Twitter mit Institutionsaccount (na, so halb)

Trans­pa­renz­dis­clai­mer:

Die­ser Arti­kel schlum­mert seit etwa drei Mona­ten als Ent­wurf im Blog. Ich habe ihn jetzt her­aus­ge­holt, weil die Kon­flik­te im Twitterlehrer:innenzimmer jetzt wie­der an einer Stel­le sind, an der sie schon vor drei Mona­ten waren und in drei Mona­ten wie­der sein wer­den. Ihr wer­det das Alter des Arti­kels an Ent­wick­lun­gen mer­ken, die schon jetzt nach drei Mona­ten wie­der weit­ge­hend Geschich­te sind.

Und los:

Ich ver­ges­se jedes Jahr wie­der, dass Kon­flik­te auf Twit­ter unter ver­schie­de­nen Grup­pen enorm eska­lie­ren. Eigent­lich müss­te man jedes Jahr im Novem­ber (und in Pan­de­mie­jah­ren wohl zusätz­lich vor den Som­mer­fe­ri­en) eine ent­spre­chen­de Warn­mel­dung herausgeben.

Ich will nicht mehr emo­tio­nal in die­sen Stru­del gezo­gen wer­den – den per­sön­li­chen Account hat­te ich schon im Spät­som­mer 2019 auf­ge­ge­ben. Jetzt ver­su­che ich es mit einem „Institutions“-Account, der bei Lich­te bese­hen eigent­lich kei­ner ist.

Zeit, ein­mal ein Resü­mée zu ziehen:

  1. Es gelingt mir gut, mich aus öffent­li­chen Meta­dis­kus­sio­nen her­aus­zu­hal­ten. Ich ver­wen­de die­se Ener­gie für Din­ge, die ich für nach­hal­ti­ger hal­te, z.B. für die loka­le Vernetzung.
  2. Ich füh­le mich dar­in bestärkt, dass es ab einer bestimm­ten Reich­wei­te sehr schwie­rig wird, einen vor­her abge­steck­ten Kurs zu hal­ten. Es gibt Effek­te, die man nicht leicht han­deln kann, z.B. den Umgang mit Öffent­lich­keit. Viel Auf­merk­sam­keit bedeu­tet viel Stress und zieht Kraft. Ich bin z.B. nie­mand, der es genie­ßen kann, viel Auf­merk­sam­keit zu bekom­men. Tat­säch­lich habe ich immer wie­der Kon­takt zu z.B. Jour­na­lis­ten, gebe da aber eher Tipps zu Kon­tak­ten oder Ansatz­punk­ten. Das ist eine Form von Auf­merk­sam­keit, die ich ehr­li­cher­wei­se sehr genie­ße. Und: Ich habe tat­säch­lich die Foren­re­ak­ti­on auf Hei­se Online im Kon­text eines Arti­kels rela­tiv unbe­ein­druckt über­stan­den. Da kann man jetzt Schritt für Schritt muti­ger werden.
  3. Ich füh­le mich dar­in bestärkt, dass es sehr schwie­rig ist, ab einer bestimm­ten Reich­wei­te nicht Ver­su­chun­gen zu erlie­gen, z.B. Posts danach vor­zu­fil­tern, wie­viel Reich­wei­te sie womög­lich erzeugen.
  4. Es ist eigent­lich mei­ne erklär­te Absicht, Twit­ter als Bau­stein für eine mehr lokalere Ver­net­zungs­stra­te­gie zu nut­zen, um z.B. Lehr­kräf­te aus Nie­der­sach­sen geziel­ter anzu­spre­chen. Das kol­li­diert natür­lich mit der regio­na­len Unge­bun­den­heit von Twit­ter. Aller­dings ist momen­tan das Inter­es­se an Ange­bo­ten zu Digi­krams so groß, dass schon der Ein­trag in die Ver­an­stal­tungs­bank des Lan­des reicht, um Fort­bil­dun­gen an Teilgeber:innen zu bringen.
  5. Twit­ter hat für die „Magie“ hin­ter Ver­än­de­rungs­pro­zes­sen kei­ner­lei Rele­vanz. Die pas­siert ganz woan­ders, z.B. hier in Nie­der­sach­sen bei einer zuneh­men­den Ver­net­zun­gen von Bera­tungs­sys­te­men über Insti­tu­ti­ons­gren­zen hin­weg. Das ist übri­gens recht har­te Arbeit, umso här­ter, je expo­nier­ter die eige­ne Posi­ti­on im Sys­tem ist. Auch die­se Expo­nie­rung ver­mei­de ich noch. Dar­an wird in der Zukunft noch zu arbei­ten sein.
  6. Twit­ter spielt für die Hil­fe im All­tag unter­ein­an­der eine immense Rol­le. Das funk­tio­niert am aller­bes­ten über zusätz­li­che Bin­dun­gen auf ande­ren Kanä­len. Die Wohl­fühl­b­la­sen sind für Außen­ste­hen­de oft weder wirk­lich zugäng­lich noch ohne wei­te­ren Kon­text über­haupt ver­steh­bar. Gleich­zei­tig bie­ten sie aber einen unglaub­li­chen Reiz, dass man sie z.B. aus theo­re­ti­schen Über­le­gun­gen her­aus kri­ti­siert, z.B. weil man den Ein­satz eines bestimm­ten Tools aus dem eige­nen Ver­ständ­nis von Digi­ta­li­tät bewer­tet bzw. „dif­fe­ren­ziert und kri­tisch dis­ku­tie­ren will“. Das war z.B. mei­ne gro­ße Fal­le, in die ich jah­re­lang getappt bin.
Das Konzept der intendierten Öffentlichkeit aus Konfliktauslöser

Phil­ip­pe Wampf­ler hat in einem ande­ren Kon­text auf das Kon­zept der inten­dier­ten Öffent­lich­keit von Anil Dash hin­ge­wie­sen. Ich glau­be, dass dar­in der ers­te Schlüs­sel für vie­le Kon­flik­te liegt.

Ein gar nicht so kon­stru­ier­tes Bei­spiel, wovon für mich immer wie­der Initi­al­zün­dun­gen ausgehen:

Wenn ich dar­auf stolz bin, ein Tool ein­ge­setzt zu haben, besteht die Mög­lich­keit, dass ich nicht „kri­tisch hin­ter­fragt“ wer­den möch­te, son­dern mei­ne Erfah­run­gen nur in einem bestimm­ten Adres­sa­ten­kreis wei­ter­ge­ben zu wol­len. Dass mir z.B. Bil­dungs­in­ter­es­sier­te oder Didak­ti­ker fol­gen, wird mir u.U. erst im Pro­zess deutlich.

Die Kri­tik und die Rück­fra­gen von Außen­ste­hen­den müs­sen dar­über hin­aus einen bestimm­ten Kon­text kon­stru­ie­ren (wohl­wol­lend oder z.b. kri­tisch) – für etwas ande­res ist Twit­ter gene­rell zu begrenzt. Die Beur­tei­lung des Gegen­übers z.B. auf Basis eines iso­lier­ten Tweets ist für mich mit der jour­na­lis­ti­schen Situa­ti­on ver­gleich­bar, in der Zita­te aus dem Zusam­men­hang geris­sen wer­den, um einen bestimm­ten Frame zu set­zen – nur tun das die Tweeten­den in iro­ni­scher Wei­se im Prin­zip ja durch den Tweet selbst.

