Moodle – eine persönliche Zwischenbilanz

Wofür hal­te ich mitt­ler­wei­le Moodle?

Mood­le ist für mich ein metho­di­sches Instru­ment, um Unter­richt medi­al anders zu gestal­ten. Wich­ti­ge Aspek­te sind dabei:

  1. Asyn­chro­ni­tät (zwi­schen Akti­on und Reak­ti­on kann Zeit vergehen)
  2. Orga­ni­sier­te Kom­mu­ni­ka­ti­on (und zwar min­des­tens teiloffene)
  3. Doku­men­ta­ti­ons­sphä­re (z.B. Mate­ria­li­en­be­reit­stel­lung für Lerngruppen)
  4. Zeit- und orts­un­ab­hän­gi­ge Ver­füg­bar­keit der Inhalte

Was sehe ich an Mood­le kritisch?

Mood­le ist mitt­ler­wei­le ein hoch­kom­ple­xes, in sei­nen Tie­fen recht schwer durch­schau­ba­res und hoch­gra­dig indi­vi­dua­li­sier­ba­res Sys­tem gewor­den. Das birgt Chan­cen, aber auch die Gefahr didak­ti­scher und metho­di­scher Reg­gres­si­on. Unter­richt wird m.E. nicht bes­ser allein durch den Ein­satz von Mood­le. Mood­le bie­tet mitt­ler­wei­le sogar die Mög­lich­keit, dass oft kri­ti­sier­te Sys­tem Schu­le mit allen als ver­krus­te­tet emp­fun­de­nen Lern­struk­tu­ren vir­tu­ell 1:1 nach­zu­bau­en. Dazu eini­ge Analogien:

  1. Die Tür eines Klas­sen­rau­mes ist geschlos­sen – ein Mood­le­kurs ist auch sehr oft geschlos­sen. Ein sol­cher Kurs bie­tet dem Ler­nen­den kom­mu­ni­ka­tiv eigent­lich nur Nach­tei­le: Sei­ne Bei­trä­ge (Foren­post, Arbeit­er­geb­nis­se etc.) sind nicht wie in der direk­ten Kom­mu­ni­ka­ti­on flüch­tig, son­dern fixiert und damit auch nach län­ge­rer Zeit bewert­bar. Fach­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on in einem Kurs zu initi­ie­ren, die allen­falls Prä­senz­un­ter­richt ergän­zen kann, ist daher wahr­schein­lich eher schwie­rig. Außer­dem: Wer will – nach einer ers­ten Eupho­rie durch den media­len Bruch – eigent­lich auch noch in sei­ner Frei­zeit über Unter­richt kom­mu­ni­zie­ren? Mate­ri­al und Erklä­rung des Leh­ren­den auf­zu­neh­men, ist da schon eine grö­ße­re Moti­va­ti­on, um gute Noten zu erlangen.
  2. Die Kon­trol­le über Struk­tu­ren obliegt in der Schu­le dem Lehr­per­so­nal – inner­halb von Mood­le obliegt sie der Trai­ner­rol­le. Mit ihr wird fest­ge­legt, wie Unter­richt und sei­ne Inhal­te struk­tu­riert sind, wer im Kurs was darf. Damit unter­schei­det sich Mood­le in die­sem Punkt zunächst ein­mal nicht von einem Klas­sen­raum. Damit betritt der Ler­nen­de auch hier zunächst kein Neu­land. Sei­ne Mög­lich­kei­ten der Par­ti­zi­pa­ti­on sind prin­zi­pi­ell erst­mal nicht anders als im Unterricht.
  3. Kom­mu­ni­ka­ti­on im Klas­sen­raum ist oft inef­fi­zi­ent, weil ange­sichts der gro­ßen Lern­grup­pen oft zu vie­le Rück­zugs­mög­lich­kei­ten bestehen – Kom­mu­ni­ka­ti­on in Mood­le oft ist ineff­zi­ent, weil sie auf die Schrift-/Le­se­ebe­ne redu­ziert ist, weil es SuS und LuL viel zu oft an ande­ren media­len Aus­drucks­for­men fehlt. Das wäre anders, wenn die Wis­sens­dif­fe­renz zwi­schen Leh­ren­dem und Ler­nen­dem gering aus­fie­le. Auf fach­li­cher Ebe­ne ist sie das gera­de im Mit­tel­stu­fen­un­ter­richt oft nicht. Wis­sen kann unter die­ser Prä­fe­renz nur inner­halb der Lern­grup­pe selbst gene­riert wer­den und dafür gibt es m.E. geei­ge­te­re For­men als vir­tua­li­sier­te Kon­tak­te von Grup­pen, die sich täg­lich sowie­so real begrei­fen und zusätz­lich auch noch Zwangs­ge­mein­schaf­ten sind.

