Etwas läuft falsch, in meinem Land (Deutschland) und in der Welt. Die Meinungen spalten sich. Wenn ich mich politisch ausdrücken
Gastartikel: Politik (Freya Riecken)
Etwas läuft falsch, in meinem Land (Deutschland) und in der Welt. Die Meinungen spalten sich. Wenn ich mich politisch ausdrücken müsste, dann würde ich sagen, sie gehen nach links und rechts. Vielleicht sogar in die rechts- und linksextreme Richtung. Sie gehen in so verschiedene Richtungen, die Menschen haben so unterschiedliche Meinungen und eine so unterschiedliche Sicht auf die Welt.
„Als 16 Jährige Teenagerin weißt du noch nicht viel über die Welt und verstehst nicht genug, um so etwas zu sagen.““ – Keiner hat das wirklich jemals zu mir gesagt, aber ich bekomme immer und immer wieder das Gefühl, dass Menschen mich so betrachten. Das unsere Gesellschaft junge Menschen immer noch nicht ernst nimmt. Ich bin davon überzeugt, dass wir anfangen sollten es zu tun. Ja, ich bin 16, ich bin jung, aber ich bin alt genug, um zu verstehen, was in der Welt passiert, alt genug um die Probleme zu sehen, alt genug, damit das Thema mich beschäftigt und beeinflusst. Und es sind wir junge Menschen, die in späteren Welt leben müssen, die älter jetzt für uns entscheiden und deshalb ist es falsch, uns nicht ernst zu nehmen oder gar ganz zu ignorieren.
Man macht sich Sorgen über die Situation in der Welt. Der Krieg in der Ukraine und Israel, Trumps Politik und was für eine große Rolle Elon Musk auf einmal darin hat und natürlich die Politik in Deutschland.
Was bei all dem die größte Rolle spielt, ist das stetige Gefühl, dass Menschen vergessen, was Humanität, Menschenrechte und Gleichberechtigung sind. Das Menschen anfangen, unsere Geschichte zu vergessen, sie nicht ernst nehmen oder anscheinend nicht daraus gelernt haben. Musk, der einen Hitlergruß auf einer öffentlichen, großen und wichtigen Politischen Veranstaltung macht, Alice Weidel die weiterhin beharrt, Hitler wäre eigentlich ein Linker gewesen und andere Politiker in Deutschland, die nicht zu verstehen scheinen, wie wichtig es ist, unsere Geschichte nicht zu wiederholen, wenn sie Aussagen treffen, die etwas positives im Nationalsozialismus finden. Das Problem sind die Menschen, die diese Taten begehen und/oder diese Aussagen treffen, aber nicht nur sie: Jeder, der so ein Verhalten toleriert, es hinnimmt oder sogar immer noch diesen Menschen zustimmt, ist ein noch größeres Problem. Ein Problem für eine freie und demokratische Welt. Wenn Menschen anfangen, so etwas zu tolerieren, anstatt dem direkt entgegenzuwirken, dann wird es immer solche Menschen geben und sie werden gehört werden und weitere Menschen in ihre Richtung beeinflussen.
Und während schon so viel falsch läuft in unserer Welt, haben wir eine Neuwahl, deren Ergebnis einen Haufen neuer Unsicherheiten mit sich bringt.
Wie lange brauchen wir, um eine neue Koalition zu gründen? Wird sie uns endlich die Veränderung bringen, die wir alle wollen und brauchen? Wird sie mit den schweren politischen Entscheidungen umgehen können? Können sie überhaupt Lösungen zusammen finden? Und auch hier, wenn sie Lösungen finden, sind sie immer noch mit unseren Werten vereinbar? Wird uns diese neue Koalition eine Stabilität und das Gefühl von Sicherheit bringen? Und ja, das sind alles Fragen, die Menschen in meinem Alter beschäftigen. Wie wird es weitergehen mit den Problemen in der Welt und werden wir (Deutschland) sie lösen können.