Tief­grei­fen­de Dis­kus­sio­nen führt man nicht auf 240-Zei­chen – der neue Trend ist ja auch „Ein Thread“ (qua­si das Pen­dant der Sprach­nach­richt auf Twit­ter). Der Ein­satz eines Tools im Unter­richt in sei­nem Kon­text kann ja nicht öffent­lich sein, sich aber dadurch durch­aus relativieren.

Jeman­dem, der sich schon lan­ge auf Social­me­dia bewegt, sind die Dyna­mi­ken von Online­kom­mu­ni­ka­ti­on bewusst. Die „alten Hasen“ ken­nen teil­wei­se auch die Geschich­te hin­ter der Geschich­te. Neu­lin­ge nicht. Das wird leicht ver­ges­sen. Der Grad zwi­schen der Zuschrei­bung von „man­geln­der Kri­tik­fä­hig­keit“ und „Über­for­de­rung“ ist schmal. „Das ist doch hier schon 100mal widerlegt/geklärt/diskutiert wor­den!“ hal­te ich für einen Aus­druck die­ser Asymmetrie.

Und die ideel­len Macht­ver­hält­nis­se sind nicht nur dadurch asym­me­trisch. Auf Twit­ter und spe­zi­ell im Twitterlehrer:innenzimmer sind nicht alle „gleich“ und „auf Augen­hö­he“. Das ist in mei­nen Augen eine roman­ti­sche und nai­ve Web­fan­ta­sie. Dahin­ter steckt viel­leicht viel­mehr der Wunsch nach einer Platt­form oder Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ebe­ne, auf der es so emp­fun­den wird.

Asym­me­tri­sche Macht­ver­hält­nis­se konn­ten his­to­risch schon immer allein durch Soli­da­ri­tät und Grup­pen­bil­dung aus­ge­gli­chen wer­den. Das geschieht auf Twit­ter. Es wird sich in dem Maße ver­stär­ken, in dem asym­me­tri­sche Macht­ver­hält­nis­se igno­riert bzw. weg­ro­man­ti­siert wer­den. Es sind defi­ni­tiv nicht alle gleich. Gefor­dert sind hier vor allem die ideell Mäch­ti­gen – zuneh­mend aber auch im Aus­hal­ten per­sön­li­cher Angriffe.

Wirk­lich gro­ße Accounts wie der von in die­sem Jahr wirk­lich prä­sen­ten Vere­na Paus­der lächeln das nach anfäng­li­cher Ver­wir­rung weg. Da ste­hen oft ein Team und gewis­se Mar­ke­ting­ress­our­cen zur Reich­wei­ten­er­hö­hung zur Seite

 

Als wäre das nicht schon kompliziert genug

Mit Digi­ta­li­tät und Schu­le lässt sich Geld ver­die­nen. Um Geld ver­die­nen zu kön­nen, braucht es Auf­merk­sam­keit. Auf­merk­sam­keit an sich ist auf Social­me­dia eine begrenz­te Res­sour­ce und eigent­lich auch sowas wie Geld. Geld und Auf­merk­sam­keit ver­dient man momen­tan nicht mit Ent­wür­fen einer refor­mier­ten Schu­le. Man ver­dient es mit Inhal­ten und Mate­ria­li­en, die den Bedürf­nis­sen des Sys­tems Schu­le jetzt und hier maxi­mal ent­ge­gen­kom­men. Fragt man Ver­la­ge, wie das Ver­hält­nis zwi­schen „tech­ni­sier­ten“ und Print­pro­duk­ten bei der Wert­schöp­fung ist, ist die Ant­wort klar, was vie­le Lehr­kräf­te zur­zeit immer noch wün­schen und kau­fen. Das kann mir gefal­len oder nicht.

Ich fin­de immer wie­der Par­al­le­len zu den SUV-Ver­käu­fen: Es gibt kei­ne objek­ti­ven Grün­de, sich einen Stadt­pan­zer zuzu­le­gen. Kri­ti­sche Geis­ter hört man sich ger­ne auf Vor­trags­aben­den zum Kli­ma­wan­del an – dann hat man ja schon etwas getan. Und die sich sowas wie SUVs nicht leis­ten kön­nen, sind ent­we­der nei­disch oder Spaß­brem­sen. Fer­tig. Danach steigt man allei­ne in den eige­nen SUV und fährt nach Hause.

Was errei­che ich dadurch einen SUV-Fah­rer immer wie­der öffent­lich kri­tisch zu hin­ter­fra­gen? Wel­che „Dia­log“ auf Augen­hö­he kann ich erwar­ten ange­sichts mei­ner „mora­li­schen“ / „theo­re­ti­schen“ oder sonst wie gear­te­ten „Über­le­gen­heit“? Erwar­te ich wirk­lich einen Dia­log und möch­te ich mich in mei­ner Argu­men­ta­ti­on bestä­tigt sehen? Weiß ich nicht schon, dass das Gegen­über auf der sach­li­chen Ebe­ne (den emo­tio­na­len Aspekt in Dis­kur­sen kürzt man lie­ber raus) wenig ent­ge­gen­zu­set­zen hat?

Wenn ich Vor­trä­ge an Schu­len zu Digi­ta­li­tät hal­te, ist das im Grun­de struk­tu­rell sehr ähn­lich. Das mache ich mir nichts vor.

Oft gibt es Zustim­mung. Oder alle sind recht platt und baff. Nach einer Wei­le: „Und wie set­zen wir das jetzt im Aus­bil­dungs­gang x in der Ein­heit y um?“ Der (mitt­ler­wei­le still gedach­te)  Satz „Ja das ist doch ihre Kom­pe­tenz als Fach­ob­frau/-mann!“ hilft da nicht wirk­lich. Eigent­lich stellt er eher bloß.

Des­we­gen habe ich oben auch geschrie­ben, dass Twit­ter für noch recht bedeu­tungs­los bei die­sem gro­ßen The­ma hal­te. Die Ver­bin­dun­gen vom Bil­dungs­jour­na­lis­mus zur Lehr­kräf­te­sze­ne auf Twit­ter ist noch zu schwach. Aber auch die­se Stun­de wird kommen.

Es geht auf Twit­ter und über­haupt in sozia­len Medi­en immer um Auf­merk­sam­keit. Auf­merk­sam­keit für die Ver­mark­tung von Ideen, Kon­zep­ten, Ver­an­stal­tun­gen und Theo­rien. Mei­nen „neu­en“ Account gibt es allein des­halb. Um Auf­merk­sam­keit für mei­ne Ange­bo­te, die Ange­bo­te der Medi­en­be­ra­tung und die Medi­en­zen­tren zu generieren.

 

Kaffeesatzlesen

Twit­ter wird sich in die­sem Jahr noch stär­ker seg­men­tie­ren in Unter­grup­pen. Kom­mu­ni­ka­ti­on über die­se Grup­pen wird sich zuneh­mend ver­kom­pli­zie­ren, weil sich die Wer­te und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­dür­fe die­ser Grup­pen sich immer stär­ker von­ein­an­der unter­schei­den wer­den. Immer weni­ger neue Kolleg:innen wer­den dem gewach­sen sein und sich u.U. rasch wie­der abwenden.

Das Internet und die Romantik

Die eine Geschichte

Wir wis­sen z.B., dass digi­ta­le Daten­strö­me unauf­wän­dig und mit gerin­gen Kos­ten umfas­send über­wacht wer­den kön­nen. Die Algo­rith­mik für die Aus­wer­tung ist wahr­schein­lich noch pri­mi­tiv, aber da die Daten­spei­che­rung mit dem tech­no­lo­gi­schen Fort­schritt auch immer effi­zi­en­ter wird, wer­den auch irgend­wann Daten nutz­bar, die vor Jah­ren auf­ge­zeich­net wor­den sind. Wäre das eine Rand­er­schei­nung – War­um wird die­ses The­ma so oft in Social­Me­dia erwähnt?

