Berichtigungen
Ich habe sie als Schüler gehasst, abgrundtief gehasst. Mit dem Verfassen und der Abgabe der Klassenarbeit war das Ding eigentlich für mich gelaufen. Ich wollte nicht noch einmal mit meinen Fehlern konfrontiert werden. Oft hatte ich zudem nicht verstanden, was der Lehrer mit seinem Fehlerzeichen überhaupt meinte. Besonders hoch im Kurs der Fragezeichen waren immer Anstreichungen wie „A/W“ – O‑Ton einer meiner Kolleginnen heute: „Das passt immer!“. Recht hat sie.
Ich hasse heute Berichtigungen immer noch und ich fordere sie nicht mehr ein – zumindest nicht in der klassischen Form. Berichtigungen sollen ja eigentlich dafür sorgen, dass sich SuS noch einmal intensiv mit Fehlerschwerpunkten auseinandersetzen und diese dann gezielt bearbeiten – quasi sowas wie Binnendifferenzierung. Problematisch finde ich daran, dass man dabei immer Distanz zu seine eigenen Text aufbauen muss. Ob das klappt, wenn das während der Arbeit selbst schon nicht gelungen ist? Bietet ein rot und grün gemalter Text von sich aus eine Distanz? Was macht das arme Würstchen, welches 15 Fehler zu berichtigen hat, während die 1er-Kandidatin dann keine Hausaufgaben erledigen muss?
Hier kommen meine Alternativen.
1. Entpersonalisierung (Diktate)
Das klappt nur bei Diktaten und ist hier beschrieben.
2. Fehlerschwerpunkte
Ich streiche alles ein, umkreise bei jedem jedoch 3–5 Fehler – auch bei den Einsern – da meist aber stilistische oder sprachliche Äuffälligkeiten. Dabei achte ich darauf, nur einen Fehleraspekt zu betonen, den ich dann auch noch explizit im beigefügten Gutachten erwähne – etwas das/dass oder den Gebrauch unterschiedlicher Konjunktionen. So hat jeder etwas zu tun und es muss nicht einer mehr arbeiten als der andere.
3. Peer-Review
Jeder liest sich seinen Aufsatz bzw. seine Klassenarbeit noch einmal durch und markiert drei Anstreichungen mit Bleistift, die er nicht versteht. Dann wird in Tischgruppen das Heft getauscht. Der Partner versucht nun zu verstehen, was ich mit der Anstreichung gemeint habe und erklärt es im Abschluss dem Verfasser. Auch jetzt noch unklare Anstreichungen werden im Plenum besprochen. Ich versuche dabei zu nutzen, dass SuS sehr wohl Texte hinsichtlich ihrer Qualität beurteilen können – bloß nicht ihre eigenen, weil ihnen dazu die Distanz fehlt – das kennen wir Lehrer auch, wenn wir nach dem dritten Durchlesen immer noch ein Arbeitsblatt mit Typos kopieren.
Beim Peer-Review kommt für mich noch ein Lernprozess hinzu. Durch die direkte Rückmeldung lerne ich, wie ich besser kommentieren und anstreichen muss. Durch „mitgelauschte“ Erklärungen aus den Tischgruppen bekomme ich Ideen, wie ich dieses oder jenes auch noch erklären kann, auf die ich alleine nie gekommen wäre.
Die dritte Idee finde ich gut, das werde ich sicher auch versuchen. In meinen Notebookklassen bekomme ich die Aufgaben digital und verwende zur Korrektur „Markin“. Dort kann man eigene Sets definieren, die einen Fehler genauer beschreiben. Wenn ein Schüler also das und dass nicht auseinanderhält, klicke ich den entsprechenden Eintrag an und der Schüler bekommt eine viel genauere Beschreibung des Fehlers als „R“.
Markin summiert am Ende die Fehler, so dass der Schüler recht klar sehen kann, wo genau Fehlerschwerpunkte liegen. Die folgende Übungsphase bezieht sich dann nur auf den Schwerpunkt.
Dem stimme ich vorbehaltlos zu – auch (oder gerade) im Fach Mathematik.
Diejenigen, die das alte Thema nicht verstanden haben, werden es auch durch die Berichtigung nicht verstehen (weil sie diese nur vom Nachbarn abschreiben) und es geht ihnen nicht besser, wenn sie noch tagelang über ihrer „5“ brüten müssen. Jene hingegen, die das Thema verstanden haben, sollten sich nicht mit Rechenfehlern etc. auseinandersetzen – sie haben es ja verstanden und ob man sich irgendwo mal verrechnet hat, ändert nichts daran.
Die SuS sind mit dem Kopf (endlich) beim nächsten Thema und dürfen sich bei mir auch voll und ganz darauf konzentrieren. Ich neige dazu, Gespräche zu führen – Woran lags? Was kann man ändern? Was brauchst du?