Wann ist eine Vergleichsarbeit eine Vergleichsarbeit?
In zahlreichen Bundesländern sind mittlerweile Vergleichsarbeiten in bestimmten Jahrgängen obligatorisch – hier in Niedersachsen ist sogar eine zentrale Aufgabenstellung angedacht. Das kann wahrscheinlich dann ganz gut funktionieren, wenn die Schulen selbst entscheiden können, wie sie die Anforderungen einer Vergleichsarbeiten bewältigen wollen und nicht durch fachliche und methodische Vorgaben meist ideologisch eingefärbter Prägung der jeweiligen Kultuspolitik ausgesetzt sind.
Steigerung von Qualität hat zumindest für mich immer etwas mit stetig evaluierter Kontinuität zu tun. Deswegen träumen wir mal davon, dass die Ausgestaltung der Curriculums irgendwann Sache der Schule sein wird – seltsamerweise ist das in den bei PISA erfolgreichen Ländern meist der Fall. In Deutschland wird man darauf wahrscheinlich lange warten müssen – Kultuspolitik ist schließlich ein Konkurrenzprodukt und Ländersache.
Zurück zum bisherigen Alltag in NIedersachsen: Bisher müssen Vergleichsarbeiten geschrieben werden. Die Ausgestaltung erfolgt schulintern in den Fachschaften. Vergleichbar wird eine Arbeit für mich durch folgende Rahmenbedingungen:
- Die Arbeit wird von einer Lehrkraft gestellt, die nicht im jeweiligen Jahrgang unterrichtet.
- Die Arbeit rekurriert auf Kernkompetenzen eines Faches – im Fach Deutsch z.B. auf die Erschließung von Texten anhand einer Inhaltsangabe.
- Die Korrektur erfolgt in gemischten Klassensätzen, d.h. bei vier verglichenen Klassen erhält jeder Kollege 75% der zu korrigierenden Arbeiten aus anderen Klassen nach dem Zufallsprinzip – idealerweise sind die Arbeiten dabei anonymisiert, d.h. der Name ist irgendwie verschlüsselt.
- Die Arbeit wird am gleichen Tag unter den gleichen Bedingungen geschrieben – die Aufsicht des jeweiligen Fachlehrers ist nicht unbedingt vonnöten, da es ja um Kernkompetenzen geht.
- Die Arbeit wird auf ihre Stärken und Schwächen hin evaluiert.
- Die jeweilige Fachschaft setzt resultierende Konsequenzen intern um oder berät darüber.
Nur unter diesen Bedingungen würde für mich eine Vergleichsarbeit praktikabler und vergleichbarer Ernst. Für den Kollegen, der die Aufgabenvorschläge erstellt – nicht jeder wird sich dafür gleichermaßen eignen – entsteht dabei ein gewisser Mehraufwand, während sich in der eigentlichen Korrektur kaum eine zusätzliche Belastung ergeben wird. Immerhin muss der betreffende Kollege keine Arbeit entwerfen, sodass ein wenig Evaluation in Form eines Fragebogens zumutbar sein dürfte – vielleicht sogar mit eingeschränktem Fokus auf einen interessanten Aspekt.
Ich denke, dass sowas in dieser Form kaum Realisierungschancen hat. Viele von uns Lehrern haben oft ein sensibles Verhältnis zu Evaluation: MIsserfolge – die es auch bei phänomenal guten Kollegen geben wird, wenn sie an die „falsche Klasse“ geraten – gehen bei unserem Berufsstand wahrscheinlich oft und sehr stark auf die Lehrerseele sowie die Ehre. Niemand setzt sich gerne der Vermutung aus, schlecht zu unterrichten. Daran ist auch die Öffentlichkeit schuld, die Versagen vier zu oft allein der Lehrkraft zuschreibt.
Darum leidet durch eine derartige Durchführung wahrscheinlich zunächst das Schulklima empfindlich. Ich glaube aber, dass auf lange Sicht gerade die regionale Öffentlichkeit dieses Bemühen um einigermaßen objektivierbare Vergleichsarbeiten honorieren wird und dass darin eine Chance liegt zur echten Zusammenarbeit unter den Lehrkräften – letztendlch führt das allein mittelfristig zu immensen Entlastungen.
Träumen wir weiter…