Wir wis­sen, dass nicht nur Staa­ten die­se Mög­lich­keit nut­zen, son­dern auch die Pri­vat­wirt­schaft. Stück für Stück wer­den in Sala­mi­tak­tik uns immer umfas­sen­de­re Daten­ver­wer­tungs­ver­trä­ge, par­don – Nut­zungs­be­din­gun­gen vor­ge­setzt, die wir ger­ne anneh­men. Schließ­lich ist die gan­ze neue Dienste­welt ja mitt­ler­wei­le unver­zicht­bar für unser Leben. Ich glau­be, dass die­se Art der Daten­ver­ar­bei­tung immer wie­der die eigent­li­che Inspi­ra­ti­on für die staat­li­che Über­wa­chung bildet.

Da das Digi­ta­le (das Mycel) mit kei­nem unse­rer Sin­ne für uns direkt erfahr­bar ist – ledig­lich die Erschei­nungs­for­men wie Bil­der, Vide­os, Tex­te (die Frucht­kör­per) spre­chen unse­re ein­ge­bau­ten Sin­ne an – gibt es noch viel zu wenig gesell­schaft­li­ches Bewusst­sein, um das immense Macht- und Beein­flus­sungs­po­ten­ti­al ein­zu­schät­zen – dafür bräuch­te es zudem m.E. infor­ma­ti­sche Kom­pe­tenz. Die Mög­lich­kei­ten des Users oder auch der der Com­mu­ni­ties sind arg begrenzt, auch wenn es im Ein­zel­fall Erfol­ge geben mag. Die Stake­hol­der sind die­je­ni­gen, die Daten­strö­me steu­ern und die Daten ver­wal­ten. Die­se Leu­te aus­zu­tan­zen ist tra­di­tio­nell schon immer die Domä­ne der tech­nisch(!) ver­sier­ten Hacker.

Wir wis­sen, dass tau­sen­de Jugend­li­che jeden Tag live aus ihrem Kin­der­zim­mer, ihren Klas­sen, „Was­weiß­man­noch-Woher“ strea­men und sich einer Öffent­lich­keit prä­sen­tie­ren. Wir wis­sen als Lehr­kräf­te, dass die meis­ten unse­rer Mob­bing­fäl­le ihren Ursprung im Inter­net haben. Wenn ich mit Mit­ar­bei­tern aus Bera­tungs­stel­len rede, bekom­me ich die Rück­mel­dung, dass Bera­tungs­fäl­le mit Inter­net­be­zug stän­dig zuneh­men. Aus Umfra­gen wis­sen wir, dass ein nicht uner­heb­li­cher Anteil der heu­ti­gen Kin­der und Jugend­li­chen so ihre Erfah­run­gen mit dem Netz gemacht haben. Vor der Erwach­se­nen­welt macht das nicht halt. Casu­al Porn wird gera­de zu einem neu­en Hype – der Thrill ist gera­de die Nicht­ein­wil­li­gung der gezeig­ten Men­schen, ver­öf­fent­licht zu wer­den. Die Reak­tio­nen der Opfer sagen viel über den Zustand der Men­schen in die­sem Internet.

Ich glau­be und erfah­re zuneh­mend, dass der Anteil an Jugend­li­chen ste­tig wächst, die das Netz mit sei­nen Mög­lich­kei­ten so nutzt, wie wir Staats­bür­ger, Lehr­kräf­te, Medi­en­päd­ago­gen in unse­ren Träu­men und Fik­tio­nen das ger­ne hät­ten. Ich mache die Erfah­rung, dass von mei­nen dies­be­züg­li­chen Bemü­hun­gen in beson­de­rer Wei­se genau die Kin­der und Jugend­li­chen pro­fi­tie­ren, die von Hau­se aus dafür beson­ders sen­si­bi­li­siert und damit pri­vi­le­giert sind.

Die­se Lis­te lie­ße sich fort­set­zen. Ich fin­de sie jetzt schon als Staats­bür­ger, Inter­net­nut­zer, Vater, Lehr­kraft, medi­en­päd­ago­gi­scher Bera­ter hin­rei­chend inter­es­sant, um sie nicht als „Rand­er­schei­nung“ zu ver­harm­lo­sen („über­all gibt es böse Men­schen“), wie es wie­der und wie­der in medi­en­päd­ago­gi­schen Krei­sen geschieht. Die­se The­men­fel­der bestim­men mei­nen All­tag als Staats­bür­ger, Inter­net­nut­zer, Vater, Lehr­kraft und medi­en­päd­ago­gi­scher Berater.

War­um gibt es Men­schen die so tun, als ob „Medi­en­kom­pe­tenz“ allein irgend­et­was dar­an ändern wür­de? Die Pro­blem­stel­lung ist mul­ti­di­men­sio­nal und damit eben nicht durch einen ein­zel­nen Stell­he­bel zu ändern. Wer aner­kennt, dass die Digi­ta­li­sie­rung als Phä­no­men die Ent­wick­lung des Men­schen extrem beein­flusst, muss auch aner­ken­nen, dass Umgangs­for­men auf vie­len Ebe­nen gesell­schaft­lich ent­wi­ckelt wer­den müs­sen. Und zwar nicht nur in Schu­le, son­dern auch in Eltern­häu­sern, in Bezie­hun­gen, in poli­ti­schen Sys­te­men, in allen Berei­chen, in denen das Digi­ta­le eine Rol­le spielt.

Alles ande­re hal­te ich für eine unzu­läs­si­ge Reduk­ti­on. Beim oft bemüh­ten Buch­druck hat das Jahr­hun­der­te gedau­ert, bis z.B. die Kir­che ihren Ein­fluss auf die Buch­in­hal­te mehr und mehr ver­lo­ren hat. Wir sind in den ers­ten Jahr­zehn­ten nach dem Sie­ges­zug des Inter­nets, dür­fen also natür­lich noch mehr Fra­gen als Ant­wor­ten erwarten.

Die ande­re Geschichte

Ich habe mir letz­tens einen eige­nen, gebrauch­ten Bea­mer für den Unter­richt gekauft, weil in dem Klas­sen­raum mei­ner neu­en Lern­grup­pe kei­ner­lei Aus­stat­tung dies­be­züg­lich ver­füg­bar ist. Ohne Zugriff auf die­ses Inter­net kann ich mitt­ler­wei­le kaum ver­nünf­tig unter­rich­ten. Trotz­dem arbei­tet mei­ne Lern­grup­pe nicht frei­lau­fend im Netz, son­dern in geschütz­ten Räu­men, deren Zugän­ge durch trans­port­ver­schlüs­sel­te Wege abge­si­chert sind. Weil ich in die­sen Räu­men mit Klar­na­men ope­rie­re, brau­che ich natür­lich vor­her die Ein­wil­li­gung der Eltern für die­se Art der Arbeit. In die­sen geschütz­ten Raum hin­ein dür­fen sich die Schü­le­rin­nen natür­lich auch Arte­fak­te aus dem Netz holen und belie­big rekom­bi­nie­ren, wenn die Quel­le klar ersicht­lich ist und even­tu­el­le Lizenz­be­stim­mun­gen ein­ge­hal­ten wer­den – über ihr Han­dy. Das ist sowie­so immer dabei und es gibt eigent­lich nur bestimm­te Regeln für die Nut­zung die­ser „Kul­tur­zu­gangs­ge­rä­te“ oder „Kon­troll­über­win­dungs­gad­gets“ in mei­nem Unter­richt. Die­se sehen zunächst so aus:

  • Dein Han­dy ist in den Unter­richts­stun­den auf laut­los geschaltet
  • Du ver­zich­test auf jed­we­de nicht unterichts­be­zo­ge­ne Kom­mu­ni­ka­ti­on (What­App, Face­book, SMS usw.)
  • Du darfst dein Han­dy mit Unter­richts­be­zug (z.B. zum Nach­schla­gen von Wor­ten) ver­wen­den, wenn es die jewei­li­ge Situa­ti­on erlaubt und nie­mand dadurch gestört wird.
  • Am bes­ten legst du dein Han­dy mit dem Dis­play nach unten oder in einer “Socke” deut­lich sicht­bar vor dich auf den Tisch zu dei­nem Arbeitsmaterial.
  • Dein Han­dy wird dir gemäß der gel­ten­den Schul­ord­nung für die Dau­er der Deutsch­stun­de ent­zo­gen, wenn du dich nicht an die­se Regeln hältst.

Der nächs­te logi­sche Schritt wäre, die­se Gerä­te mit in das Schul-WLAN zu inte­grie­ren. Schon jetzt kommt das ört­li­che Han­dy­netz in Schul­pau­sen so an sei­ne Gren­zen. Dazu rüs­ten wir dem­nächst tech­no­lo­gisch gewal­tig auf. Das Schul­netz besitzt einen rudi­men­tä­ren Web­fil­ter, der von einer Com­mu­ni­ty geflegt wird und der recht­lich völ­lig aus­reicht. Der Fil­ter arbei­tet nicht inva­siv und schaut z.B. nicht in SSL-Ver­bin­dun­gen hin­ein (z.B. durch Zwischenzertifikate).

Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler sind erfin­dungs­reich im Über­win­den des Fil­ters oder ande­rer „Sicher­heits­funk­tio­nen“ des Net­zes. Eini­ge ver­ste­hen, was sie da tun und wach­sen dar­an mehr­fach – ich als Admi­nis­tra­tor schät­ze die­ses Katz- und Maus­spiel sehr, weil auch ich dadurch immer mehr über Sys­te­me ler­ne (mei­nes und andere).

Das Inter­net geht ja nicht wie­der weg. Und die Aspek­te aus der ers­ten Geschich­te las­sen sich ohne das Inter­net kaum sinn­voll ver­mit­teln. Ich nut­ze das Netz.

Die Kon­se­quenz für mich

Ich will All­tags­un­ter­richts­pro­duk­te mei­ner Schü­le­rin­nen und Schü­ler nicht im Netz sehen. Für das Tages­ge­schäft gilt bei mir das Prin­zip: All unfil­te­red in – some­thing fil­te­red out. Ein öffent­li­ches Pro­jekt mit Schü­le­rin­nen und Schü­lern im Inter­net muss eine Rele­vanz besit­zen, um gegen­über z.B. dem Pla­kat oder Schul­heft einen Mehr­wert zu bie­ten: Die Rezep­ti­on soll­te in mei­nen Augen orga­ni­siert sein. Ich habe jetzt nach meh­re­ren Jah­ren zu ers­ten Mal eine Idee und eine Lern­grup­pe, mit der ich mir das vor­stel­len kann. Wenn immer alle Schu­len mit allen Lern­grup­pen so arbei­ten, mag das explo­ra­tiv und wün­schens­wert sein, aber eine Unmen­ge an Con­tent von begrenz­ter öffent­li­cher Rele­vanz erzeu­gen. Die unmit­tel­ba­re sozia­le Umge­bung wird hier anders zu bewer­ten sein und damit im Fokus ste­hen müssen.

Schön­fär­be­rei in Tei­len der Medienpädagogik

Mei­dien­päd­ago­gen wie der öffent­lich zur­zeit sehr prä­sen­te Phil­ip­pe Wampf­ler bre­chen eine Lan­ze für das Ver­hal­ten der Jugend­li­chen.  Zu YouNow wird er von einer Quel­le so zitiert:

«Weil Younow nicht per se etwas Nega­ti­ves ist», sagt der Leh­rer und Kul­tur­wis­sen­schaft­ler Phil­ip­pe Wampf­ler: Der Dienst spie­le mit der Suche nach Auf­merk­sam­keit – dem Teen­agerthema schlecht­hin. Es gehe auch dar­um, Medi­en­kom­pe­tenz im posi­ti­ven Sin­ne zu zei­gen. Die Jugend­li­chen müss­ten das Publi­kum unter­hal­ten, etwas bie­ten. Je mehr Zuschau­er man bei Younow habe, des­to höher stei­ge man im Ran­king, und des­to bes­ser sei man für die ande­ren Nut­zer sicht­bar. Die­ser Wett­be­werb um Auf­merk­sam­keit kön­ne Spass machen und Krea­ti­vi­tät för­dern, betont Wampf­ler. Es gebe auch Jugend­li­che, die Unter­hal­tungs­tech­ni­ken berühm­ter Vor­bil­der imi­tier­ten. Ande­re mach­ten Musik. «Vie­le Jugend­li­che sind aller­dings bereit, Ver­nunft­re­geln zu bre­chen, wenn sie dafür Auf­merk­sam­keit erhal­ten.» Sie sag­ten sich: «Das ist es mir irgend­wie wert.»

Ich weiß nicht, ob P.Wampfler hier kor­rekt wie­der­ge­ge­ben wird, jedoch ist die­ses Zitat in mei­nen Augen pro­to­ty­pisch für einen bestimm­ten Teil der Medi­en­päd­ago­gen. Wampf­ler ist es immer dar­an gele­gen, Zustän­de zu beschrei­ben. Eine Wer­tung von Ver­hal­ten erfolgt i.d.R. nicht. Statt­des­sen ste­hen die Mög­lich­kei­ten der Online­an­ge­bo­te im Vor­der­grund. Die­se bezweif­le ich nicht. Ich bezweif­le aber, dass eine Mehr­heit der Jugend­li­chen Diens­te wie YouNow in einer Wei­se nutzt, wie sie in den Augen man­cher Medi­en­päd­ago­gen „gemeint“ sind.

Ich bezweif­le, dass das auf Jugend­li­che beschränkt ist. Und ich bezweif­le, dass das alles „Rand­phä­no­me­ne“ sind. Ich bezweif­le die oft anzu­tref­fen­de unge­heu­re Idea­li­sie­rung. Puber­tät ist geprägt von extre­mer Ambi­va­lenz. Explo­ra­ti­ves und kri­tik­wür­di­ges Ver­hal­ten ste­hen in der Hoch­zeit die­ser Pha­se pari­tä­tisch neben­ein­an­der. Ich bezweif­le Stu­di­en mit nur sehr gerin­ger Stich­pro­ben­grö­ße. Ich bezweif­le, dass gera­de die Geis­tes­wis­sen­schaft mit ihrer his­to­risch lang­sa­men Begriffs­bil­dung schon aus­rei­chend Metho­den gefun­den hat, mit den Phä­no­me­nen der Digi­ta­li­sie­rung ange­mes­sen umzu­ge­hen. Das ist in Ord­nung und ein völ­lig nor­ma­ler Zustand in der Zeit des Über­gan­ges, in dem sich die Gesell­schaft gera­de befindet.

