Transformationen der Macht
Ein alter Hof auf einer noch älteren Warft irgendwo auf einem Nordseeeiland. Hektisches Treiben auf den Gängen. Zettel werden auf einen Tisch mit drei schmunzelnden Menschen gelegt. Auf den Zimmertüren hängen Zettel mit Aufschriften wie „Würfelfrucht Inc.“ oder „Urlaub Perfekt“ oder gar „Regierung“. Auch Ortsnamen sind vertreten „Lino“ z.B. – ein mickriges Dorf bestehend aus drei Bauern und einem Tischler. Das unentdeckte Eiland „Safo“ muss sich entscheiden: Entweder ein Flughafen für die Touristen (und „Urlaub Perfekt“) oder ein Industriehafen für Würfelfrucht Inc. Beides geht nicht – so sind die Regeln. Ich bin übrigens Wirtschaftsminister in diesem Spiel. Irgendwann hat mich keiner aus dem Volk mehr lieb und meine Entscheidungen werden wahrhaftig immer sinnbefreiter. Jeder Strohhalm, jeder Ausweg ist mir recht. Im Jahr davor war ich Bauer. Da habe ich den Protestmarsch auf das Regierungszimmer angezettelt. Mit Transparenten, mit Parolen. Das war irgendwie cooler.
Es ist eines der besten Planspiele, die ich kenne. Leider wird es nicht mehr aufgelegt und die Rechtelage ist unklar – dabei habe ich alle Rollen und Regeln noch digital vorliegen.
Man lernt bei Planspielen etwas über Macht, da sich ein gutes Planspiel verselbstständigt und dann reale psychologische und soziale Prozesse einsetzen, die Welt abbilden, wie sie ist. „Safobauer“ sein ist immer einfach: Wenig Verantwortung, mit ein bisschen Grips und Vernetzung (ging auch schon vor mehr als 20 Jahren) konnte man den Mächtigen eine Menge Probleme machen – aber entschieden haben dann doch andere. Zum Schwitzen bringen konnte man sie – mehr nicht.
Zum „Safominister“ musste man taugen. Zu seinen Entscheidungen musste man gegenüber dem „Volk“ stehen. Beeinflusst wurden man vielfältig: Von der persönlichen Moral, von den Managern beider Firmen, durch die Reaktionen des Volkes usw..
Diese Erfahrungen macht man als „Safobauer“ in diesem Spiel nicht, aber andere: z.B. dass man keine Lobby hat und auch Solidarität zwischen Rollen, die eigentlich vor den gleichen Problemen stehen, kaum möglich ist, da der Einzelne überleben muss und will. Gemeinsame Aktionen werden anfangs von einem leidenschaftlichen Feuer getragen, dass spiegelbildlich zu einer typischen Prokrastinationskurve verläuft.
Dieses Spiel ist ein Bild. Und es ist eine Aufforderung, mit Kopf, Herz und Hand Strukturen zu durchbrechen. Das wird nicht alleine gehen, sondern nur solidarisch. Der Einzelne muss für eine Weile hinter den Interessen einer Gruppe zurücktreten. Das können Lehrer meiner Wahrnehmung nach nicht. Das ist wahrscheinlich auf Dauer ihr Verderben, weil sie Spielball von Presse, Kultuspolitik usw. bleiben.Von außen nimmt man das System immer über die Lehrer wahr – das System direkt nimmt man nicht wahr, zumindest nicht als Beteiligter.
Wo ist das gemeinsame Projekt der Web2.0‑Lehrer? Wird es 2011 eines geben? Wird es den Beweis geben, dass das Reden, das Analysieren, das Verlinken, Twittern in ein Ziel mündet oder zumindest ein Stück gemeinsame Wegstrecke? Wie lässt sich so etwas organisieren, ohne dass der Einzelne sich in seiner Individualität eingeschränkt fühlt? Oder fürchten wir Lehrer Interferenzen, die unsere Alltagsstrategien soweit schwächen, dass sie versagen könnten?
Ist meine Idee, auf diese Weise ideelle Macht zu bündeln, zu kumulieren wirklich so unlogisch? Technisch ist auf diesem Gebiet kein Problem zu erwarten. Das kann ich.
Ich kann eine ganze Weile so weitergehen. Die Frage ist, ob sich das Lernen oder die Schulstruktur durch parallelisierte Alleingänge ändern. Auf Safo spielt genau das immer wieder der institutionellen Macht in die Hände.
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Über ein gemeinsames Projekt der Web2.0‑Lehrer habe ich auch schon nachgedacht. Aber für mich müsste es etwas mit Fächern/Inhalten Verbundenes sein – und den Schwerpunkt nicht auf Methodik, also wie toll doch das Web 2.0 ist.
Für Englisch etwa: ein kurzes Theaterstück für die 6. Klasse, Robin Hood, selbst geschriebener Text unter einer CC-Lizenz, mit mp3 dazu (Sprecher: die Lehrer), damit die Schüler sich das anhören und üben können. Überschaubar, und mit Web 2.0 als Mittel zur Zusammenarbeit und nicht als Ziel.