Ich mache gerade ein Auslandsjahr in Finnland und kann dadurch selbstverständlich schlecht sagen, wie die Stimmung in Deutschland ist, was ich jedoch ganz genau sagen kann, was für eine Wichtigkeit die Wahl in Deutschland für ein Land wie Finnland hat. Sie verfolgen hier die Wahl in Deutschland genau, ihr Ausgang ist wichtig für sie und so viele andere Länder in der EU. Ich habe das Gefühl, dass die Wichtigkeit, die Deutschland hat für Europa und auch für die Politik in der Welt, oft untergeht. Wir sind schnell zu sehr mit uns selbst beschäftigt, als dass wir daran denken, was für eine Rolle wir wirklich spielen. Länder wie Finnland sind auf unsere Hilfe angewiesen, gerade im Bezug auf den Krieg in der Ukraine. Es wird nicht wirklich ausgesprochen, aber ich habe das Gefühl, dass in Finnland wirklich die Angst da ist, dass Russland auf die Idee kommt einzumarschieren. Das ist vielleicht für uns Deutsche etwas abwegig, zwischen uns und Russland ist noch etwas dazwischen, wir brauchen diese Sorge nicht haben, aber Länder wie Finnland haben sie und sie brauchen uns. Sie brauchen Europa und die Nato und wenn wir von Europa reden, dürfen wir nie vergessen, dass wir eine wichtige Rolle darin spielen und dass viele Länder darauf warten, dass wir wieder ein stabiles und entscheidungsstarkes Land werden.
Ich frage mich manchmal, wie Leute diese Situation nicht ernst nehmen können, wie sie sich nicht darum Sorgen oder es sie nicht einmal interessiert. Ich kann es jedoch auch verstehen, es ist einfacher, sich nicht zu interessieren und sein Leben weiter zu leben, als wäre nichts, es ist einfacher nichts zu tun. Andere belastet es vielleicht zu sehr, sie können nicht mit all diesen Dingen leben und es ist für sie besser, sich wenig bis gar nicht zu informieren, um nicht in ein Loch von Hilflosigkeit zu fallen. Beide Arten und Weisen funktionieren nicht, zumindest wenn man möchte, dass sich etwas ändert, dass wir nicht mit der Situation festsitzen. Wir alle sollten versuchen etwas zu tun und wenn man nicht akzeptiert, dass es richtig ist, was in unserer Welt gerade passiert, hat man schonmal etwas getan.
Wer Lust bekommen hat, mehr von Freya und ihren Erfahrungen im Ausland zu lesen, kann einiges in ihrem Blog finden: https://freya.riecken.de.
KI in der Schule? Ist sie nun einmal da und muss man sich deswegen damit beschäftigen?
Es vergeht kein Tag auf Social Media mit neuen, coolen Tipps zur Nutzung von KI im Unterricht. Ich ziehe seit drei Jahren mit einem Vortrag zu KI durch alle möglichen Gruppen und Gremien, der sich mehr und mehr zu einer sehr kritischen Sicht auf das Thema gewandelt hat.
1. KI-Anwendungen, die Sprache generieren, verhindern Lernprozesse
Verschiedene Forscher und Experten weisen auf gravierende Mängel in Sprachmodellen hin, die das Rückgrat vieler Angebote für den Bildungsbereich bilden. Auch die Auswirkungen auf Lernprozesse werden zunehmen kritisch beschrieben. Bezeichnenderweise kommt die differenzierteste Kritik dabei nahezu immer von Menschen mit informatischem Hintergrund. Verfechter der Nutzung von Sprachmodellen im Unterrichtskontext halten stets dagegen, dass es dabei immer auf die Art der jeweiligen Nutzung ankommt. Davon bin ich nicht überzeugt.
