Ideologischer Fundamentalismus

Die­ses Blog ist mit sei­ner The­men­viel­falt ver­hält­nis­mä­ßig breit auf­ge­stellt. In Teil­be­rei­chen spricht es SuS, LuL oder aber auch exter­ne, irgend­wie an Bil­dung inter­es­sier­te Men­schen an. Für mich sind vie­le Gedan­ken Aus­druck einer Suche, da ich nicht glau­be, dass irgend­je­mand im Bereich der Bil­dung Patent­re­zep­te prä­sen­tie­ren kann. Gleich­wohl kom­me ich über die­ses  immer wie­der mit Men­schen in Kon­takt, die in mei­nen Augen beden­kens­wert argumentieren.

Dazu ein Beispiel:

Ich habe hier zwei Arti­kel zum The­ma Treib­haus­ef­fekt ver­öf­fent­licht. Die­ses The­ma ist zur Zeit in der Wis­sen­schaft stark umstrit­ten – ins­be­son­de­re weil uns bis­her hin­läng­lich ver­läss­li­che Kli­ma­si­mu­la­ti­ons­pro­gram­me feh­len – es ist näm­lich sehr rechen­zeit­auf­wen­dig, „mal eben“ die gesam­te Atmo­sphä­re unse­res Pla­ne­ten zu model­lie­ren. Damit lie­gen uns bis­her ledig­lich star­ke Hin­wei­se vor, dass der Mensch die Erwär­mung der Atmo­sphä­re för­dert – einen letzt­lich unwi­der­leg­ba­ren Beweis gibt es nicht. Daher ist die Theo­rie gene­rell anfechtbar.

Und sie wird ange­foch­ten und zwar auf eine Art und Wei­se, die mich zu Zen­sur­maß­nah­men gezwun­gen haben. Die­se Art und Wei­se folgt einem bestimm­ten rhe­to­ri­schen Mus­ter, wel­ches in Kern­be­reich der Eris­ti­schen Dia­lek­tik Scho­pen­hau­ers folgt. Fol­gen­de Tak­ti­ken wer­den dabei oft und ger­ne angewendet:

1. Beweis durch einen ein­zi­gen Spezialfall

Der dar­ge­stell­te Ver­such zum Treib­haus­ef­fekt folgt dem Prin­zip der mas­si­ven didak­ti­schen Reduk­ti­on und ist damit wis­sen­schaft­lich leicht angreif­bar. Daher lei­te ich aus die­sem Ver­such kei­ne quan­ti­fi­zier­ba­ren, all­ge­mei­nen Aus­sa­gen ab, weil es ein Spe­zi­all­fall ist. 

Geg­ner behaup­ten aber, dass die­ser Ver­such wider­legt, dass es den Treib­haus­ef­fekt über­haupt gibt. Er sei poli­tisch erson­nen, um die Bevöl­ke­rung mit z.B. höhe­ren Steu­ern zu gei­ßeln. Die Behaup­tung des Geg­ners ist auf­grund der ins­ge­samt noch unkla­ren Daten­la­ge schwer anzugreifen.

2. Auto­ri­tä­ten statt Grün­de angeben

Es gibt in Deutsch­land einen Meter­eo­lo­gen, der öffent­lich die Exis­tenz des Treib­haus­ef­fek­tes anzwei­felt. Frei­lich bedient sich die­ser Meter­eo­lo­ge selbst der hier dar­ge­stell­ten rhe­to­ri­schen Kunst­grif­fe. Er wird sehr oft von Geg­nern der Theo­rie vom Treib­haus­ef­fekt zitiert, die sich eher ungern mit Absorp­ti­ons­spek­tren und ande­ren Din­gen aus­ein­an­der­set­zen mögen.

3. Behaup­tung als abso­lut nehmen

Ich for­mu­lie­re ger­ne in der Ich-Form, weil ich mich nicht als Nabel der Welt sehe. Geg­ner der Treib­haus­ef­fek­tes trans­for­mie­ren die­se in der Ich-Form getrof­fe­nen Aus­sa­gen grund­sätz­lich in das All­ge­mei­ne – wo sie natür­lich immer leich­ter angreif­bar sind. 