In Bezug auf Jugend­li­che ist mir Beschrei­ben und Begriffs­bil­dung ent­schie­den zu wenig. Ich wer­de in mei­nen Reak­tio­nen und Wer­tun­gen der Phä­no­me­ne im Inter­net in der Rück­schau oft falsch lie­gen. Ich mache mich durch Fest­le­gun­gen wie in mei­ner „ande­ren Geschich­te“ von oben angreif­bar. So what?

Ich blei­be Rei­bungs­flä­che. Das macht nicht immer Spaß. In Bezug auf Erzie­hungs­fra­gen gibt es aber kei­nen ande­ren Weg für mich. Immer neue Beschrei­bun­gen und immer neue Begrif­fe von Sei­ten geis­tes­wis­sen­schaft­li­cher For­schung auf „Indus­trie­ge­sell­schafts­ni­veau“ und mit „Indus­trie­ge­sell­schafts­me­tho­dik“ nüt­zen mir dabei eher wenig.

Selfiegate

Eine Mit­ar­bei­te­rin des Schwei­zer Par­la­ments hat von sich frei­zü­gi­ge Fotos ver­öf­fent­licht, die teil­wei­se sogar in den Amts­räu­men ihres Arbeit­ge­bers ent­stan­den sind. Die­se Fotos wur­den unter einem pseudonymisierten[ref]Pseudonymisierung: Tat­säch­lich han­delt es sich nicht um eine Anony­mi­sie­rung, da die­se dem Grund­satz der Nicht­ver­kett­bar­keit folgt. Der Twit­ter­ac­count der Dame lie­fer­te offen­bar aus­rei­chend Infor­ma­tio­nen (Ver­ket­tun­gen), die eine Auf­lö­sung des Real­na­mens ermög­lich­te. Anony­me Leh­rer­blogs gibt es damit auch nicht, da bei kon­kre­ten Erleb­nis­be­rich­ten zumin­dest für die Betei­lig­ten oder Freun­de der Real­na­me ermit­tel­bar ist – auch von Per­so­nen, über die geschrie­ben wird.[/ref] Twit­ter­ac­count ver­öf­fent­licht. Fin­di­ge Men­schen ver­moch­ten jedoch, die­sen Account zu depseud­ony­mi­sie­ren. Dar­um ent­spinnt sich jetzt in Blogs und auf Twit­ter (Hash­tag: #sel­fie­ga­te) eine Debat­te dar­über, inwie­fern auf sol­chen Platt­for­men wie Twit­ter oder Face­book gepos­te­te Text­nach­rich­ten, Bil­der und Vide­os von Drit­ten (z.B. Pres­se­or­ga­nen) ver­wen­det wer­den dür­fen. Die Kern­fra­ge lau­tet dabei:

Darf alles, was im Netz ver­füg­bar ist, auch belie­big von Drit­ten ver­wen­det werden?

Beson­de­re Bri­sanz erhält die­se Fra­ge, wenn es um Bil­der, Text­nach­rich­ten oder Vide­os von Jugend­li­chen oder Kin­dern geht, die sich in sozia­len Netz­wer­ken bewe­gen. Immer­hin heißt es in den Geschäft­be­din­gun­gen von z.B. Facebook:

 Für Inhal­te, die unter die Rech­te an geis­ti­gem Eigen­tum fal­len, wie Fotos und Vide­os („IP-Inhalte“), erteilst du uns vor­be­halt­lich dei­ner Pri­vat­sphä­re- und Anwen­dungs­ein­stel­lun­gen die fol­gen­de Erlaub­nis: Du gibst uns eine nicht-exklu­si­ve, über­trag­ba­re, unter­li­zen­zier­ba­re, unent­gelt­li­che, welt­wei­te Lizenz für die Nut­zung jeg­li­cher IP-Inhal­te, die du auf oder im Zusam­men­hang mit Face­book pos­test („IP-Lizenz“). Die­se IP-Lizenz endet, wenn du dei­ne IP-Inhal­te oder dein Kon­to löscht, außer dei­ne Inhal­te wur­den mit ande­ren Nut­zern geteilt und die­se haben sie nicht gelöscht.

Quel­le: https://www.facebook.com/note.php?note_id=10150282876970301

Was das im Ein­zel­nen bedeu­tet, ist recht­lich hier sehr schön zusam­men­ge­fasst. Hier gibt mehr unge­klär­te als geklär­te Fra­gen, z.B. ob eine nicht voll geschäfts­fä­hi­ge Per­so­nen die­se Rech­te über­haupt ein­räu­men kann. Des­sen unge­ach­tet erklärt man sich bei der Nut­zung von Face­book mit deren AGB ein­ver­stan­den. Gel­ten die­se AGB, darf Face­book z.B. eine Wer­be­kam­pa­gne mit mei­nem Kon­ter­fei star­ten ohne mich zu fragen.

Dua­lis­men

Die reflex­ar­ti­ge Ant­wort auf die­se Pro­ble­ma­tik der Anders­den­ken­den ist im Wesent­li­chen die, die man Eric Schmidt (Goog­le) mal in den Mund gelegt hat

Wenn es etwas gibt, von dem Sie nicht wol­len, dass es irgend­je­mand erfährt, soll­ten Sie es viel­leicht ohne­hin nicht tun.“ – Zitiert von Chris­ti­an Stö­cker in: Goog­le will die Welt­herr­schaft (Auf die Fra­ge nach dem Daten­schutz bei Goog­le), 8. Dezem­ber 2009. spiegel.de/netzwelt

Quel­le: http://de.wikiquote.org/wiki/Eric_Schmidt

Die Lösung soll also laut der Kri­ti­ker sein, nichts im Netz zu ver­öf­fent­li­chen, von dem man nicht will, dass es miss­braucht oder in einen ande­ren Kon­text wird. Bis­her ist das sehr dua­lis­tisch: Ganz oder gar nicht.

Inten­dier­te Öffentlichkeit

Da Dua­lis­mus einer der beson­ders unbe­lieb­ten Din­ge im Netz ist, gibt es Bestre­bun­gen, Zwi­schen­tö­ne zwi­schen „pri­vat“ und „öffent­lich“ zu kon­stru­ie­ren bzw. mora­lisch ein­zu­for­dern, z.B. bei Phil­ip­pe Wampf­ler bereits in meh­re­ren Artikeln.

Das, was dort beschrie­ben wird, lässt sich für mich am ehes­tens mit dem Begriff „inten­dier­te Öffent­lich­keit“ fas­sen. Äuße­run­gen, Foto- oder Videou­ploads sind in die­ser Les­art nicht welt­öf­fent­lich gemeint, son­dern für einen bestimm­ten Zweck und Adres­sa­ten­kreis bestimmt.

Zum Bei­spiel ist das Face­book­pro­fil eines Freun­des für die Men­schen bestimmt, mit denen er aus eige­ner Ent­schei­dung Infor­ma­tio­nen teilt. Obwohl es öffent­lich zugäng­lich ist, darf ich es in der Les­art der inten­dier­ten Öffent­lich­keit nicht ein­fach in einem Kon­text auf­ru­fen, der von ihm nicht vor­ge­se­hen wor­den ist – etwa im Rah­men einer Unter­richts­stun­de zur Medi­en­kom­pe­tenz oder von sei­nen Eltern zur Aus­for­schung des Privatlebens.