Zur Ver­deut­li­chung: Ich habe geschrie­ben, dass Mood­le die Mög­lich­keit bie­tet, klas­si­schen Unter­richt und bestehen­de Schul­struk­tu­ren ledig­lich zu vir­tua­li­sie­ren. Wenn das tat­säch­lich geschieht, ist das kein Ver­säum­nis von Moodle!

War­um ich ungern Mood­le­kur­se erstelle

In der jet­zi­gen Form befrie­digt Mood­le kei­nes mei­ner Bedürf­nis­se, wel­ches hin­ter jed­we­der Ver­öf­fent­li­chung irgend­ei­nes Mate­ri­als steht.

  1. Ich muss mein Mate­ri­al selbst strukturieren
  2. Ich muss mein Mate­ri­al selbst mit Meta­in­for­ma­tio­nen versehen
  3. Ich kann mein Mate­ri­al nur sehr umständ­lich über Kurs­gren­zen hin­weg quervernetzen
  4. Mein Mate­ri­al ist nicht recher­chier­bar von Ler­nern außer­halb von Mood­le – bzw. außer­halb eines MNET-Ver­bun­des. Damit bleibt eine gro­ße Res­sour­ce ungenutzt.
  5. Mein Mate­ri­al ist nur inner­halb von Mood­le por­tier­bar, es sei denn, ich nut­ze z.B. SCORM
  6. Die wei­te­re Ent­wick­lung von Mood­le ist mir noch zu unge­wiss. Inner­halb der Mood­le­com­mu­ni­ty ver­schrän­ken sich für mich wirt­schaft­li­che und ideel­le Kräf­te ohne kla­re Tren­nung wie in ande­ren Open­So­ur­ce-Pro­jek­ten üblich, sodass ich noch viel weni­ger als sonst weiß, wer von frei­em Con­tent wirk­lich profitiert.

Ein offe­ner Leh­rer­blog­ver­bund ist in die­ser Hin­sicht ideell für mich viel ertrag­rei­cher. In Blogs gene­riert sich Wis­sen für mich viel kon­struk­ti­vis­ti­scher als dies inner­halb in Mood­le bis­her bei mei­nen ers­ten, dil­le­tan­ti­schen Geh­ver­su­chen der Fall war. Und das ist für mich sys­te­misch bedingt. Zusätz­lich bestim­me ich in mei­nem Blog zumin­dest auf dem Papier über die Wei­ter­ver­wen­dung mei­ner Inhalte.

Kon­se­quen­zen

  1. Alles inner­halb eines Mood­le­kur­ses muss für jeden Ler­nen­den kom­men­tier­bar sein. Durch Kom­men­ta­re von SuS zu z.B. einem von mir erstell­ten oder ver­link­ten Mate­ri­al setzt für mich erst die Wis­sens­kon­struk­ti­on ein, die ich mir ver­spre­che. So kann ich kon­kret erfah­ren, wel­che Aspek­te ich z.B. nicht berück­sich­tigt oder wo ich nicht deut­lich genug erklärt bzw. struk­tu­riert habe. Kom­men­tar und kon­kre­te Res­sour­ce müs­sen dabei für mich eng ver­bun­den sein. Nur so ler­ne ich per­sön­lich etwas von mei­nen SuS – und die­se ler­nen dabei auch etwas: z.B. ernst­ge­nom­men zu wer­den. Das bie­tet für mich die Chan­ce eines teil­wei­sen Aus­gleichs der unter­schied­li­chen Augenhöhe.
  2. Mood­le muss den Ler­nen­den (denen in der Teil­neh­men­den­rol­le) noch weit mehr Mög­lich­kei­ten geben, an der inhalt­li­chen und struk­tu­rel­len Aus­ge­stal­tung von Kurs­in­hal­ten zu par­ti­zi­pie­ren. Das geschieht bereits in eini­gen Lern­ak­ti­vi­tä­ten, aber die­ser Weg muss für mich noch kon­se­quen­ter fort­ge­führt wer­den. Die Kom­men­tar­funk­ti­on wäre da ein Bei­spiel. Ein indi­vi­dell frei gestal­ba­rer Bereich für jeden Teil­neh­men­den – wie etwa durch Port­fo­lio­sys­tem (exa­bis) sind da für mich ein Schritt in die rich­ti­ge Rich­tung, wenn die­se Port­fo­li­os auch ver­schie­den­gra­dig öffent­lich gemacht wer­den kön­nen: z.B. Grup­pe, Kurs­be­reich, Mood­le­sys­tem, Welt. Maha­ra macht es für ich in die­sem Bereich exzel­lent vor.
  3. Inhal­te aus Mood­le­kur­sen müs­sen los­ge­löst von per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten für jeder­mann von über­all auf der Welt recher­chier­bar sein. Nur so wür­de für mich die Schaf­fung von Kurs­in­hal­ten effi­zi­ent. Ich nut­ze die Inhal­te in mei­nem Unter­richt und bekom­me von außer­halb mei­nes Unter­richts dazu zusätz­lich als Input. Mit „außer­halb“ mei­ne ich dabei nicht ande­re Leh­rer oder Schüler.
  4. Mood­le ist ein Unter­richts­in­stru­ment, eine für mich genia­le Zusam­men­füh­rung ver­schie­de­ner Metho­den, von denen kei­ne neu ist – ein Instru­ment ver­än­dert Unter­richt durch die Art sei­ner Benut­zung. Es ist für mich fahr­läs­sig zu behaup­ten, dass ein Instru­ment von sich aus Unter­richt ver­än­dert – wie es all­ge­mei­nen Hype um Mood­le manch­mal geschieht. Ohne eine Ein­füh­rung in das Prin­zip, wel­ches hin­ter dem Kontruk­ti­vis­mus steht, wird Mood­le m.E. kei­nen wirk­li­chen Fort­schritt brin­gen kön­nen, son­dern ledig­lich bestehen­de Struk­tu­ren vir­tu­ell abbilden.