Exemplarisch verweise ich auf eine aktuelle Studie von Rainer Mühlhoff und Marte Henningsen, die sich ein Fobizz-Tool zur automatischen Bewertung von Hausaufgaben genauer angeschaut haben. Von diesen Werkzeugen bzw. Angeboten gibt es mehrere auf dem deutschen Markt, sogar solche, die Gründerpreise erhalten haben. Ihnen gemein ist, dass sie sich auf die gleiche informatische Technologie stützen und sich explizit an Lehrkräfte richten. Die Datenbasis der Studie ist verhältnismäßig gering – das ist leider im Bildungsbereich bei vielen Studien so. Hier einige Auszüge aus den Ergebnissen:
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Sowohl die vorgeschlagene Gesamtnote als auch das qualitative Feedback variierten erheblich zwischen verschiedenen Bewertungsdurchläufen derselben Abgabe. Diese Volatilität stellt ein ernstes Problem dar, da Lehrkräfte, die sich auf das Tool verlassen, unbemerkt quasi “ausgewürfelte” und potenziell ungerechte Noten und Rückmeldungen vergeben könnten.
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Selbst mit vollständiger Umsetzung der Verbesserungsvorschläge war es nicht möglich, eine “perfekte” – d.h. nicht mehr beanstandete – Einreichung vorzulegen. Eine nahezu perfekte Bewertung gelang nur durch Überarbeitung der Lösung mit ChatGPT, was Schüler:innen signalisiert, dass sie für eine Bestnote auf KI-Unterstützung zurückgreifen müssen.
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Das Tool weist grundlegende Defizite auf, von denen die Studie mehrere als “fatale Gebrauchshindernisse” klassifiziert. Es wird darauf hingewiesen, dass die meisten der beobachteten Mängel auf die inhärenten technischen Eigenschaften und Limitationen großer Sprachmodelle (LLMs) zurückzuführen sind. Aus diesen Gründen ist eine schnelle technische Lösung der Mängel nicht zu erwarten.
Die Studie bezieht sich auf die Nutzung von Sprachmodellen durch Lehrkräfte. Dies ist eine Nutzung durch Expert:innen mit entsprechender Erfahrung und Expertise bei der Umsetzung von Bewertungen.
Die weitgehend fachlich unreflektierte Forderung nach flächendeckender Bereitstellung von sogenannten KI-Tools zieht sich sowohl durch die Presselandschaft als auch durch Verbände. Unser Medienzentrum stellt Lehrkräften an Schulen in Trägerschaft des Landkreises tatsächlich einen solchen Zugang bereit. Ich würde mittlerweile darüber nachdenken, diese Bereitstellung an eine vorherige verbindliche Schulung und Sensibilisierung zu koppeln.
In Bezug auf die Nutzung durch Schüler:innen hat Jeppe Klitgaard Stricker für mich bemerkenswerte Thesen bzw. Beobachtungen auf- bzw. angestellt:
- Intellektuelle Spiegelung: Schüler:innen übernehmen unbewusst von LLMs generierte Sprachmuster.
- Digitale Abhängigkeitsstörung: Schüler:innen geraten in Panik, wenn KI-Tools nicht verfügbar sind.
- Die Illusion der Beherrschung: Schüler:innen denken, sie hätten es verstanden, weil AI es erklärt hat.
- Verfall der kollaborativen Intelligenz: Schüler:innen verzichten auf menschliches Brainstorming, wenn KI schneller ist
- Verwirrung zwischen Realität und Prompt: Schüler:innen betrachten Herausforderungen aus dem wirklichen Leben als Prompt zur Optimierung
- Krise des Wissensvertrauens: Schüler:innen zweifeln an der menschlichen Weisheit im Vergleich zur KI-Gewissheit
- KI-induzierter Perfektionismus: Der Druck, die fehlerfreien Ergebnisse der KI zu erreichen
Ich möchte das Wort „Schüler:innen“ hier gerne allgemeiner durch das Wort „Lernende“ ersetzen, denn viele der Punkte dürften ebenso auf Erwachsene zutreffen. Für mich ist diese Perspektive recht neu, weil ich bisher bei meiner Kritik an der Nutzung von Sprachmodellen im Unterricht eher kognitionstheoretisch unterwegs war:
In aller Kürze: Unser Arbeitsgedächtnis enthält das, was wir aktuell denken. Es speist sich u.a. aus dem, was wir im Laufe des Lebens in unser Langzeitgedächtnis übernommen haben. Der Vernetzungsgrad dieses Wissens im Langzeitgedächtnis ist bei erfahrenen Personen (Experten) größer als bei eher unerfahrenen (Novizen). Der Output von Sprachmodellen überlastet die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses bei Noviz:innen viel schneller als bei Expert:innen, weil weniger Kompensation durch vorvernetztes Wissen aus dem Langzeitgedächtnis erfolgt.