Über­tra­gen auf Sel­fie­ga­te ist es Unrecht, dass die Iden­ti­tät der Frau auf­ge­deckt und für die gewinn­ori­en­tier­te Nut­zung im Rah­men von Bericht­erstat­tung in der Pres­se ver­wen­det wur­de, weil es für die Frau eben ekla­tan­te Fol­gen hat und sie einer sol­chen Ver­wen­dung über ihre inten­dier­te Öffent­lich­keit hin­aus nie zuge­stimmt hätte.

Ich als Lehr­kraft muss eine Bewer­tung mei­ner dienst­li­che Iden­ti­tät auf Bewer­tungs­por­ta­len dul­den. Muss ich auch dul­den, dass die­se Ergeb­nis­se z.B. in einer Schü­ler­zei­tung frei ver­wen­det werden?

Gera­de das letz­te Bei­spiel zeigt, dass ich nicht ein­mal selbst Din­ge preis­ge­ben muss, um mit die­ser grund­sätz­li­chen Fra­ge­stel­lung kon­fron­tiert zu sein und nicht unmit­tel­bar „selbst schuld“ bin, weil ich frei­wil­lig Daten ver­öf­fent­licht habe.

Mit der Anmel­dung zu Face­book hat man aber zumin­dest gegen­über Face­book selbst zuge­stimmt, dass es eine inten­dier­te Öffent­lich­keit in Bezug auf Face­book nicht gibt.

Mei­ne Webrealität

Über die Mög­lich­keit, Daten zu kon­trol­lie­ren, habe ich schon an ande­rer Stel­le geschrie­ben. Ich gehe davon aus, dass mit Daten im Netz das gemacht wer­den wird, was für irgend­wen einen Sinn ergibt. Das ist nicht schön. Das mag mora­lisch ver­werf­lich sein. Es ist viel­leicht aber die Natur des Menschlichen.

Was genau wäre nötig, um ein ehr­ba­res Anlie­gen wir eine Ver­an­ke­rung der „inten­dier­ten Öffent­lich­keit“ in einem glo­ba­li­sier­ten Netz zu eta­blie­ren? Zusätz­lich natür­lich – wie immer – am bes­ten ohne staat­li­che Eingriffe?

Rea­lis­ti­scher erscheint mir die Ein­sicht, dass ich die Kon­trol­le über mei­ne Daten an der Pfor­te zum Netz schlicht abge­be. Dazu muss man – fin­de ich – begrei­fen, dass der Begriff der Kopie im Netz völ­lig unan­ge­bracht ist. Die digi­ta­le Reprä­sen­ta­ti­on z.B. eines Fotos auf mei­nem Rech­ner und im Brow­ser eines Web­sur­fers ist iden­tisch. Die Res­sour­ce wird qua­li­ta­tiv nicht schlechter.

Ich kann in Euro­pa ger­ne ethi­sche Stan­dards haben und mich dar­an hal­ten, muss viel­leicht aber hin­neh­men, dass die­se in ande­ren Berei­chen der Welt belä­chelt wer­den werden.

Ich kann also momen­tan eigent­lich nur – zumin­dest für die Daten, die ich selbst ver­brei­te – immer einen Fil­ter vor­schal­ten und genau prü­fen, ob ich mit dem Ver­lust der Kon­trol­le über die­se Daten leben kann, bis es welt­weit gül­ti­ge mora­li­sche Regeln gibt. Das ist ziem­lich unbe­quem nicht mehr auf Ver­hal­ten in der Ver­gan­gen­heit anwend­bar, also eigent­lich unrealistisch.

Ein­fa­cher bekom­me ich ggf. die Pro­ble­ma­tik mit den Daten in den Griff, die Drit­te über mich ins Netz ein­stel­len – daher kann ich theo­re­tisch jetzt schon weit­aus bes­ser vor­ge­hen, als gegen ein Nackt­fo­to, wel­ches ich selbst ver­öf­fent­li­che und wel­ches dann über die von mit inten­dier­te Öffent­lich­keit hin­aus Krei­se zieht.

Pro­vo­zie­ren­des

Die unbe­küm­mer­ten Daten­ge­ber der letz­ten Jah­re bekom­men lang­sam aber sicher eine Ahnung davon, was mit ihren Daten gesche­hen kann, bzw. was der Preis für Bequem­lich­keit in der Nut­zung digi­ta­ler Werk­zeu­ge ggf. ist. Das Kon­zept der inten­dier­ten Öffent­lich­keit kommt mir ein wenig so vor wie eine Aus­re­de zum Erhalt des eige­nen Selbst­bil­des: „Ja nun, die Daten habe ich aus Bequem­lich­keit ver­brei­tet, aber das die so und so ver­wen­det wer­den, habe ich nicht gewollt und auch nicht gewusst! Und eine Rück­kehr ist doch gar nicht mehr mög­lich, so sehr wie sich die­se Diens­te in mei­nem Leben eta­bliert haben.“ – Bei Face­book hät­te man es aber wis­sen kön­nen – es gab genug Leu­te, die die AGB gele­sen und dar­über auf­ge­klärt haben.

Auf mei­nen Eltern­aben­den zur Medi­en­kom­pe­tenz erge­ben sich genau dar­aus immer wie­der für das Publi­kum recht ver­stö­ren­de Ant­wor­ten auf bestimm­te Fra­gen, z.B. nach der Her­kunft von Sex­ting (es waren wahr­schein­lich Erwach­se­ne in Fern­be­zie­hun­gen, die damit ange­fan­gen haben) und grund­sätz­lich waren es auch immer Erwach­se­ne, die aus Bequem­lich­keit nut­zen und Diens­te ver­wen­den, sich aber nun über das unre­flek­tier­te Ver­hal­ten ihrer Kin­der auf­re­gen. Der Gip­fel war neu­lich das Ver­schi­cken einer PIN für eine Kre­dit­kar­te über Whats­App in die USA. Mein Lieb­lings­satz dabei:

Kin­der und Jugend­li­che sind oft genug Spie­gel des Ver­hal­tens ihrer Vorbilder.

Wenn wir als Vor­bil­der Kon­zep­te wie die inten­dier­te Öffent­lich­keit für uns und unse­re Kin­der ent­wer­fen und über die damit ver­bun­de­ne Moral nach­den­ken, ist das wich­tig und gut. Wir dür­fen nur (noch nicht) Vor­bild in dem Glau­ben sein, das Netz (und die Mensch­heit) wäre dies­be­züg­lich bereits zu ethi­schen Grund­sät­zen bekehrt. Dar­auf weist zur­zeit eher wenig hin.

Daher ist der Begriff „inten­dier­te Öffent­lich­keit“ ein theo­re­ti­sches Kon­strukt und kann als sol­ches m.E. nicht zur Recht­fer­ti­gung von vor­han­de­nem Ver­hal­ten die­nen, obwohl es etwas Trös­ten­des hat, zu kon­stru­ie­ren, dass gera­de Jugend­li­che viel­leicht ins­ge­heim schon immer impli­zit nach dem Kon­strukt der inten­dier­ten Öffent­lich­keit im Netz handeln.

Die Ant­wort auf die Ein­gangs­fra­ge lau­tet also für mich zu die­sem Zeitpunkt:

Nein, es ist nicht in Ord­nung, dass Inhal­te von mir durch Drit­te belie­big ver­wen­det wer­den. Es ist aber naiv so zu tun, als geschä­he das nicht oder wür­de in abseh­ba­rer Zeit nicht mehr geschehen.