4. Ver­steck­te peti­tio principii

Dabei begrün­det man eine Hypo­the­se mit einer wei­te­ren, die eben­falls unbe­wie­sen ist und die man selbst oder ein ande­rer Mensch mit iden­ti­scher Ideo­lo­gie auf­ge­stellt hat. Dazu gehört für mich z.B.  auch der Hin­weis auf Auto­ri­tä­ten, „die mir passen“.

5. Das Gegen­teil dras­tisch darstellen

Ein Bei­spiel:

Erhö­he man die CO2-Kon­zen­tra­ti­on in der Luft um 0,01% auf 0,048% wür­de ich kei­nen mess­ba­ren Effekt erwarten.

Die Hypo­the­se, daß der anthro­po­gen ver­ur­sach­te Anstieg des CO2 den Kli­ma­wan­del ver­stärkt bzw. ver­ur­sacht, wäre damit widerlegt.

Das hal­te ich für schwie­rig, weil das Modell­ex­pe­ri­ment eben kei­ne rea­le Dar­stel­lung der Natur ist. Im Prin­zip wird hier gleich­zei­tig wie­der ein Beweis durch einen ein­zi­gen Spe­zi­al­fall geführt, aber zusätz­lich durch das Zah­len­bei­spiel für den Lesen­den dras­tisch über­trie­ben. Span­nend ist ja auch die Aus­sa­ge, dass der Ver­such die Exis­tenz des Treib­haus­ef­fek­tes zwar all­ge­mein wider­legt, aber natür­lich nicht all­ge­mein belegt.

6. Sach­li­che unsin­ni­ge, aber schein­bar sinn­vol­le Argu­men­te vorbringen

Das geschieht z.B. auch bei dem Zah­len­bei­spiel unter Punkt 5. Es wer­den zu vie­le Co-Fak­to­ren ein­fach aus­ge­blen­det, was zeigt, dass es nicht um eine sach­lich-abwä­gen­de Dar­stel­lung gehen soll.

7. Igno­rie­ren von Fak­ten, die mei­ne Aus­sa­gen widerlegen

Das ist sehr beliebt. Ich gehe als Geg­ner ein­fach nicht auf Fak­ten ein, die mir unan­ge­nehm sind und mich in die Enge trei­ben. Dadurch ver­mei­de ich es effekt­voll, dem Geg­ner auch nur in Tei­len Recht geben zu müs­sen und mich selbst angreif­bar zu machen. Gleich­zei­tig rei­ze ich in den Geg­ner auf die­se Wei­se und hole ihn aus der Reser­ve. Die Fra­ge ist, inwie­weit es dann um die Sache geht.

Und jetzt zum ideo­lo­gi­schen Fundamentalismus

Die­se Argu­men­ta­ti­ons­stra­te­gie kennt jeder von uns und Tei­len oder Gän­ze, das Inter­net hat sogar einen eige­nen Begriff für Men­schen kre­iert, die aus­schließ­lich in die­ser Wei­se argu­men­tie­ren: Trol­le. Ich fin­de das meist harm­los. Kri­tisch wird es für mich, wenn  sich bestimm­te poli­ti­sche Grup­pen sich genau die­ser Mit­tel bedie­nen, um ihre Ideen in das Netz ein­zu­spei­sen. Ins­be­son­de­re rhe­to­risch uner­fah­re­ne Per­sön­lich­kei­ten las­sen sich durch ein der­ar­ti­ges Auf­tre­ten sehr leicht blen­den und in den Bann zie­hen: Wel­cher Auto­fah­rer möch­te nicht ger­ne weni­ger Steu­ern zah­len und mit einem ruhi­gen Gewis­sen in sein Auto steigen?

Wenn es gehäuft soweit kommt, han­delt es sich in mei­nen Augen nicht mehr um ein Troll­ver­hal­ten, son­dern um ideo­lo­gi­schen Fun­da­men­ta­lis­mus. Den hal­te ich für sehr gefähr­lich, denn er nimmt nach mei­nen Beob­ach­tun­gen zu und immer mehr Grup­pen schei­nen ihn für sich zu entdecken.

Übri­gens…

Ideo­lo­gi­sche Fun­da­men­ta­lis­ten wer­fen ihrem Geg­ner – wenn gar nichts mehr hilft – oft vor, dass sie mit den glei­chen (unfai­ren rhe­to­ri­schen) Mit­teln ope­rie­ren, mit denen sich nichts bewei­sen lässt (das stimmt oft genug auch…).

Ja eben. Ein schö­nes Para­do­xon, gell?

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