Natürlich ist KI z.B. bei der Erstellung von Seminararbeiten in jeder Phase nutzbar. Zu prüfen ist aber sehr genau, in welchem Umfang das für Noviz:innen mit sehr heterogenem Vernetzungsgrad – so sind Lerngruppen zusammengesetzt – im Langzeitgedächtnis sinnvoll ist.
Unter Berücksichtigung der bisherigen Prämissen sind Sprachmodelle erst dann lernförderlich nutzbar, wenn bei den Noviz:innen bereits ein gewisses Maß an vernetztem Vorwissen vorhanden ist. Unverantwortlich wird für mich eine unterrichtliche Thematisierung allein auf der Benutzungs- und Bedienungsebene.
Expert:innen hingegen können wahrscheinlich zwar die Ausgaben von Sprachmodellen deutlich besser bewerten, sie aber ohne ein Grundverständnis für deren Funktion nicht reflektiert nutzen. Wer lässt denn z.B. den gleichen Text mehrfach durch ein KI-Werkzeug bewerten und vergleicht die Ausgaben dann zusätzlich miteinander, wie es in der zitierten Studie geschehen ist? Zudem ist das Marketingversprechen der Zeitersparnis damit ziemlich schnell hinfällig. Auch Expert:innen sind tendenziell „anfällig“ für die von Stricker formulierten Mechanismen.
2. Produkte von KI-Anwendungen sind das neue Plastik und kontaminieren den Kommunikationsraum des Internets
Unter anderem von Linux Lee kommt die Idee, Produkte generativer KI analog mit aus Erdöl hergestelltem Plastik zu sehen. Genau wie das Erdölprodukt unserer fassbare Welt füllt, füllen die Produkte generativer KI (Musik, Bilder, Videos, Texte etc.) den kommunikativen Raum des Internets.
Im Zuge von Nachhaltigkeitsdenken gerät Plastik schnell in eine negative Ecke, ist aber als Werkstoff aus einer modernen Gesellschaft an vielfältigen Stellen nicht wegzudenken. Ein gravierender Unterschied besteht darin, was man mit vorhandenem Plastik machen kann. Prinzipiell ist Plastik aus Erdöl recyclebar, nur ist das weder wirtschaftlich noch gibt es entsprechende Steuerungsmechanismen in der Produktions- und Verwertungskette, die das überhaupt ermöglichen würden. Bei einem gut strukturierten Plastikkreislauf ist eine Mehrfachnutzung des Werkstoffs ohne sehr große Qualitätseinbußen prinzipiell denkbar.
Je mehr Produkte generativer KI in den Kommunikationsraum des Internets gelangen, desto wahrscheinlicher ist die Gefahr, dass sie wiederum selbst die eigentlich Trainingsbasis für KI werden. Man spricht dabei von einem sogenannten „Rebound-Effekt“. Mehr oder weniger humorvoll wurde bezogen auf das Bildungswesen die These formuliert, dass irgendwann eine „Lehrkräfte-KI“ die „KI-Hausaufgaben“ der Schüler:innen bewertet. Ironischerweise liefert die Studie von Mühlhoff und Henningsen ja genau dafür eine „Anfangsevidenz“. Im Gegensatz zum Plastik aus Erdöl ist die Ressource „Produkt einer generativen KI“ nicht wirklich begrenzt, wenn z.B. regenerative Energie zu deren Produktion genutzt wird. Damit gibt es kein wirkliches Interesse oder gar eine Notwendigkeit, diese Produkte zu regulieren. Allein die kritische Betrachtung von KI im Bildungskontext wird durchaus mit Innovationsfeindlichkeit in Verbindung gebraucht.