Vie­le mei­ner Kon­se­quen­zen sind bereits heu­te mit Mood­le umsetz­bar, wenn ich als Leh­ren­der bereit bin, den Ler­nen­den mehr zu ver­trau­en und ich den Mut auf­brin­ge, mich ihrer wich­ti­gen Kri­tik bzw. Rück­mel­dung auch aus­zu­set­zen. Ich wünsch­te mir in die­sem Bereich mehr „Best-Practise“-Beispiele – völ­lig unab­hän­gig von Mood­le. Ein Forum bleibt ein Forum – ob nun in Mood­le oder anders­wo ein­ge­setzt. Ein Blog bleibt ein Blog und ein Arti­kel ein Artikel.

Span­nend fin­de ich noch fol­gen­de Beobachtung:

  1. Das Tech­nik­fo­rum auf moodle.org boomt und vie­le Fra­gen erwe­cken für mich den Anschein, als wer­de gera­de ver­sucht, bestehen­de Struk­tu­ren in Schu­le auf Mood­le abzu­bil­den, etwa wenn der Wunsch nach vor­ge­ge­be­nen Lern­we­gen aufkommt.
  2. Das päd­ago­gi­sche Forum, das ich für die Arbeit mit Mood­le für weit­aus wich­ti­ger hal­te, schläft – Ralf Hil­gen­stock schreibt in der Foren­be­schrei­bung: Schläft die­ses Forum – schläft Moodle.

Ket­ze­risch for­mu­liert: Ist Mood­le im Prin­zip eine Spiel­wie­se für tech­nik­ver­lieb­te Päd­ago­gen, die sich zu viel zutrau­en und nicht bei ihren Leis­ten bleiben?

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11 Kommentare

  • Hol­la, die Wald­fee. Man soll nicht sagen, die Mood­le­com­mu­ni­ty wäre nicht schnell.

  • Pingback: Bloghauszweinull » Archiv » Moodle: Jahre sind nicht genug…

  • Pingback: Wie Menschen entdecken, dass sie Neuronen sind! « Jeanpol’s Weblog

  • » Ein offe­ner Leh­rer­blog­ver­bund ist in die­ser Hin­sicht ideell für mich viel ertrag­rei­cher. In Blogs gene­riert sich Wis­sen für mich viel kon­struk­ti­vis­ti­scher als dies inner­halb in Mood­le bis­her bei mei­nen ers­ten, dil­le­tan­ti­schen Geh­ver­su­chen der Fall war. Und das ist für mich sys­te­misch bedingt.«

    Das sehe ich ganz genau so: Lern­platt­for­men sind ide­al­ty­pisch längst über das »blended lear­nin­g« hin­aus und für eine Zusam­men­stel­lung frei ver­füg­ba­rer Instru­men­te wie Blog, Micro­blog, Fach­fo­ren, ver­link­te Net­ze zur Wis­sens­kon­struk­ti­on, in denen auf­ein­an­der reagiert wird und die Betei­lig­ten sich gegen­sei­tig somit wei­ter bringen.

