipps dazu verwenden, um in der nächsten Klausur zu schauen, ob Teile davon umgesetzt oder verändert worden sind.
Ich habe schon ein paar Anläufe in dieser Richtung (Blog im Unterricht) unternommen, bin aber leider bisher immer auf die folgenden Probleme gestoßen:
1. Mind. ein oder zwei Schüler besitzen keinen PC/Internetzugang (auch in der Oberstufe!)
2. Schüler die einen PC/Internet besitzen haben im Durchschnitt 2 Mal pro Halbjahr das Problem, dass ihr PC/Internet defekt ist oder dass sie verreist waren und dort keine PCs mit Internetzugang zur Verfügung standen oder dass der PC virenverseucht unter Quarantäne steht usw.
3. Software/Browser/Java(-Script)/Blog-Software auf dem heimischen PC funktionieren nicht.
4. Schüler ohne Grund (d.h. Faulheit/Desinteresse) die Arbeit in dem Medium ignorieren und auch nicht dazu ‚gezwungen‘ werden können.
Sind nur meine Schüler so? Gibt es Möglichkeiten diesen Problemen wirksam zu begegnen? Auf meine Schulleitung kann ich nicht zählen – sie möchte Eltern nicht verschrecken, indem sie die Arbeit und Kommunikation mittels PC obligatorisch macht. Und selbst wenn ich zu Beginn des Kurses die Arbeitsweise erkläre und mir das Einverständnis aller Schüler/Eltern einhole, stehe ich dennoch machtlos den Begründungen/Ausreden 2–4 gegenüber…
Zu 1.)
In der Oberstufe besitzen alle ein Handy. Die Apps für WordPress sind zwar nicht gut – um einen Artikel einzureichen langt es aber allemal. Im Unterricht teile ich dann noch mobile Geräte für diejenigen aus, die sowas nicht haben. Wir haben sowohl Nexus7-Tablets als auch die gebraucht beschaffte X6xs-Serie von IBM (saugünstig, saustabil, etwas zu geringe Auflösung).
Zu 2.+3.)
Das ist doch nichts Ungewöhnliches – ich kenne das eher von Facharbeiten. Da betrifft es aber eher den Drucker. Wer es nicht im Blog machen konnte, legt eben Papier auf den Tisch und wird genauso wie jeder andere behandelt.
Zu 4.)
Niemand wird gezwungen. Jeder darf mir auch ein Heft abgeben oder in der Lesekonferenz ein solches herumreichen, während die anderen Kommentare ins Handy tippen. Dieser Methodenmischmasch hat auch etwas. Als Lehrer hätte man es gerne verbindlich und einheitlich – geht hier aber nicht.
Da ich die Dinge im Blog nur positiv werte, klappt das eigentlich nach einer gewissen Zeit ganz gut. Ich lasse auch zu, dass das Blog irgendwann eine eigene Dynamik entwickelt. „Vorschreiben“ und „obligatorisch“ machen würde ich da eher nichts.
Zudem sind die Blogs grundsätzlich durch ein Passwort geschützt und die Nutzer pseudonymisiert, damit keine personenbezogenen Daten entstehen. Demnächst kommt SSL dazu, da ich endlich das mit dem SNI in den Griff gekriegt habe.
Ja, O.K., auf den „Methodenmischmasch“ lief es bei mir dann hinaus. Es ist nur schade, dass man sich relativ viel Mühe mit der Schaffung elektronischer, kollaborativer Möglichkeiten macht, dann aber doch alles für die ‚Verweigerer‘ irgendwie wieder ‚herunterbrechen‘ muss.
Das mit den positiven Rückmeldungen über das Blog ist aber ein guter Hinweis, um die Arbeitsströme der Schüler doch eher in den Blog zu leiten. Das werde ich mal versuchen. Danke!
SuS haben m.E. ein sehr feines Gespür dafür, wann sie in einem stärkeren Maße als sonst schon überwachbar „aktiviert“ sind.
Ich führe auch darauf die große Zurückhaltung bei der Nutzung schulischer(!) digitaler Angebote zurück. Das ist etwas Intuitives.
Ich glaube nicht, dass von der Sache an sich nicht auch irgendwie fasziniert wären – aber sie müssen erst den Vorteil für sich selbst verstehen – Schule „erzieht“ prinzipbedingt eher zum Misstrauen.
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