Das wiederum hat damit zu tun, dass KI oft nicht differenziert betrachtet wird: Mit ähnlichen informatischen Mechanismen kann eine KI Sprache erzeugen oder aber sehr effizient Proteinstrukturen in der Entwicklung von Medikamenten berechnen. Das können nachhaltige Produkte werden, wie sie auch beim Plastik aus Erdöl möglich sind. Beides „ist“ KI.
Letzteren Einsatz von KI würde ich deutlich anders bewerten, da das entstehende Produkt auf eine völlig anderen Ebene Wirksamkeit entfaltet. Diese Unterschiede in der Betrachtung vermisse ich in der gesellschaftlichen Diskussion. Gerade im Bildungsbereich ist das Thema meist marketing- und buzzwordgeschwängert und trifft auf eine informatisch meist nicht ausreichend vorgebildete Zielgruppe.
Ja, was soll man denn machen? KI ist ja nunmal da!
… und geht nicht wieder weg. In einer Rede zum Abitur meines Sohnes habe ich beschrieben, dass die Möglichkeit, sich entscheiden zu können, eine Luxussituation ist. Tatsächlich kann man sich dafür entscheiden, Sprachmodelle im Unterricht nicht zu nutzen. Ich persönlich tue mich schwer damit, längere Textproduktionen ist die Hausaufgabe zu geben – das mache ich lieber im Unterricht, z.B. in Kombination mit kollaborativen Schreibwerkzeugen. Die entstehenden Produkte stellen schon eine eigenständige Leistung dar. Sehr gut funktioniert eine orthografische und grammatische „Nachkontrolle“ durch ki-basierte Werkzeuge. Gerade in der Mittelstufe sollten die Kompetenzen zur Bewertung der „KI-Eingriffe“ in diesem Bereich im Prinzip schonmal im Schulleben vorgekommen und „vorvernetzt“ im Langzeitgedächtnis vorliegen – eigentlich.
Eine der wesentlichen Hauptaufgaben von Bildung wird sein, wie man vermitteln kann, dass bestimmte Dinge gekonnt werden sollten, bevor KI zum Einsatz kommt – gerade weil die Maschine es doch so viel besser kann. Und das nicht nur bei Schüler:innen sondern vor allem auch bei uns Lehrkräften.
Wenn wir darüber nachdenken, landen wir sehr schnell bei strukturellen Überlegungen zum Bildungssystem an sich.
„Ach, Luise, lass … das ist ein zu weites Feld.“ (Theodor Fontane)
Warum das Fediverse nicht für Sternchen taugt
Die Überschrift dieses Artikels ist ein performativer Widerspruch. Sie zielt darauf auf gelesen zu werden und zu provozieren. Gleichzeitig werden in diesen Beitrag genau diese Muster, wie sie auf Socialmedia vorkommen, kritisch gesehen.
Das Wort „Sternchen“ steht für mich für Personen, deren Motiv, auf Socialmedia wahrgenommen zu werden, gegenüber eher altruistischen Anätzen durchaus ausgeprägt ist („der Schieberegler steht jenseits der Mitte“). Oft hängen am Sternchendasein neben dem Aufmerksamkeitsaspekt durchaus handfeste finanzielle Interessen, die aber weitgehend tabuisiert sind.
Das Fediverse wird – gerade von Sternchen mit Reichweite – oft kritisiert:
- zu wenig Interaktionen
- zu wenig Replies
- zu nerdig
- zu grundsätzlich in seinen Reaktionen
- […]
Das hat neben den dort aktiven Menschen tatsächlich auch mit dem technischen Hintergründen zu tun. Während in kommerziellen Netzwerken die Timeline algorithmisch gebaut wird, folgt das Fediverse sehr neutralen Prinzipien. Es ist egal, ob jemand 10 oder 1000 Follower hat – seine Post werden
- allen Followern angezeigt
- nicht künstlich verstärkt, d.h. sie erscheinen u.a. nicht unmotiviert in Timelines von Nicht-Followern
Desweiteren funktionieren bestimmte Taktiken, um Replies (und damit einen algorithmischen Boost) zu bekommen nicht.
