E.T.A. Hoffmann – Der Sandmann
Endlich einmal wieder etwas aus dem Unterricht – beginnend mit einem Textauszug:
Er stellte sich und Klara dar, in treuer Liebe verbunden, aber dann und wann war es, als griffe eine schwarze Faust in ihr Leben und risse irgendeine Freude heraus, die ihnen aufgegangen. Endlich, als sie schon am Traualtar stehen, erscheint der entsetzliche Coppelius und berührt Klaras holde Augen; die springen in Nathanaels Brust, wie blutige Funken sengend und brennend, Coppelius faßt ihn und wirft ihn in einen flammenden Feuerkreis, der sich dreht mit der Schnelligkeit des Sturmes und ihn sausend und brausend fortreißt. Es ist ein Tosen, als wenn der Orkan grimmig hineinpeitscht in die schäumenden Meereswellen, die sich wie schwarze, weißhauptige Riesen emporbäumen in wütendem Kampfe. Aber durch dies wilde Tosen hört er Klaras Stimme: „Kannst du mich denn nicht erschauen? Coppelius hat dich getäuscht, das waren ja nicht meine Augen, die so in deiner Brust brannten, das waren ja glühende Tropfen deines eignen Herzbluts – ich habe ja meine Augen, sieh mich doch nur an!“ – Nathanael denkt: Das ist Klara, und ich bin ihr eigen ewiglich. – Da ist es, als faßt der Gedanke gewaltig in den Feuerkreis hinein, daß er stehen bleibt, und im schwarzen Abgrund verrauscht dumpf das Getöse. Nathanael blickt in Klaras Augen; aber es ist der Tod, der mit Klaras Augen ihn freundlich anschaut.
aus: E.T.A. Hoffmann „Der Sandmann“
Aufgabe:
Verfassen Sie den Anfang des Gedichtes, welches hier in Prosa umschrieben wird. Gestalten Sie ihn so, dass Klara keine andere Wahl hat, als das Werk zu vernichten, so wie sie es auch mit Nathanaels Werk im weiteren Verlauf der Handlung tut.
Zwei Menschen voll treuer Liebe und erfüllter Lebensfreude
Getrennt durch einen Schatten der dunklen Tiefe.
Vor dem Altar, um sich ewig zu binden und in Liebe zu leben,
Der Bräutigam mitgerissen und verschleppt.
Wie ein Sturm reist das Böse ihn durch dunkle Gassen
Die Braut ihren Geliebten wieder ins Licht holt
Sacht ihm versucht die Augen zu öffnen.
Einen Moment vom Bösen entfernt
gerettet
wieder zurück ins Schwarze gezogen
trügen die Augen der Braut
Der Bräutigam auf ewig gefangen in den Zwängen des Schattens.
Es gab noch weitere Gedichte – jambische mit Kreuzreim, Texte mit Bildsprache, jedes für sich ein Lernanlass zu Gedichten. Dieses jedoch schien uns als Kurs passend zur Aufgabe. Die Verdichtung innerhalb der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit finde ich schon beachtlich. Und die Aufgabe schien den meisten aus dem Kurs Freude gebracht zu haben – und ein probates Mittel, um sich in einen Text zu verstiefen, ist es allemal.
Schöne Aufgabe, merke ich mir. Mir wäre aber auch als Schüler nur regelmäßiges Metrum ins Haus gekommen.
Das Problem hier in NDS: Wir machen lt. Kerncurricula nur noch „exemplarisch“ und „Steinbruch“. In der Mittelstufe kann man kompensieren, in der Oberstufe muss das Pensum geschafft werden. Dementsprechend hatten die SuS von romantischer Lyrik null Ahnung – weil wir in 11.1 Drama und „Der Sandmann“ machen müssen. Ob das passt? Lyrik kommt dann in 12.1. Nunja. Wenn Kommissionen tagen.
Meinen Sie der Sandmann sollte aus dem Kerkuriculum gestrichen werden?