Sexting – Elternbrief

Ich habe in der beschei­de­nen Rol­le als Thinktank einen Text zum The­ma Sex­ting ver­fasst, um die Pro­ble­ma­tik in die Öffent­lich­keit mei­ner Regi­on zu brin­gen. Die­ser Text ent­hält bewusst ein paar recht schar­fe For­mu­lie­run­gen. Man kann Sex­ting als Aus­bruch der Jugend­li­chen aus der klein­bür­ger­li­chen Moral auf­fas­sen. Sobald auch Kin­der betrof­fen sind – und nach allem Anschein ist das wahr­schein­lich der Fall – mag ich die­se neue Aus­drucks­form nicht mehr recht dul­den und sehe Handlungsbedarf.

Phil­ip­pe Wampf­ler schreibt zur Erklä­rung die­ses Phänomens:

Es ist wich­tig, dar­auf auf­merk­sam zu machen und dar­über zu spre­chen. Durch Sen­si­bi­li­sie­rung kann das  Pro­blem aber nicht gelöst wer­den. Ver­trau­en ist sehr para­dox – es erfolgt nicht begrün­det, son­dern basiert auf einer Annah­me: »Ich kann dem ande­ren ver­trau­en.« Des­halb haben so genann­te Ver­trau­ens­be­wei­se einen hohen Stel­len­wert. Je gefähr­li­cher etwas  ist  – ein Nackt­bild ver­schi­cken, ein Pass­wort tau­schen, des­to bes­ser eig­net es sich für den Ver­such zu bewei­sen, dass man einer ande­ren Per­son vertraut.

Bös­wil­lig auf­ge­fasst ist das wie­der ein­mal blo­ße Deskrip­ti­on, die zwar zu einem ver­tief­ten Ver­ständ­nis des Phä­no­mens führt, aber eben kei­ne kon­kre­te Hand­lungs­op­ti­on bietet.

Angeb­lich sei­en in der Schweiz nur 6% der Jugend­li­chen von die­sem Pro­blem betrof­fen – öhm, d.h. bei einer Schu­le mit 1000 SuS also 60 – „nur“. Es gibt Hin­wei­se dar­auf, dass der­ar­ti­ge Bil­der auch ihren Weg auf ande­re Web­sei­ten mit ziel­grup­pen­ori­en­tier­ter Kli­en­tel finden.

Daher ist bei mir die Idee ent­stan­den, die­sen Text (s.u.) als Anzei­ge in einer Regio­nal­zei­tung zu ver­öf­fent­li­chen und von mög­lichst vie­len Schu­len gegen­zeich­nen zu las­sen. So wird ver­hin­dert, dass sich eine Schu­le regio­nal „outen“ muss. Die Tak­tik scheint aufzugehen.

Wir, die Schu­len der Regi­on XY, ste­hen vor einem Problem.

 In zuneh­men­den Maße erzäh­len uns Eltern sowie unse­re Schü­le­rin­nen und Schü­lern von Bil­dern aus sozia­len Netz­wer­ken, die eine Gren­ze über­schrei­ten, bei der wir nicht mehr weg­schau­en kön­nen und wollen.

Es han­delt sich nach vie­len über­ein­stim­men­den Aus­sa­gen dabei um unse­re Schü­le­rin­nen und Schü­ler, also um jun­ge Men­schen, die uns anver­traut sind.

 Sie fer­ti­gen von sich oder Drit­ten unbe­klei­det Auf­nah­men an und laden die­se frei­wil­lig in sozia­le Netz­wer­ke hoch.

 Ins­be­son­de­re Mäd­chen und jun­ge Frau­en wer­den dar­über hin­aus in ein­deu­ti­ger Situa­ti­on foto­gra­fiert und die­se Auf­nah­men unter Miss­ach­tung der Men­schen­wür­de weitergegeben.

 Die­se Bil­der ver­brei­ten sich schnell über Smart­phones. Es besteht zudem wenig Hoff­nung, sel­bi­ge jemals wie­der aus dem Inter­net ent­fer­nen zu können.

 Die­se Vor­komm­nis­se spie­len sich i.d.R. außer­halb des Wahr­neh­mungs­be­rei­ches unse­rer Erwach­se­nen­welt ab.

Wenn du, lie­be Schü­le­rin, lie­ber Schü­ler, sol­che Bil­der selbst anfer­tigst und hoch­lädst, dann â€¦

  • sei dir dar­über bewusst, dass die­se immer in fal­sche Hän­de gelan­gen, egal wie sehr du dei­nen Adres­sa­ten auch in die­sem Moment ver­trau­en magst.

  • sei dir dar­über bewusst, dass sich die­se Bil­der höchst­wahr­schein­lich nicht mehr aus den sozia­len Netz­wer­ken ent­fer­nen lassen

  • sei dir dar­über bewusst, dass du über Jah­re durch der­ar­ti­ge Bil­der ver­letz­bar bleibst.

  • sei dir dar­über bewusst, dass der­ar­ti­ge Bil­der mit aller­größ­ter Sicher­heit für pädo­phi­le Krei­se von höchs­tem Inter­es­se sein werden.

  • sei dir dar­über bewusst, dass du lan­ge unter den Fol­gen der Ver­brei­tung dei­nes Bil­des lei­den wirst.

Wir bit­ten dich daher in dei­nem eige­nen Inter­es­se dar­um, für nie­man­den, auch nicht für dich selbst, auch nicht als Mut­pro­be, auch nicht im Spaß der­ar­ti­ge Bil­der von dir anzu­fer­ti­gen oder anfer­ti­gen zu lassen.

Wenn du, lie­be Schü­le­rin, lie­ber Schü­ler, sol­che Bil­der von Drit­ten auf dei­nem Han­dy spei­cherst oder wei­ter­gibst (via Whats­App, Face­book usw.) â€¦

  • sei dir dar­über bewusst, dass allein der Besitz nach deut­schem Recht u.U. eine Straf­tat darstellt.

  • sei dir dar­über bewusst, dass du allein auf Grund des Bil­des nicht ent­schei­den kannst, ob die abge­bil­de­ten Per­so­nen vor dem Gesetz Kin­der oder Jugend­li­che sind. Dar­an bemisst sich, ob du im Extrem­fall Kin­der- oder Jugend­por­no­gra­fie in dei­ner Hand hältst.

  • sei dir dar­über bewusst, dass der Gesetz­ge­ber ins­be­son­de­re auch die Wei­ter­ga­be die­ser Bil­der unter Stra­fe stellt.

  • sei dir dar­über bewusst, dass du so oder so die Men­schen­wür­de und die Per­sön­lich­keits­rech­te der abge­bil­de­ten Per­son ver­letzt – los­ge­löst davon, dass sel­bi­ge die Bil­der ggf. sogar frei­wil­lig zur Ver­fü­gung stellt.

Wir bit­ten dich dar­um, in einer sol­chen Situa­ti­on mit einem Erwach­se­nen dei­nes Ver­trau­ens zu spre­chen. Er allein kann ent­schei­den, wie wei­ter vor­ge­gan­gen wer­den soll. Und er wird dei­ne Iden­ti­tät auf dei­nen Wunsch hin zu schüt­zen wis­sen, wenn du es wünscht.

Lie­be Eltern,

  • wir wis­sen, dass Sie unter hohem sozia­len Druck ste­hen, ihrem Kind immer frü­her ein Smart­phone zu kaufen

  • wir wis­sen, dass Sie in der Situa­ti­on, in der Sie von der Exis­tenz sol­cher Bil­der Kennt­nis erlan­gen, über­for­dert sind.

