Barcamp vor 20 Jahren
Das Barcamp als Unkonferenz kenne ich vom Prinzip her seit über 20 Jahren – das klingt vermessen. Die Struktur war auf unseren damaligen Zeltfreizeiten ein sehr fester Bestandteil. Die „Sessions“ hießen dort bloß „Interessengruppen“. Man traf sich mit einem Teilnehmenden und Mitarbeitern in einem großen Kreis und setzte sich auf den Rasen. Danach konnte jeder eine Interessensgruppe vorstellen – Teilnehmende und Mitarbeitende gleichermaßen. Einige Vorstellungen gelangen, einige nicht. Zum Gelingen war es gut:
- deutlich und mit Präsenz zu sprechen
- etwas dabeizuhaben, was man produzieren wollte
- eine Beziehung zwischen der intendierten Tätigkeit und dem Publikum herzustellen
Jeder „Sessionleiter“ bestimmte einen Ort als Treffpunkt (das ist unter freiem Himmel auf einem großen Zeltplatz auch ohne Sessionplan möglich) und dorthin kamen dann Interessierte oder auch nicht. Es gab Interessengruppen, in denen musiziert, in denen gewerkt (Silberdrahtbastelarbeiten bis Lochkamera), gespielt, vorgelesen oder diskutiert wurde. Wem es während der Session zu langweilig wurde, setzte sich ab oder ging zu einer anderen. Die Produkte der Session flossen nach und nach ins Freizeitleben ein (z.B. Gesangsvorträge am Lagerfeuer), waren an den Teilnehmenden selbst zu sehen (Schminksession), wurden ausgestellt oder, oder, oder… Wir hatten keine Kommunikationstechnik. Aber es gab die ersten PCs mit Comic Sans als Schrift (für die Freizeitzeitungsredaktion). Thematisch stand unser Barcamp nicht unter einem Oberbegriff. Aber es gab erfassbare Produkte aus jeder Session.
Mir wird heute bewusst, dass wir dort Bildungsarbeit geleistet haben, die ihrer Zeit aus heutigem Blickwinkel um zwei Jahrzehnte voraus war. Disziplinprobleme? Nunja – gab es. Aber auch genug Menschen, die sich dann eben einen Tag Zeit nehmen konnten: Auf vier Teilnehmer kam ein Mitarbeitender. Sehr viele Kinder fuhren auf Kosten des Sozialamtes mit. Wer das war, wusste keiner, weil es irrelevant war. Vielleicht ist alles viel einfacher als wir denken: Einfach mehr Zeltfreizeit an die Schulen bringen.
PS:
Wir sagten irgendwann nicht mehr „Zeltlager“, „Kinderlager“ und „Jugendlager“. Das lag an unseren Besuchen in Auschwitz/Birkenau und war in unserer Mitarbeitergruppe heftig umstritten. Leute, die das umgesetzt haben wollten, hießen spöttisch „Schwebis“.
Auch heute ist das noch Bestandteil jeder echten „Ferienfahrt“ (mittlerweile der neue Begriff), wie man unter http://www.grik.de/k158-Neigungsgruppen-Workshops.html eindrucksvoll sehen kann. Und auch die zur Verfügung stehenden Themen und Möglichkeiten haben in den letzten Jahren zugenommen.