- Suggestivfragen stellen („Wie findet ihr …?“) – hört sich neutral an, wird aber oft in einem Umfeld gepostet, in dem bestimmte Antworten sozial vorgezeichnet sind.
- Alltagsbilder mit euphorischem Kommentar posten
- Versteckte oder offene (Eigen-) Werbung
Im Gegenteil werden diese Taktiken eher nerdig „abgestraft“ und kritisch hinterfragt, d.h. Sternchen sehen sich in einer eher defensiven Rolle der Rechtfertigung ihres Marketingshandelns, die nicht algorithmisch durch eine Überbetonung der positiven Replies überdeckt wird.
Weiterhin ist im Fediverse das (manchmal nur gefühlte) Risiko (das regelt sich in der Regel eh von selbst durch schlichtes Ignoriertwerden) von Sternchen viel größer, von einer Instanz zu fliegen, wenn man fortwährend versucht, seine Timeline zu „instagramisieren“.
Das Fediverse ist damit kein Raum für Sternchen. Und ich finde das unglaublich befreiend. Man überlebt kommunikativ im Fediverse nicht ohne inhaltliche Substanz. Und man bekommt daher aber auch viel inhaltliche Substanz. Klar, manchmal wird man mal von Grundsätzlichkeit überrollt. Und es fühlt sich oft weitaus weniger „lustbetont“ oder „herzlich“ oder nach heiler Welt an. Aber in bin eh jemand, der „Fun“ nicht kann – aber „Joy“ geht halt …
Unterrichtsvorbereitung und ‑material online
Grundlagen und Hintergründe
Viele Menschen schwören auf Notizapps zur Organisation von Fundstücken und Wissensartefakten. Ich werde damit nicht warm. Die dabei entstehenden Formate sind oft proprietär, schlecht in editierbare Formate konvertierbar und immer wieder gibt es Herausforderungen beim Umgang mit Multimedia- und sonstigen Dateien („Assets“). Die Suchmöglichkeiten verbleiben oft genug in der Kategorie „so lala“. Bei kommerziellen Anbietern werden nach Lockangeboten Preisschrauben angedreht, unnötige Features ergänzt, sinnvolle dagegen fallen weg oder die Entwicklung wird ganz eingestellt, weil man sich verkalkuliert hat. Souveränität in Bezug auf die eigenen Produkte sieht anders aus.
DokuWiki als Konsequenz
Alles, was mir wichtig ist, liegt daher in einem Textformat vor – kein Word, kein LibreOffice, kein PDF (außer als Asset). Eingebettet werden externe Formate (Audio, Video, Bild = Assets) durch entsprechende Verweise in diesen Textdateien. Ein System, welches das mustergültig umsetzt, ist DokuWiki. DokuWiki ist ein Wiki ohne externe Datenbank mit einem sogenannten „Flatfile-System“ und kümmert sich im Hintergrund z.B. um die Trennung von Text und Assets. DokuWiki ist sehr einfach zu installieren – einfach auf irgendeinen Webspace kopieren, der PHP unterstützt, Installationsroutine aufrufen, fertig. Genauso einfach kann man die Inhalte sichern: Einfach alles an Dateien herunterladen.
DokuWiki bietet:
- die Möglichkeit, eigene Seitenbereiche zu definieren, die eine eigene Navigationsleiste besitzen. So kann ich für Lerngruppen eigene Unterbereiche gestalten.
- die Möglichkeit, einzelne Bereich hinter einem Login zu verbergen. So können z.B. Schüler:innen selbst Wikiseiten gestalten, die nicht öffentlich sind.