  • wir wis­sen, dass der Bereich der sozia­len Netz­wer­ke für Sie oft Neu­land darstellt

  • wir wis­sen, dass Sie froh sein wer­den, wenn es ihr Kind gera­de nicht betrifft

  • wir wis­sen, dass die ger­ne infor­miert wer­den wür­den, wenn es ihr Kind betrifft.

  • wir wis­sen, dass Sie auf­grund ihrer Lebens­er­fah­rung beur­tei­len kön­nen, wann eine Gren­ze über­schrit­ten wird

Wir bit­ten Sie dar­um, hin­zu­schau­en und nicht den Man­tel des Schwei­gens über die Sache auszubreiten.

Spre­chen Sie mit Eltern von Kin­dern, die Sie auf Fotos wie­der­erken­nen. Infor­mie­ren Sie sich gegen­sei­tig. Gera­de die betrof­fe­nen Fami­li­en haben ein Recht dar­auf zu erfah­ren, was ihren Kin­dern widerfährt.

Und: Ent­schei­den Sie nicht nach sozia­lem Druck, wann ihr Kind ein Smart­phone erhält. Ent­schei­den Sie nach Ihrem Gefühl und der Rei­fe des Kindes.

Sie kau­fen kein Tele­fon – zum Tele­fo­nie­ren wer­den die Gerä­te von Jugend­li­chen und Kin­dern nicht oder kaum eingesetzt.

Sie kau­fen ein Gerät mit unbe­schränk­tem Zugang zum Internet.

Ich weiß, dass Tei­le mei­nes Tex­tes von Schu­len für einen Eltern­brief ver­wen­det wor­den sind und dass es auch schon Pres­se­re­ak­tio­nen gege­ben hat, ggf. wer­den auch noch ande­re Bei­trä­ge hier­zu erstellt wer­den – man mun­kelt, das Fern­se­hen sei auch schon dage­we­sen. Ich wer­de von Zeit zu Zeit die­sen Arti­kel aktualisieren.

Es ist für mich abso­lut fas­zi­nie­rend zu sehen, dass eine Sache Wir­kung ent­fal­tet, wenn man sie zum rich­ti­gen Zeit­punkt an der rich­ti­gen Stel­le ein­speist. Ganz vie­le Men­schen aus mei­ner Regi­on tra­gen die Inhal­te und das Anlie­gen nun mutig und öffent­lich offen­siv mit.

Sagen Sie mal Herr Riecken, ist Petra immer noch in …

… dabei hat­te Petra erst zu Beginn der Stun­de erfah­ren, dass es eine Klas­sen­ar­beit nach­zu­schrei­ben galt. Aber schon kur­ze Zeit spä­ter wuss­te die bes­te Freun­din Bescheid und woll­te sich nun ver­ge­wis­sern, ob sie war­ten oder allein nach Hau­se fah­ren soll­te. Whats­App macht es mög­lich und klar, dass der von vie­len im Netz beschwo­re­ne „Kon­troll­ver­lust“ über die Infor­ma­ti­ons­ho­heit inner­halb der Schu­le nun auch vir­tu­ell Rea­li­tät gewor­den ist.

Kon­trol­le hat­te man als Schu­le dar­über jedoch noch nie: Gerüch­te, Busch­funk oder indi­rekt ver­mit­tel­te Leh­rer­bil­der gab es schon immer. Neu ist für mich ledig­lich die media­le Prä­senz. Ver­bun­den mit dem Klar­na­men­zwang – etwa bei Face­book oder G+ – sind Äuße­run­gen prak­ti­scher­wei­se viel eher ein­zel­nen Per­so­nen zuzu­ord­nen als frü­her in der dif­fu­sen Gerüch­te­kü­che einer Klein­stadt. Für mich stellt es auch ein gewal­ti­ges Stück „Kon­trol­le“ dar, dass ich mit wenig Auf­wand nun sogar recht ein­fach die Her­kunft einer Äuße­rung per­so­nen­be­zo­gen ermit­teln kann – in gra­vie­ren­de­ren Fäl­len sogar mit amt­li­cher Unter­stüt­zung – schließ­lich ist das Netz kein rechts­frei­er Raum, obwohl das oft behaup­tet wird. Ich habe selbst schon poli­zei­li­che Anzei­gen gemacht und erfah­ren, dass das in straf­recht­lich rele­van­ten Fäl­len, z.B. „Bom­ben­dro­hungs­scher­zen“ ziem­lich schnell gehen kann, bis man Men­schen aus Fleisch und Blut vor sich ste­hen hat.

Schu­le hat­te also in mei­nen Augen die Infor­ma­ti­ons­ho­heit über das, was über sie und ein­zel­ne ihrer Lehr­kräf­te, Schü­ler und Ange­stell­ten ver­öf­fent­licht wird, noch nie. Durch das Inter­net ist aber der „Klein­sys­tem­ge­rüch­te­pro­zess“ trans­pa­ren­ter und doku­men­tier­ba­rer geworden.

Das bie­tet eine Men­ge Chan­cen, die ein „Klein­sys­tem­ge­rüch­te­ver­bund“ nicht hat. Es ermög­licht direk­te Gesprä­che und ver­mit­telt eben­so direk­te Rück­mel­dung, ohne „kom­mu­ni­ka­ti­ve Ban­de“ wie z.B. Eltern oder Stamm­tisch­kol­le­gen. Wenn das geschieht, ist viel gewonnen.

Es ermög­licht aber auch mit ver­hält­nis­mä­ßig wenig Auf­wand eine viel stär­ke­re Kon­trol­le – ein Account bei einem sozia­len Netz­werk öff­net da die Tür. Immer­hin kann ich ja SuS auch direkt wegen einer gepos­te­ten Äuße­rung dis­zi­pli­nie­ren. Oder ich kann – wo ein dis­zi­pli­na­ri­sches Ein­grei­fen nicht mög­lich ist – impli­zit durch mei­ne Macht­po­si­ti­on psy­cho­lo­gi­schen Druck auf­bau­en, etwa mit der Befürch­tung, von nun an schlecht bewer­tet zu wer­den – nicht dass sowas je vorkäme…

Wie ich mich da als Schu­le ver­hal­te, hat nicht mit der Art des „Infor­ma­ti­ons­ho­heits­ver­lus­tes“ zu tun, son­dern allein mit der Hal­tung, die ich gegen­über mir anver­trau­ten Men­schen ein­neh­me. Manch­mal habe ich den Ein­druck, dass der Kon­troll­ver­lust als ein mög­li­cher Initia­tor von Ver­än­de­rung gese­hen wird. Es ist schön und begrü­ßens­wert, wenn das tat­säch­lich ein­tritt. Aber im „Klein­sys­tem­ge­rüch­te­ver­bund“ liegt prin­zi­pi­ell die glei­che Chan­ce – wo ist sie genutzt wor­den? Selbst wenn eine Eva­lua­ti­on das schrift­lich fest­hält, was jeder „eh schon wuss­te“, bedarf es gro­ßer Anst­re­gun­gen, dar­aus auch Kon­se­quen­zen zu zu zie­hen. Im schlimms­ten Fall löst die neue Öffent­lich­keit von Rück­mel­dun­gen ledig­lich gewohn­te sys­te­mi­sche Beiß­re­fle­xe aus.

Ein­mal mehr hal­te ich die Hal­tung für ent­schei­dend – nicht das Medi­um, das die­se transportiert.

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