    Ide­al­ty­pisch geht – und das ist längst mög­lich – nicht mehr pri­mär um Rezep­ti­on von Wis­sen, son­dern um Pro­duk­ti­on, was natür­lich genü­gend Rezep­ti­on von Wis­sen mit ein­schließt, aller­dings immer so, dass ich dar­auf irgend­wie reagie­re, damit selbst am Wis­sen wei­ter baue.

    Ich ver­zich­te bis­lang auf den Ein­satz von Mood­le (nicht aber auf das Aus­pro­bie­ren, in einer nicht öffent­lich zugäng­li­chen Instal­la­ti­on, will ja wis­sen, wor­über ich rede. Die Grün­de lege ich hier dar.

  • aller­dings immer so, dass ich dar­auf irgend­wie reagie­re, damit selbst am Wis­sen wei­ter baue.“

    Gene­rell ist für mich jede Deskrip­ti­on von Wis­sen ja auch eine Rezep­ti­on von Fremd­wis­sen. Bei Wis­sens­netz­wer­ken habe ich sehr oft das Pro­blem, dass der tra­gen­de Input, die eigent­li­che Sub­stanz oft nur von sehr weni­gen mensch­li­chen Neu­ro­nen aus­geht und ein Groß­teil des Netz­wer­kes eben wis­sens­le­tal rez­piert, d.h. umdeskri­biert – das spricht du ja auch an in der Pro­ble­ma­tik von Drag’n Drop.

    Mehr­wert könn­te dadurch ent­ste­hen, dass sich SuS mit z.B. ihren Tex­ten in die beglei­te­te „Öffent­lich­keit“ stel­len un es als Berei­che­rung erle­ben, wenn dar­auf reagiert wird.

    Dafür kön­nen LMS wie Mood­le m.E. tat­säch­lich einen geeig­ne­ten Schutz­raum bie­ten, wenn z.B. zwei Klas­sen aus zwei ver­schie­de­nen Bun­des­län­dern ein­an­der ihre Tex­te (Deutsch­un­ter­richt) vorstellen.

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  • Ist Mood­le im Prin­zip eine Spiel­wie­se für tech­nik­ver­lieb­te Päd­ago­gen, die sich zu viel zutrau­en und nicht bei ihren Leis­ten bleiben?

    Das ist m.E. oft der Fall – bzw. sie blei­ben gera­de bei Ihren Leis­ten, indem sie die bis­he­ri­gen Struk­tu­ren digi­tal machen möch­ten. Das ist wie­der mal vom Tool her gedacht: „Wie könn­te ich mei­nen (bis­he­ri­gen) Unter­richt mit Mood­le machen“. 

    Die Fra­ge, die eigent­lich gestellt wer­den müss­te: „Was bringt Mood­le [hier eine belie­bi­ge Inno­va­ti­on ein­fü­gen] Neu­es, das die bis­he­ri­gen Ein­schrän­kun­gen des Lern­erfolgs ver­min­dern könn­te“ – man muss die Tools gut ken­nen, um das beur­tei­len zu kön­nen, aber man muss eben auch „out of the box“ denken.

  • Felix Franke

    Hal­lo zusammen,

    das ernüch­tert hier ja ein wenig, aber ich habe auch nicht vor, 1:1 mei­ne Prä­senz­se­mi­na­re über tech­ni­sche Grund­la­gen unse­rer Pro­duk­te wie­der­zu­ge­ben, son­dern welt­weit eine eini­ger­ma­ßen gleich­mä­ßi­ge Grund­aus­bil­dung der Mit­ar­bei­ter zu erleich­tern. Es ist für uns nicht prak­ti­ka­bel, in einer 2000 Per­so­nen Fir­ma alle Neu­en erst­mal 6 Wochen nach Deutsch­land kom­men zu lassen…
    Die­se Prä­senz­se­mi­na­re wird es wei­ter geben, aber ich kann die dann auf einem ganz ande­ren Niveau anset­zen wenn die Leu­te vor­her inet­wa auf einem Stand sind.
    Ich erhof­fe mir von Mood­le auch einen Über­blick wer denn was schon gemacht hat, es sieht sich ja also LMS und nicht in ers­ter Linie als Lehrerersatz…

  • In der Schu­le sehen wir uns täg­lich – in einem welt­weit agie­ren­den Unter­neh­men nicht. Des­we­gen sind die­se bei­den Set­ups auch nicht so ohne wei­te­res ver­gleich­bar – schon von der Kli­en­tel her.

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