- eine sauber strukturierte Ordnerstruktur im Hintergrund, die eine Weiternutzung aller Inhalte in anderen Systemen ermöglicht
- die Möglichkeit, jederzeit Inhalte als PDF oder ODT-Datei herunterzuladen, wobei der Download aus dem aktuellen Zustand der jeweiligen Seite generiert wird
- Erweiterbarkeit durch Plugins (automatische Übersetzung von Seiten, saubere Darstellung von Programmcode, verschiedene Arten von Boxen)
DokuWiki erfordert:
- die Bereitschaft, sich auf eine markdownähnliche Syntax einzulassen
- Leidensfähigkeit bei der Formatierung von Tabellen
- etwas Einarbeitungszeit bezüglich von Kontexten mit eigener Sitebar
- einen Platz bei einem Hoster, bei dem es betrieben werden kann (ab. ca. 1,- Euro pro Monat)
Es gibt durchaus auch WYSIWYG-Erweiterungen von DokuWiki, nur würde ich von einer Verwendung absehen, weil dann wieder irgendwelche unsauberen Elemente in den Textdateien vorkommen.
Organisation der Inhalte
Die Hauptinhalte werden in maximal drei Tiefen organisiert. Alles, was mir so über den Weg läuft, kommt ins Wiki. Für die Schüler:innen erstelle ich für jede Lerngruppe einen eigenen Bereich mit eigener Seitenleiste, die nicht zu den Hauptinhalten zurückführt. Dabei kann ich die Inhalte der Wikiseiten einfach per Copy&Paste kopieren, die Assets liegen nur einmal vor und werden innerhalb der Texte referenziert. Die Texte sind zwar dann doppelt vorhanden, fressen aber kaum Speicherplatz. Zudem gäbe es die Möglichkeit, dass zur Unterrichtszeit Änderungen vorgenommen werden, bei denen ich am Schuljahresende entscheiden kann, ob ich sie – wiederum per Copy&Paste – in die Hauptinhalte übernehme.
Medizinische Eingriffe vs. Schulentwicklung im Alltag
Mir ist nach zwei Jahren wieder eine alte Folie über den Weg gelaufen:Der Alltag in einer Schule ist geprägt von vielen Herausforderungen, zu denen man schnell eine Lösung finden will. Man möchte schnell eine Lösung finden, weil man weiß, dass sich ansonsten immer mehr Aufgaben und Dinge ansammeln, für die es eine Lösung zu finden gilt. Bei bestimmten Aufgabenstellungen wird diese Taktik verlässlich schnell zu einem Desaster, weil schlechte und schnelle Lösungen im Nachgang oft einen enormen Nachsteuerungsbedarf erzeugen können, der zu den Alltagsproblemen dann noch dazu kommt.
Deswegen macht man es in der Medizin oft anders: Selbst bei verhältnismäßig kleinen Eingriffen wird ein ziemlich hygienischer Aufwand betrieben: Rasur, Jodtinktur großzügig auf den Hautbereich der Operation aufgetragen, keimdichtes Abkleben mit sterilen Tüchern, OP-Schleuse mit leichtem Überdruck im OP-Bereich – die Vorbereitungen dauern dann meist 2x länger als der eigentliche Eingriff. Der Lohn sind i.d.R. vollkommen komplikationslos verlaufende Wundheilungen und eine zügige Entlassung aus dem Krankenhaus. Das hat sich so hinkonfiguriert, weil Fallpauschalen eben nicht z.B. zwei Wochen Antibiose und Nachbehandlungen abdecken. Daher „rechnet“ sich dieser Aufwand, obwohl er in hohen Prozentanteilen der Fälle wahrscheinlich nicht notwendig wäre.
Schule wird nach meiner Erfahrung oft aufgefressen von Prozessen, die vermeintlich schnell und einfach gelöst wurden und deren Nachsteuerungsbedarfe dann die ohnehin schon knappen Zeitressourcen vertilgen. Man scheut den anfangs unbestreitbar viel hören Aufwand, weil man an dieser Stelle nicht das gesamte Integral betrachten kann (Wirtschaft soll da ab einer gewissen Größe auch in einer ähnlichen Liga spielen).
Und nicht jeder Prozess verdient tatsächlich diesen Aufwand – aber wer sensibilisiert Leitungspersonal dafür? Gute Theorie gäbe es ja, z.B. mit dem systemischen Projektmanagement.